Abschiedsbrief

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

unwichtig

Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig »

Sehr viel schwieriger als die geeignete Methode zu finden, ist das Verfassen eines mich zufriedenstellenden Abschiedsbrief, finde ich. Ich bin gerade wieder mal dabei, einen zu schreiben und bin am Verzweifeln. Ich bin kein Mensch der vielen Worte, war ich noch nie, aber ich weiß, dass es den Hinterbliebenen wenigstens etwas hilft, einen zu bekommen.

Ich weiß, dass ich eh niemanden der Leser meines Briefes davon überzeugen kann, dass es der für mich einzige und richtige Weg ist, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Dennoch versuche ich wenigstens zu erklären, was ich tagtäglich durchmache.

Ich betone, dass es meine eigene Entscheidung ist und niemand anderen die Schuld für meine Tat trifft.

Ich versuche, ihnen aufzuzeigen, dass es für sie eine Zukunft ohne mich gibt.

Ich bitte darum, dass sie mir irgendwann verzeihen können.

Meine Mutter bitte ich, sich professionelle Hilfe zu suchen und nicht rückfällig zu werden.

Abschließend bedanke ich mich für all die schönen Momente, an denen ich teilhaben durfte.

Wie ergeht es euch beim Schreiben? Was steht bei euch drin oder was könnte bei mir noch mit rein? Bin über jede Antwort dankbar!
Viola5
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Viola5 »

Ich würde nur meiner Mutter einen Brief schreiben.
Ich würde sie bitten,dass meine Wünsche durchgesetzt werden (Testament etc.).Und dass es meine eigene Entscheidung ist und ich sie nach reiflicher Überlegung getroffen habe und das die mir nicht hätte helfen können.Und das ich jetzt an einem besseren Ort bin.
Man muss dazu sagen,dass sie selbst schon mal an so einem Punkt stand und sie verstehen kann,wenn jemand diesen Weg wählt.Sie meinte mal zu mir,dass der Suizid nicht das schlimmste ist,sondern das der Betroffene niemanden hatte,mit dem er darüber reden konnte;dass wäre das traurigste daran ist.
Wir haben schon öfter über diese Thema gesprochen.
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Hallo Viola5,
danke für deine Antwort!
Ich habe außer Bafög-Schulden nichts wirklich zu vermachen, weshalb ich eher davon abraten würde, mein Erbe anzunehmen :wink:.
Meine Eltern kennen auch unzulässiges Wort. Leider haben beide bereits wieder vergessen wie es sich anfühlt und ich kann leider nicht mit Verständnis von ihnen rechnen. Bei meiner Mutter habe ich Angst, dass sie sich nach meinen Suizid auch das Leben nimmt.
Habe vor ein paar Tagen einige Abschiedbriefe im Netz gelesen. Einer ist mir besonders im Gedächtnis geblieben:

„I'm going to walk to the bridge. If one person smiles at me on the way, I won't jump.“

Hat mich sehr berührt.
Manuela Maria
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Manuela Maria »

https://www.youtube.com/watch?v=w_pqqRvSNVU

Der Link ist ein Song auf YouToub von Sarah Connor. Er beschreibt so etwas wie einen Abschiedsbrief (wie er für sie wohl wäre).

An meinem Abschiedsbrief feile ich schon so lange. Wenn ich weiter so feile, dann bleibt am Ende nur noch "Es tut mir leid für euch. Bitte vergebt mir und tschüss!"

L.G.

Manuela Maria
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Hallo Manuela Maria,

danke auch dir für deine Antwort!

Das ist ein sehr schönes und zugleich trauriges Lied! Schön wäre es, wenn sich nach einem Suizid tatsächlich alle für den Suizidenten freuen würden. Doch das wird wohl leider nicht passieren.

Ja, das Problem habe ich auch, dass ich zwischendurch vieles meines Geschriebenen wieder streiche und fast wieder bei Null anfange, weil ich mir vorstelle, was die Leser wohl empfinden würden, weshalb ich es bisher auch nie geschafft habe, einen Abschiedbrief zu Ende zu schreiben.

Ich glaube, den perfekten Abschiedbrief, nach dem ich suche, gibt es einfach nicht.
Viola5
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Viola5 »

Na,ja.Ich habe viele Bücher,Gegenstände die für mich einen sehr persönlichen Wert haben,persönliche Aufzeichnungen,..
Nichts von großem Wert,aber gerade die Aufzeichnungen,da will ich,dass die vernichtet werden.
Das könnte ich auch selbst machen,aber vor meinen "Abgang" habe ich andere Sorgen,als bestimmte Dinge zu vernichten.

Gerade bei den Gegenständen und Büchern,da will ich sicher gehen,dass sie in gute Hände kommen,da diese Dinge doch sehr viel bedeuten.

Und ich will nicht,dass mein Vater und meine Schwester zur Beerdigung kommen,mit denen stehe ich nämlich ziemlich auf Kriegsfuß!!Besonders mit meinem Vater.
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Oh, gerade bei meinen persöhnlichen Aufzeichnung möchte ich sicherstellen, dass diese keiner mehr zu lesen bekommt. Bei mir ist es eher so, dass ich schon gerne eine leere Wohnung hinterlassen würde. Klamotten in die Altkleidersammlung, alles andere in den Müll oder zu Geld machen, aber ich war schon so oft an dem Punkt, an dem ich meinem Leben ein Ende setzen wollte. Ich glaube mir ja selbst nicht mehr, dass ich es wirklich tue. Und dann mache ich es mal wieder doch nicht und stehe mit nichts da. Klar, dass wäre ein kompletter Neuanfang, aber wie ich finde, doch zu riskant.

Ich weiß ja nicht, was deine Schwester oder besonders dein Vater gemacht haben, dass du sie so verabscheust. Aber ich möchte bestehende Konflikte möglichst versuchen vor meinem Tod zu klären. Durch das Abschiedsbriefe verfassen habe ich gemerkt, dass ich den Lebenden noch so einiges zu sagen habe. Ich finde es nur fair, wenn ich ihnen die Chance gebe, mir darauf auch noch eine Antwort zu geben.
Manuela Maria
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Manuela Maria »

unwichtig2 hat geschrieben: Ich glaube mir ja selbst nicht mehr, dass ich es wirklich tue. Und dann mache ich es mal wieder doch nicht und stehe mit nichts da. Klar, dass wäre ein kompletter Neuanfang, aber wie ich finde, doch zu riskant.
Ich glaube mir auch nicht mehr, ist ein hin und her mit mir. Abwegen und Abwegen. Überlegen und Überlegen. Hü und Hot usw. …

Mir ist nur wichtig das ich die geeignete Methode habe. Jederzeit schnell und unauffällig von dannen ziehen kann, das habe ich gefunden.

Was mit meinen persönlichen Dingen und Möbeln passiert, darüber denke ich nicht wirklich nach. Perfektionismus ist ja schön und gut, kann einem aber genau daran hindern ans Ziel zu kommen. Vielleicht hat mich mein „Perfektionismus“ erst so weit gebracht im Leben nicht mehr leben zu wollen. Spielen auch ganz andere Faktoren eine Rolle. Da kommen viele Ereignisse, Endtäuschungen usw. zusammen, wie bei euch wohl auch.

An Viola5

Liebe Viola,

wenn du es nicht schaffst dich zu versöhnen mit deinen „Lieben“ dann kann es dir auch egal sein wenn sie vielleicht heuchelnd zu deiner Beerdigung kommen.

Auf jeden Fall finde ich es wichtiger Zwischenmenschliche Probleme aufzulösen, wie die Wohnung und persönliche Dinge zu ordnen.

Weiß ja auch nicht was vorgefallen ist, zwischen euch! Manchmal geht eine Versönung auch nicht, gehören immer zwei dazu.


Liebe Grüße

Manuela Maria
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Ja, ich denke auch und hoffe, dass es so dann klappen wird, dass wenn ich erstmal die Abschiedbriefe fertig habe und mit meiner Methode etwas rumprobiert habe, dass ich es dann einfach spontan durchziehe. Ich werde mir ab jetzt auch nichts mehr vornehmen, was weiter in der Zukunft liegt, ein geplanter Familienurlaub (Nein, ich habe keine Kinder und bin schon lange aus meinem Elternhaus ausgezogen) im folgenden Jahr zum Beispiel. Eigentlich totaler Blödsinn, aber sowas war bisher immer ein Punkt auf der Contra-Suizid-Seite. Ich wollte irgendwie nicht, dass Buchungen verfallen.

Ich lese hier schon jahrelang mit. Jemand hat mal geschrieben, dass (da hat er sich schon entschieden) er, falls doch wieder „alles besser wird“, einfach seine Medikamente absetzen würde. Das werde ich auch so machen.
Viola5
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Viola5 »

Mein Vater hat mich seit meiner Kindheit misshandelt:körperlich und was noch viel schlimmer war, psychisch und meine Schwester nimmt ihn noch in Schutz und spielt das alles runter.

Und das ist der Grund,warum ich mit denen nichts mehr zu tun haben will
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Das tut mir sehr leid und ich kann natürlich vollkommen verstehen, warum du beide so hasst und sie auf keinen Fall auf deiner Beerdigung haben möchtest! Würde ich auch nicht wollen. Sie haben sicherlich großen Anteil daran, warum du dein Leben als nicht mehr lebenswert empfindest. Mir gäbe es irgendwie das Gefühl, dass sie gewonnen hätten wenn sie dort auftauchten. Und es passt auch nicht wirklich sie dabei zu haben wenn du deinen letzten Frieden finden möchtest. Ich habe mit meiner Aussage nur die kleinen Konflikte gemeint, die eine hohe Chance haben, sich durch Gespräche aufzulösen.

Allerdings würde ich, hätte ich solch einen grausamen Vater und eine sich auf seine Seite stellende Schwester, beiden ein ganz besonderes Abschiedgeschenk machen! Ich wüsste noch nicht was, aber meine Wut auf diese Ungerechtigkeit würde ich sicher nicht mit ins Grab mit nehmen wollen :x .
Manuela Maria
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Manuela Maria »

Hallo,

kann das auch verstehen. Ist schon schlimm und hat bestimmt zu deiner jetzigen Situation beigetragen.

Unwichtig hat geschrieben:

Allerdings würde ich, hätte ich solch einen grausamen Vater und eine sich auf seine Seite stellende Schwester, beiden ein ganz besonderes Abschiedgeschenk machen!

An Viola5

Du kannst ja jemanden anheuern der sie beide noch mal ganz dolle verprügelt (zu mindest deinen „Vater“), damit er einmal weiß wie es ist so gepeinigt und misshandelt zu werden.

Natürlich meine ich das nicht wirklich ernst – nur so halb.

L.G.
Manu
unwichtig2
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von unwichtig2 »

Anfangs wollte ich einfach alle Punkte, die bei den Lesern Schuldgefühle hervorrufen könnten, weglassen. Mittlerweile denke ich anders darüber. Dadurch, dass ich z.B. nun mal das Kind meiner Eltern war, hatte ich es einfach schwerer im Leben als andere. Das ist ihnen sicher so klar wie mir. Spätestens wenn ich die normale Reihenfolge des Sterbens nicht einhalte, werden sie sich Vorwürfe machen und bei sich nach möglichen „Fehlern“ suchen. Wäre es nicht passender, wenn ich darauf eingehe anstatt einfach gar nichts dazu zu schreiben? Ich hab einen ganzen Batzen anderer Gründe, warum mein Leben so unerträglich wurde. Mit dem erwähntem Punkt habe ich mich versöhnt. Ich bin mir sicher, dass sie ihr Bestes getan haben, sie konnten es nur einfach nicht besser, weil sie mit ihren eigenen Problemen/Krankheiten zu kämpfen hatten. Meine Schwester (1,5 Jahre älter als ich) schafft es auch, ein weitesgehend unbeschwertes Leben zu leben. Es muss einfach daran gelegen haben, dass ich als Schwächling auf die Welt kam.

In mir steigt teilweise aber auch eine enorme Wut auf einzelne Empfänger des Briefes – vielleicht ein Anzeichen, dass ich vorher noch etwas zu klären habe?
Viola5
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Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Viola5 »

Ich habe meine "Rache" bekommen:Ich bin in eine 200 km entfernte Stadt gezogen und habe den Kontakt zu ihm vollkommen abgebrochen.
Und er hat alles verloren,was ihm wichtig war:meine Mutter hat sich von ihm scheiden lassen,das Haus musste nach der Scheidung verkauft werden und ich habe ja auch keinen Kontakt mehr zu ihm.
Außerdem ist er gesundheitlich ziemlich angeschlagen unter anderem vermindertes Lungenvolumen usw.
Der hat seine Quittung bekommen.Jeder bekommt sie.Die einen früher und die anderen eben später.
Djojo

Re: Abschiedsbrief

Beitrag von Djojo »

Ich habe originellerweise bereits cirka 4, 5 Abschiedsbriefe verfasst, weil ich zum damaligen Zeitpunkt fest davon überzeugt war, dass ich mich umbringen will.
Die werden dann wohl alle auf einem Stapel gefunden und den jeweiligen Lesern muss wohl trotz der Trauer auch ein Schmunzeln kommen.
Man kann bei einem Abschiedsbrief definitiv nichts falsch machen. Man kann nur das schreiben was einen gerade bedrückt und vielleicht kann man
noch einmal ein paar Sachen anführen, die zum Zustand geführt haben.
Wenn du ein Tagebuch führst und darin deine Gedanken regelmäßig von dir gibst ist das an Info im Endeffekt genug.
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