DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

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Mediator
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DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Mediator »

Rasiel
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Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Rasiel »

Schon traurig, ausgerechnet die Bahn die am lautesten schreit, wenn es um Kostenerstattung durch die Hinterbliebenen geht, Rücksichtslos werden diese Menschen oft verklagt.
Lokführer müssen psychologisch betreut werden, ausgerechnet die verweigern die Mithilfe.
Thanatos
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Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Thanatos »

Krass. Betonköpfe befinden sich also nicht nur in der Regierung, sondern auch bei der Bahn...
Andererseits habe ich es mir aber schon fast abgewöhnt, mich in diesem unserem Lande noch über irgendetwas zu wundern....
Schönen Abend allerseits,
wünscht Thanatos
chris84

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von chris84 »

Auf der einen Seite denke ich schon, dass die Bahn ein Interesse an der Vermeidung von Schienensuiziden hat. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Bahn eine Anweisung von oben (Politik und Wirtschaft) bekommen und somit auf die Bewilligung verzichtet hat. Ohne die Bahn damit jetzt in Schutz nehmen zu wollen. Ist auch nur eine Theorie von mir.
Der wirtschaftliche Aspekt der gegen Sterbehilfe spricht wurde ja bereits diskutiert. Am meisten stört mich immer die Doppelmoral unserer Politiker. Einige behaupten, dass man mit dem Tod keinen finanziellen Gewinn machen darf. Aber Kriege und Waffenexporte sind dann wieder in Ordnung oder wie? Scheinheiliger geht’s nicht mehr.
Und dann positionieren sich die Politiker gegen Sterbehilfe mit der Begründung unser Leben schützen zu wollen. Ja klar, als ob die an unseren Wohlergehen interessiert wären. Ich erwarte nicht, dass SH vom Staat subventioniert wird. Mir würde es schon reichen, wenn die SH etwas liberaler geregelt wäre und mir auch keiner SH per Gesetz verbieten würde.
Girlxxx

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Girlxxx »

chris84 hat geschrieben:Auf der einen Seite denke ich schon, dass die Bahn ein Interesse an der Vermeidung von Schienensuiziden hat. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Bahn eine Anweisung von oben (Politik und Wirtschaft) bekommen und somit auf die Bewilligung verzichtet hat. Ohne die Bahn damit jetzt in Schutz nehmen zu wollen. Ist auch nur eine Theorie von mir.
Scheint mir nicht ganz unplausibel.
Der wirtschaftliche Aspekt der gegen Sterbehilfe spricht wurde ja bereits diskutiert. Und dann positionieren sich die Politiker gegen Sterbehilfe mit der Begründung unser Leben schützen zu wollen. Ja klar, als ob die an unseren Wohlergehen interessiert wären. Ich erwarte nicht, dass SH vom Staat subventioniert wird. Mir würde es schon reichen, wenn die SH etwas liberaler geregelt wäre und mir auch keiner SH per Gesetz verbieten würde.
Also, jetzt bin ich mal der Dumme (evtl. meiner Ignoranz ökonomische Sachverhalte/Zusammenhänge betreffend geschuldet): kannst du mir das bitte erklären, ich verstehe einfach nicht was finanziell gegen SH spricht (wobei man sicherlich die unterschiedlichen Formen der SH je für sich darauf hin zu prüfen hätte). Du meinst offenbar, dass SH dem Staat allenfalls sogar Mehrkosten abverlangen würde (bei `Subventionierung`), bis anhin dachte ich aber, dass das Haupt-Argument jenes sei, dass man durch Verbot von SH zusätzlich verdienen kann (also durch die Behandlung von alten, kranken Menschen: aber was kostet ein Todkranker pro Tag auf der Intensivstation oder auch Palliativstation und was würde eine begleitete Suizidbeihilfe kosten?). Das wären ja ganz unterschiedliche Argumente und beide leuchten mir absolut nicht ein. Mir scheint dass ein Verbot von SH insgesamt nur Mehrkosten verursachen kann (es sei denn man rechnet sehr indirekte Formen des `Nutzens` mit ein: neue innovative Behandlungsmethoden die an alten, kranken Menschen `getestet` werden können etc. um dann ökonomisch verwertet zu werden...die Pharmaindustrie könnte ihre Hand diesbezüglich auch im Spiel haben, allerdings vornehmlich wohl durch nicht-innovativen Verkauf bereits existierender Medikamente: insgesamt aber doch ein ökonomischer Faktor der die Gesamtkosten steigert und nicht senkt und nur die Taschen der Pharmaindustrie füllt? Lobbys eben, die ein Partial-Interesse (welches dann durchaus finanzieller Natur sein könnte) vertreten das nicht in Einklang steht mit der SH. Geht es also darum, dass man die grossen möglicherweise betroffenen Firmen konkurrenzfähig halten will? Gibt es da z.B. Parallelen zum Gefängniswesen in den USA die zuweilen als grosser und unverzichtbarer Wirtschaftszweige bezeichnet wird im Grunde aber doch eine reinste Geldvernichtungsmaschinerien ist (nicht, dass ich solches Argument als pro Todesstrafe zulässig erachten würde, falls die Todesstrafe überhaupt rechtfertigbar ist, dann ein Argument um die jahrelangen unmenschlichen death-row `Wartezeiten` zu minimieren) ?
chris84

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von chris84 »

Die Fragen sind schon berechtigt. Nein, ich meinte nicht dass eine Subventionierung (oder sonstige Unterstützung) von SH dem Staat etwas kosten würde. Ich wollte sagen, dass ich vom Staat nicht erwarten kann, dass er SH unterstützt. Im Gegenzug erwarte ich dann aber, dass der Staat (oder sonstige Gegner) den SH-Vereinen nicht in die Quere kommt. Ob nun mit Gesetzen, Verboten oder sonst was. Vor allem möchte ich auch, dass der Staat mit seiner Bevormundung aufhört. Kann man den Staat dazu verpflichten Todeswilligen beim Sterben zu helfen? Vielleicht nicht, aber man kann zumindest erwarten, dass er den Suizidkandidaten keine SH verbietet. Dass man für SH extra ins Ausland fahren muss finde ich beschämend. Oft behaupten die Gegner, dass die SH-Vereine angeblich mit dem Tod Geschäfte machen und dass so was höchst unmoralisch sei. Weshalb auch oft von Sterbetourismus gesprochen wird.
Aber warum soll das jetzt so verwerflich sein? Natürlich müssen die SH-Vereine wirtschaftlich arbeiten und Geld einnehmen. Sonst könnten sie ihre Arbeit erst gar nicht machen. Nicht nur das Medikament auch die ganzen Arzt- und Verwaltungskosten müssen ja irgendwie beglichen werden. Und die Mitarbeiter wollen ja dann auch noch von was leben. Das geht halt nur über Spenden und Mitgliedsbeiträge, sofern es keine sonstigen Subventionen gibt. Der Mediator kann mich da gerne korrigieren, falls ich da was Falsches geschrieben habe.

Zum wirtschaftlichen Aspekt. Der Einfachheit wegen will ich SH mal kurz auf ältere Menschen beschränken. Eigentlich könnte man ja denken, dass der Staat SH eher befürworten müsste in der Hoffnung damit das „sozialverträgliche Frühableben“ zu fördern. Speziell im Rahmen des demographischen Wandels würde man ja damit Unsummen an staatlichen Ausgaben für Rente und ärztliche Versorgung sparen. Wären da nicht die Pharmaindustrie und noch andere Wirtschaftszweige die an alten und kranken Leuten verdienen.
Zugegeben ich hab jetzt keine Zahlen zur Hand um die Gewinne der Unternehmen bzw. die Kosten für den Staat beziffern zu können. Ich weiß auch nicht was ein Todkranker oder ein Gefängnisinsasse so kostet. Ich denke schon, dass die Gewinne der Unternehmen im Vordergrund stehen. Nein, beweisen kann ich es nicht. Aber dass viele Unternehmen auch Einfluss auf Politiker und die Gesetzgebung nehmen ist kein Geheimnis. Solange die ihre fetten Gewinne machen, dürfte es den Unternehmen egal sein was ein SH-Verbot dem Staat so kostet.
Girlxxx

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Girlxxx »

chris84 hat geschrieben:Die Fragen sind schon berechtigt. Nein, ich meinte nicht dass eine Subventionierung (oder sonstige Unterstützung) von SH dem Staat etwas kosten würde. Ich wollte sagen, dass ich vom Staat nicht erwarten kann, dass er SH unterstützt. Im Gegenzug erwarte ich dann aber, dass der Staat (oder sonstige Gegner) den SH-Vereinen nicht in die Quere kommt. Ob nun mit Gesetzen, Verboten oder sonst was. Vor allem möchte ich auch, dass der Staat mit seiner Bevormundung aufhört.
1) Demokratisch (da es die Mehrheit der Bürger will, vorausgesetzt dieser Wille ist verfassungskonform: ist SH Bestandteil der Menschenwürde?...die Würde des Menschen ist unantastbar (deutsches Grundgesetz)) sowie moralisch (da es nur mittels dogmatisch-ideologischer Prämissen moralisch verurteilt werden kann) kann man solche Unterstützung, d.h. rechtlich geregelte Zustimmung, vom Staat erwarten (ja, vom höchsten Gericht erzwingen, wenn deren Verweigerung verfassungswidrig wäre), muss es dann auch klar einfordern.
2) Wenn du allerdings meinst, dass man solche Unterstützung vom Staat faktisch nicht erwarten kann (weil er über den Willen der Mehrheit hinweg bestimmt), dann stimmt deine Folgerung dennoch nicht: der Staat sagt ja nicht, dass er SH lediglich nicht unterstützt sondern, dass er explizit dagegen ist. Dein Argument wäre gerade nur dann stimmig, wenn es dem Staat lediglich etwas kosten würde und er darum nicht willens ist SH zu unterstützen, er ansonsten aber neutral eingestellt wäre (aber das ist offensichtlich nicht die Argumentation von SH-Gegnern und des Staates, falls doch, scheint sie mir nicht begründbar...darauf bezog sich ja meine ursprüngliche Frage).
Kann man den Staat dazu verpflichten Todeswilligen beim Sterben zu helfen? Vielleicht nicht, aber man kann zumindest erwarten, dass er den Suizidkandidaten keine SH verbietet. Dass man für SH extra ins Ausland fahren muss finde ich beschämend. Oft behaupten die Gegner, dass die SH-Vereine angeblich mit dem Tod Geschäfte machen und dass so was höchst unmoralisch sei. Weshalb auch oft von Sterbetourismus gesprochen wird.
Einen Staat kann man insofern verpflichten als man auf die Verfassung oder geltendes Recht (oder eingeschränkt: den `Volkswillen`, wo es keine direkte Demokratie gibt, ist deren Durchsetzung ganz offensichtlich im Einzelfall problematischer) rekurrieren kann. Der Staat/das Recht/die Moral kann wohl grundsätzlich drei Positionen beziehen: Verbieten, Gebieten oder etwas offen lassen (d.h. etwas ist weder geboten, verboten sondern erlaubt). Deine Forderung ist, dass der Staat die SH erlaubt, sich neutral verhält, es weder fördert, noch behindert. Eine solche Position ist aber undenkbar, da es ja die SH in eine völlig rechtlose Zone stellen würde. Auch in der Schweiz gibt es für die SH-Vereine gesetzlich verbindliche Richtlinien, ohne welche das Ganze unweigerlich vielfachen Missbrauchsmöglichkeiten ausgesetzt wäre. Gerade erst die gesetzlichen Leitplanken gewähren doch, dass eben keinen finanziellen oder anderweitigen unakzeptablen Interessen gedient wird.
Aber warum soll das jetzt so verwerflich sein? Natürlich müssen die SH-Vereine wirtschaftlich arbeiten und Geld einnehmen. Sonst könnten sie ihre Arbeit erst gar nicht machen. Nicht nur das Medikament auch die ganzen Arzt- und Verwaltungskosten müssen ja irgendwie beglichen werden. Und die Mitarbeiter wollen ja dann auch noch von was leben. Das geht halt nur über Spenden und Mitgliedsbeiträge, sofern es keine sonstigen Subventionen gibt. Der Mediator kann mich da gerne korrigieren, falls ich da was Falsches geschrieben habe.
Das ist nicht der Punkt: niemand wird einem Verein vorwerfen, dass er für seinen Selbsterhalt sorgt mittels entsprechenden Geldbeschaffungsmassnahmen (wobei ich die rechtlichen Rahmenbedingungen die Vereine erfüllen müssen nicht kenne. Sie dürfen so viel ich weiss nicht Profit orientiert sein, was aber ja nicht ausschliesst, dass ihre Mitarbeiter angemessen entlöhnt werden etc.). Aber: um solchen legitimen Rahmen, nicht nur bezüglich dem Finanziellen, kontrollieren zu können, muss es gesetzlich geregelt werden, weshalb der Staat eben weder rechtlich noch moralisch (!) eine neutrale Position einnehmen kann/darf.
Zum wirtschaftlichen Aspekt. Der Einfachheit wegen will ich SH mal kurz auf ältere Menschen beschränken. Eigentlich könnte man ja denken, dass der Staat SH eher befürworten müsste in der Hoffnung damit das „sozialverträgliche Frühableben“ zu fördern. Speziell im Rahmen des demographischen Wandels würde man ja damit Unsummen an staatlichen Ausgaben für Rente und ärztliche Versorgung sparen. Wären da nicht die Pharmaindustrie und noch andere Wirtschaftszweige die an alten und kranken Leuten verdienen.
Zugegeben ich hab jetzt keine Zahlen zur Hand um die Gewinne der Unternehmen bzw. die Kosten für den Staat beziffern zu können. Ich weiß auch nicht was ein Todkranker oder ein Gefängnisinsasse so kostet. Ich denke schon, dass die Gewinne der Unternehmen im Vordergrund stehen. Nein, beweisen kann ich es nicht. Aber dass viele Unternehmen auch Einfluss auf Politiker und die Gesetzgebung nehmen ist kein Geheimnis. Solange die ihre fetten Gewinne machen, dürfte es den Unternehmen egal sein was ein SH-Verbot dem Staat so kostet.
Ja, das war auch meine These: Partialinteressen, die mittels Lobbyismus durchgesetzt werden, letztlich auf finanzielle Kosten der Öffentlichkeit (und entlöhnt mit einer ansteigenden durchschnittlichen Lebenserwartung, ob nun unter lebenswerten Bedingungen oder komatös am Tropf hängend...man prognostiziert, dass jeder Zweite der in den reichsten europäischen Ländern heute Geborenen 100 Jahre oder älter werden wird).

PS: Wie sind die rechtlichen Regelungen bezüglich Sterbetourismus? Ist es da nicht wie z.B. auch mit der Ausfuhr von gewissen Medikamenten: entweder die Ausfuhr (die Ausreise eines `Sterbetouristen`) mag verboten sein (von Seiten des Ausfuhr-, bzw. Ausreiselandes), und/oder aber die Einfuhr (die Einreise resp. die geleistete SH). Sterbewilligen Ausländern darf ja mittels Freitodbeihilfe in der Schweiz geholfen werden und in Deutschland gibt es wohl kein Gesetz welches die Ausreise oder eine diesbezügliche Abklärung rechtlich verbietet (und falls ja: wie wäre solches zu Unterbinden und/oder zu sanktionieren...Todesstrafe für versuchte SH oder hier eher angemessenen Strafcharakter besitzend: lebenslänglich :evil: )?
chris84

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von chris84 »

Vielleicht habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt. Ein paar Grundregeln bei SH sollte es schon geben. Ich wäre jetzt auch nicht dafür, dass sich jeder das Medikament einfach so am Automaten ziehen kann. Die Vergabe und Einnahme des Medikaments müssen natürlich ärztlich kontrolliert werden.
Dass es in einigen Ländern SH gibt für Schwerkranke gibt ist sicher schon mal ein Anfang. Aber selbst da mischen sich ja viele Politiker ein. Nach dem Motto „Man darf sich nicht selbst mit einem Medikament töten und sein Leiden beenden. Nein, ihr habt gefälligst bis zum bitteren Ende weiter zu leben und die Möglichkeiten der Palliativmedizin auszuschöpfen.“
Und das geht mir einfach zu weit. Das ist aus meiner Sicht ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Ich erwarte vom Staat nicht, dass er jemanden beim Suizid behilflich ist (dafür gibt’s ja dann die SH-Vereine). Nur dass er Sterbewilligen keine SH von vornherein verbietet.

Ich gehe aber noch einen Schritt weiter. Warum SH nur bei Schwerkranken und nicht auch z.B. bei Bilanzsuiziden? Sollte da nicht jeder ein Recht drauf haben? Oder zumindest jeder Volljährige. Suizid und SH bei Kindern wäre ja noch mal ein anderes Thema.
Ich vertrete zwar auch die Meinung, dass man sein Leben nicht zu voreilig beenden sollte. Meine Idee wäre, dass jeder SH beantragen kann aber der Zaubertrank erst nach einer gewissen Zeit freigegeben wird, um Kurzschlussreaktionen zu vermeiden. Wobei man jetzt drüber streiten kann, wie lange diese Wartezeit sein soll. Die Einnahme des Mittels muss natürlich auch ärztlich überwacht werden. Bei der Beantragung sollten auch erst mal Hilfsmöglichkeiten und Alternativen zum Suizid aufgezeigt werden. Jedoch sollte es dann beim Betroffenen selbst liegen, ob er Hilfe annimmt oder doch den Suizid wählt. Wenn er nach ausreichender Überlegenszeit seinen Entschluss gefasst hat, wieso nicht? Wobei ich jetzt keine neue Grundsatzdiskussion über den Freien Willen speziell bei psychischen Erkrankungen führen will.

Ich weiß nicht, ob man einen Sterbewilligen die Ausreise direkt verbieten kann. Aber es kann passieren, dass ein Psychiater davon Wind bekommt und die Person mal schnell als psychisch krank und suizidgefährdet einstuft. Und schon landet man in der Psychiatrie und kann erst mal nicht ausreisen. Auch wenn die Person nachweislich schwer krank ist, aber jemand der gegen seinen Überlebenstrieb ankämpft muss ja zwangsläufig gestört sein. Nicht meine Meinung, aber die Ansicht vieler Psychiater.
Ich weiß auch nicht, ob man einen Sterbehelfer die Einreise verbieten kann. Aber ich denke die Einfuhr des Medikaments dürfte schon verboten sein, oder? BtMG?
Daraus ergibt sich eine weitere Frage: Was ist wenn bei einer Person der SH-Antrag genehmigt wird aber die Angehörigen nicht mitspielen? Nehmen wir mal die Ibanez-Geschichte als Beispiel (ob die nun wahr oder frei erfunden ist sei dahin gestellt). Also man ist körperlich eingeschränkt, leidet schwer aber die Angehörigen stellen sich stur dagegen und der Sterbehelfer kommt somit auch nicht an die Person ran um ihr das Mittel zu geben.
Peterchen
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Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Peterchen »

chris84 hat geschrieben: Ich gehe aber noch einen Schritt weiter. Warum SH nur bei Schwerkranken und nicht auch z.B. bei Bilanzsuiziden? Sollte da nicht jeder ein Recht drauf haben?
Ich bin dafür. Ich finde nicht, dass der Staat das Recht hat festzulegen, mit welchem Leid man gefälligst weiterzuleben hat. Und ich halte es für eine abwegige Vorstellung, dass nur eine Krankheit das Leben ungenießbar machen kann. Hohes Alter oder ein Leben mit sehr defizitären Eigenschaften kann ausreichen, dem Leben jede Qualität zu nehmen.

Ich kann auch nicht verstehen, warum das vorzeitige Beenden des eigenen Lebens als Katastrophe empfunden wird, wo die Alternative, nämlich dauerhafter Schlaf, so harmlos ist. Gleichzeitig gibt es diese völlige Empathielosigkeit gegenüber dem Leid und der Unzulänglichkeit, die Millionen Menschen in ihrem Leben aushalten müssen.

Außerdem glaube ich, dass auch Menschen, die nicht vorhaben, ihr Leben in der nächsten Zeit zu beenden, von einem liberalen Umgang mit dem Freitod profitieren würden. Wenn man wüsste, dass man dem Leben nicht ausgeliefert ist, dass man es jederzeit gegen einen Zustand völliger Schmerz- und Sorglosigkeit eintauschen kann, und dies auch sozial akzeptiert wäre, dann müsste man im Grunde vor nichts Angst haben. Man könnte das Leben als einen Traum ansehen, den man jederzeit beenden kann, wenn er sich in einen Alptraum verwandelt. Heute dagegen leben die Menschen in dem Bewusstsein, Opfer von jedem denkbaren Leid werden zu können, und dann eventuell noch Jahrzehnte weiterleben müssen. Entsprechend ist das Lebensgefühl der heutigen Menschen vermutlich immer von einer gewissen Angst und Sorge, einem unbewussten Grausen darüber, was jederzeit passieren könnte, geprägt. Auch dazu ein Zitat von Schopenhauer:

"Wir gleichen den Lämmern, die auf der Wiese spielen, während der Metzger schon eines und das andere von ihnen mit den Augen auswählt: denn wir wissen nicht, in unsern guten Tagen, welches Unheil eben jetzt das Schicksal uns bereitet, - Krankheit, Verfolgung, Verarmung, Verstümmelung, Erblindung, Wahnsinn, Tod usw."


Ich kann allerdings verstehen, dass z.B. Dignitas aus politischen Gründen keinen so liberalen Kurs fährt wie ich es mir wünschen würde. Die Utopie einer totalen Selbstbestimmung liegt halt noch in weiter Ferne :(
Meine Idee wäre, dass jeder SH beantragen kann aber der Zaubertrank erst nach einer gewissen Zeit freigegeben wird, um Kurzschlussreaktionen zu vermeiden.
Dieser Meinung bin ich auch. Wobei ich bei schweren körperlichen Krankheiten mit einem akuten Leidensdruck von der Wartefrist absehen würde.
Die Einnahme des Mittels muss natürlich auch ärztlich überwacht werden.
Das halte ich für unnötig. Wenn man das NaP erst mal hat, ist das Herbeiführen eines schmerzfreien Todes keine ärztliche Kunst. Es geht nur darum, das Pulver mit Wasser aufzulösen und auszutrinken.

Und ich würde in meinen letzten Minuten keinen Arzt in meiner Nähe haben wollen.
chris84

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von chris84 »

Das mit der ärztlichen Kontrolle finde ich schon wichtig, um Missbrauch vorzubeugen. Weil woher will man sonst wissen, ob derjenige das Mittel nicht für andere „Zwecke“ missbraucht? Dann könnte ja jemand sich das Mittel besorgen und es dann heimlich einer unliebsamen Person untermischen. OK, das könnte man zwar auch mit anderen Giften machen, aber ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass NaP nach einer gewissen Zeit kaum noch im Körper nachzuweisen ist. Darin würde ich eine mögliche Gefahr sehen.
Peterchen
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Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Peterchen »

chris84 hat geschrieben:Das mit der ärztlichen Kontrolle finde ich schon wichtig, um Missbrauch vorzubeugen. Weil woher will man sonst wissen, ob derjenige das Mittel nicht für andere „Zwecke“ missbraucht? Dann könnte ja jemand sich das Mittel besorgen und es dann heimlich einer unliebsamen Person untermischen. OK, das könnte man zwar auch mit anderen Giften machen, aber ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass NaP nach einer gewissen Zeit kaum noch im Körper nachzuweisen ist. Darin würde ich eine mögliche Gefahr sehen.
Das mit der Nachweisbarkeit würde mich wundern. Man stirbt doch kurz nach der Einnahme. Wie soll das Mittel da vollständig abgebaut werden?

Außerdem würde man ja auf jeden Fall dokumentieren, wem das Mittel ausgehändigt wurde. Und wenn dann plötzliche die reiche Ehefrau des vorgeblichen Suizidenten stirbt und der wieder Freude am Leben hat... ein perfekter Mord sieht anders aus :) Durch den widerlichen Geschmack und die große Menge ist ein Untermischen vermutlich auch nicht so einfach.

Der Uwe Christian Arnold hat das teilweise auch so gemacht, dass er den Patienten die Medikamente überlassen hat. Ok, der benutzt auch nicht NaP, sondern die Kusch-methode.

Mir wäre halt die völlige Unabhängigkeit wichtig. Ich will gehen, wann ich will, und nicht noch einen finalen Arzttermin machen müssen.
von Papen
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Registriert: Mittwoch 23. September 2015, 23:01

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von von Papen »

Ärztliche Kontrolle? Keine Ahnung was damit gemeint sein soll. Wenn niemals ein Arzt in mein Leben gepfuscht hätte, wäre ich wohl ein glücklicher Mensch.
chris84

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von chris84 »

Also wie gesagt, ich bin mir da nicht sicher was die Abbaubarkeit des Mittels betrifft. Ansonsten muss ich jetzt auch keinen festen Arzttermin haben. Wobei, so eine liebe nette Ärztin die mir einen guten Schlaf wünscht und mir beim Einschlafen noch mal übers Gesicht streichelt…, dagegen hätte ich nichts einzuwenden.
Das wäre auch mal eine interessante Fragestellung (evtl. neuer Thread?). Also wie würdet ihr sterben wollen wenn das Mittel frei verfügbar wäre und der Zeitpunkt fest steht? Mit oder ohne Angehörige? Welche Henkersmahlzeit? Welcher Ort?
Abendstern
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Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: DIGNITAS-Aufklärungskampagne zur Sterbehilfe

Beitrag von Abendstern »

von Papen hat geschrieben:Wenn niemals ein Arzt in mein Leben gepfuscht hätte, wäre ich wohl ein glücklicher Mensch.
Dito.
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