Suizid-Versuch erzählen

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Djojo

Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Djojo »

Ich komme demnächst stationär auf psychische Rehabilitation. Soll ich von meinem Suizidversuch letzten November erzählen? Dort unterschreibt man einen Lebensbejahungsvertrag und ein Versprechen, keinen Suizidversuch zu verüben. Wäre dies nicht eher ein Problem für mich, weil ich dann unter besonderer Beobachtung stehen würde oder sie mich gar erst nicht dort behalten-aus Gefahr. Letztes Jahr gab es in selber Klinik einen erfolgreichen Suizidversuch. Beim Vorstellungsgespräch Anfang dieses Jahres habe ich vom Versuch nichts erwähnt.

Für meine Einzeltherapie und das Verständnis der Therapeutin für mein Jahr wäre es besser, ich würde es erzählen, aber andererseits gibt es eben Gründe, die dagegen sprechen...

Wie seht ihr das? :idea:
anderswelt
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von anderswelt »

Ich würde es nicht erzählen. Weil den Stempel "suizidgefährdet" hast du den Rest deines Lebens. Es wird im Arztbericht drinstehen.
Ich habe inzwischen nur Nachteile deswegen.
Deadly Snowflake

Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Deadly Snowflake »

anderswelt hat geschrieben:Ich würde es nicht erzählen. Weil den Stempel "suizidgefährdet" hast du den Rest deines Lebens. Es wird im Arztbericht drinstehen.
Ich habe inzwischen nur Nachteile deswegen.
Da Krankheitsdefinition(en) weitgehend willkürlich ist, könnte man Suizidalität auch als Symptom hochgradig vorhandener Gesundheit begreifen (zumindest dann wenn es nicht Teil einer anderweitigen Krankheit erscheint, deren Krankheitscharakter weniger willkürlich definiert zu sein scheint) ...schiene mir zumindest nicht weniger willkürlich als es mit dem Etikett `krank` zu versehen.
Kai-Dennis
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Kai-Dennis »

"Lebensbejahungsvertrag" ... echt, so nennen die das?

Ich glaube, das ist so ziemlich das Bescheuertste, das ich jemals gehört habe!

Bei uns hieß es in der PSK damals auch, hier kommt keiner rein, der sich umbringen will.
Und dann soll es doch eine Mitpatientin versucht haben, indem sie angeblich mit ihrem Töfftöff vollkaracho gegen die Mauer gerast ist.
Und ich war natürlich Schuld, weil wir vorher beim Essen Beef hatten.
D.h., sie hatte mich gedisst und ich habe versucht, mich zu wehren.

Glücklicherweise hat sie den Unfall aber offenbar ohne größere Beschädigung überstanden.
Aber ich war von da ab natürlich der A*** der Station, weil alle dachten, ich hätte sie zu diesem Schritt getrieben!
Das Personal konnte solche Konflikte auch nicht wirklich auffangen!
Oder wollte es vielleicht auch nicht wirklich.

Aber wie sollten sie auch ... so komplex, wie sich das menschliche Leben gestaltet (insbesondere das Leben von Patienten, die nicht unbedingt einen sanften und geradlinigen Lebensweg hinter sich haben), so komplex ist dann halt auch deren Interaktion, wenn sie zusammengebracht werden und miteinander iteragieren. Wenn die Synergien dann mal ausbrechen und aufeinanderprallen, ist mit der bereitstellung äußerer Strukturen oft nicht viel zu wollen. Das Ganze ist nix weiter als die Anordnung eines Experiments, das Wissenschaftler mit angeschlagenen Menschen durchfrühren, als wären's Laborratten.
Und Teil dieses Experiments ist eben auch dieser Pseudo-Vertrag!

Also, ich würd mich nicht drauf verlassen, dass so ein Vertrag immer eingehalten wird.
Wozu auch!
Wenn du tot bist, kümmert es niemanden, ob du vorher so einen Wisch unterzeichnet hast.
Und wenn du überlebst ... was wollen die dann mit dir machen?
Dich verklagen, weil du deinen "Lebensbejahungsvertrag" gebrochen hast?
Damit kommen die nicht durch.
Denn jeder hat das Recht, sich das Leben zu nehmen.
Du verschwindest dann höchstens bis auf weiteres in der Geschlossenen!
Aber sonst passiert gar nix!
Und das wäre auch passiert, wenn du den Wisch nicht unterzeichnet hättest.
Also hat der Wisch eigentlich überhaupt keine Bedeutung.

Das ist eh nix weiter als ein Versuch, mit irgendeinem Spielzeug-Vertrag an deine Moral zu appellieren, damit du dem Pflegepersonal keine Schwierigkeiten machst! Denn wenn sich unter deren Obhut ein Patient das leben nimmt oder es versucht, muss natürlich die Klinik dafür geradestehen! Die stehen ja eh immer mit einem Bein im Knast!

Fazit:
Es ist allein deine Sache, ob du für dich selbst diesen "Vertrag" ernst nehmen willst oder nicht!
Damit, dass deine Mitpatienten sich ebenfalls dran halten, solltest du allerdings besser nicht rechnen.
Wenn du Gewissensbisse bekommst, lässt du dich halt vorher auf eigenen Wunsch entlassen, um das Personal zu schonen.
Das ist dein gutes Recht, wenn du nicht unter gesetzlicher Betreuung stehst.
Djojo

Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Djojo »

Über die Lächerlichkeit des Vertrages bin ich mir bewusst. Die Frage war eher ob ich mit dem Versuch hinter den Berg halten soll. Die Einzeltherapie wird sehr intensiv werden und ich müsste ein paar Sachen aus dem letzten Jahr erklären, zb Verhalten der anderen im Studentenheim was ohne Erwähung des Versuches schwierig wäre, aber ich trau ihnen auch zu dass sie mich nach hause schicken weil ich es beim Vorstellungsgespräch verschwiegen hatte.
Kai-Dennis
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Kai-Dennis »

Hm ... lass es halt darauf ankommen und sei offen.
Es geht ja bei diesem "Vertrag" ausschließlich um die Zukunft.
Und der SZV ist Teil deiner Vergangenheit
Also wenn du im Moment nicht suizidal bist, sehe ich da eigentlich keine Proibleme.

Wenn sie dich dafraufhin ablehnen, sieh es so, dass das eh nicht der geeignete Träger für dich wäre.
Gibt ja auch noch andere.

Aber ich habe den Eindruck, du möchtest die Reha unbedingt gerade dort machen.
Kann das sein?
Übrigens ... handelt es sich eigentlich um eine antroposophische Einrichtung?
Die sind ja bekannt für ihre eigenartigen Wortschöpfungen.
Djojo

Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Djojo »

Es ist ein psychosomatisches Zentrum und ich möchte sie nicht unbedingt dort machen-es ist einfach die einzig brauchbare Einrichtung in Österreich und ich war ja schon die letzten beiden Male dort, es ist ausgemacht-lange Wartezeiten etc. einteilen in den Ferien- Wie gesagt letztes Jahr gab es dort einen erfolgreichen Suizid. Ich bin nicht akut suizidal, aber latent.
Kai-Dennis
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Kai-Dennis »

Ach, ich denke, latent suizidal sind viele Mitmenschen, die die Hilfe solcher Institutionen in Anspruch nehmen.
Wenn nicht sogar der überwiegende Teil.
In dem Sinne, dass man schon mal die Option in Erwägung gezogen hat, die Misere eigenhändig zu beeinden.
Wer sein Leben genießt und freudig über Blumenwiesen hüpft, braucht selten eine Reha.

Ich weiß nicht, was das für Leute sind, die da mit euch arbeiten.
Aber ein Psychiater oder Psychologe wird als ausgebildeter Psychotherapeut eh füher oder später spitzkriegen, dass du etwas Wichtiges verheimlichst, das dich bewegt und belastet.
Sonst hätten die ihren Beruf verfehlt.
Dann lieber "beichten" und ggfs. die Konsequenzen in Kauf nehmen.

Die bürokratische Seite steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.
Wenn du nach dem Versuch in ärztlicher Behandlung warst, ist das eh aktenkundig.
Dann ist der Arzt oder die Klinik verpflichtet, das den Behörden zu melden wie bei einem Gewaltverbrechen.
Was insofern paradox ist, als Suizid eben KEINE Straftat ist!
Oder ist das in Österreich anders?
MelperRitus
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von MelperRitus »

Ich weiss nicht, was man sich davon verspricht, Suizid Gedanken gegenüber einem Fachpersonal zu äussern.

Gemäß dem Fall, ich rufe gleich 112 an und sage dem Gegenüber, also wissen Sie, ich habe das große Kochmesser hier liegen und ich werde die Nacht nicht überleben, dann ist binnen 15 Minuten die Polizei und die Feuerwehr hier.

Ich kann auf der anderen Seite nicht konkret mit Psychiater, der Medikamentenfindung wegen, über Tendenzen der Suizidgedanken sprechen. Das Selbe gilt für die Psychologin. Sobald ich das Thema auch nur anschneide, sagen beide mit großen AUgen zu mir, im Notfall sofort ohne Termin hier auftauchen und ab auf die Geschlossene. Verantwortung und Fürsorgepflicht.

Ich laufe also ein Stück weit bei denen rum, wie Martin die Gans.

Aber was soll das konkret bringen, Fachleute von meiner Lösungsoption zu unterrichten. In dem sozialen Abstieg kann es ein Wurfanker sein. Das habe ich auch schon deswegen gemacht, um einfach Krankengeld zu bekommen. Keine Krankenkasse darf dann mehr mit MDK eingreifen, sobald ein Patient suizidal ist.

Wenn man das zu häufig macht, kriegt man einen gerichtlichen Betreuer (Vormund) verpasst, der sich dann noch besser als alle anderen zuvor um einen kümmert. Krankenwagen anrufen ist besser als SZV in dem ganzen Fall.

Ich war mal in Frankfurt mit einer zusammen, die hat nen Betreuer. Jeden Samstag morgen um 08.00 Uhr schellt der bei der und Sie muss ihm aufmachen, ansonsten Feuerwehr.

Ich mit ihr im Bett, da stellt der mir Fragen, wer ich bin und so. Ich hab das Maid dann auch geleaved.
anderswelt
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von anderswelt »

@djojo: wenn du selbst das bedürfnis hast, davon zu erzählen, kannst du das natürlich machen. ich denke nicht, dass sie dich sofort wieder heimschicken werden. das hat man bei mir auch nicht gemacht. aber sie werden in der klinik fragen stellen, wie du es versucht hast und ob du aktuell noch suizidgedanken hast, und sie werden dich natürlich besonders "beobachten" und auf (versteckte) andeutungen achten.
und wie gesagt: es wird im arztbericht drinstehen. solltest du jemals mit der rentenversicherung, arbeitsamt etc. zu tun haben, wegen längere zeit arbeitsunfähigkeit, dann kriegen die das spitz, weil die ja arztberichte anfordern. und ob das so gut ist... ich jedenfalls bekomme wegen meiner suizidalität keine medizinische rehabilitation. das gibt die rentenversicherung bei mir als ausschlussgrund an, und sagt, ich solle in die psychiatrie. genauso sieht es das gericht (ich habe gegen die rv geklagt). wenn man pech hat, wird man noch zwangseingewiesen....

aber im grunde passiert erstmal nichts, wenn du in der klinik davon erzählst. außer du sagst, du hast drängende suizidgedanken und hast pläne dir etwas anzutun. dann kriegst du probleme.

dieser anzi-suizid-vertrag dient eigentlich nur zur absicherung der therapeuten. du unterschreibst, dass du dir während der zeit in der klinik nichts antun wirst. somit sind die auf der sicheren seite, falls du doch was anstellst.
MelperRitus
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von MelperRitus »

Gerade deswegen rate ich dazu keinen offiziellen SZV zu unternehmen. Wenn man bei 112 anruft im Fall der Fälle, ist man noch bei Trost, man ist zurechungsfähig. Ich kriege auch demnächst ne Quasimodo Reha, ich habe Zeit, werde nicht verhungern. 50 % GdB habe ich schon. Danach ist das bei 70 % mit Sternzeichen G.

Ich sage Dir das ganz deutlich.

Ich war zum Vorstellungsgespräch wegen meiner Major Depression bei Frau Dr. T. Es war bei der jungen Psychiaterin mit das Beste Gespräch meines Lebens. 9 Monate Wartezeit. Soll ich Sie auf die Warteliste schreiben meinte SIe noch. Ich von der Hausärztin krank geschrieben. Die Hausärztin meinte, sie kann nur 2 Wochen krank schreiben, danach muss Facharzt beikommen.

Ich 112 angerufen, zum Notarzt, 2mg Tavor bitte.

Ich im Krankenhaus #1 zum Japaner, 2mg Tavor bitte. Er so, wir können sie hier nicht halten, keine Psychiatrie, hier ihre 2mg Tavor. Nehmen sie auch sonst Tavor ?
Nein, das Medikament ist für Notfälle.

2ter Krankenwagen in die Psychiatrie. Ich der Ärztin schon sehr gut gesagt, das ich allmählich ins Bett möchte, 2mg Tavor.
Ich zur Krankenschwester, kann ich noch ein milligramm kriegen ?


Psychische Reha dauert so 7 Wochen. Wenn Du danach heile bist, warst Du nie krank.


Die so, sie haben Tavor intus, da würde ich hier nackt aufm flur mich hinlegen.

Ich so, dann betten sie mich bitte...!


Ich nahm die Abkürzung und war bei Fr. Dr. T. auf der Station für Psychotherapie.

Ein bischen was hat es gebracht, mehr aber auch nicht - in erster Linie Zeitgewinn. Weil jagen muss jeder selbst für sich.

Wenn Du nach 7 Wochen psychischer Reha wieder funktionierst, warst Du nie psychisch krank.
Kai-Dennis
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Kai-Dennis »

MelperRitus hat geschrieben: Ich war mal in Frankfurt mit einer zusammen, die hat nen Betreuer. Jeden Samstag morgen um 08.00 Uhr schellt der bei der und Sie muss ihm aufmachen, ansonsten Feuerwehr.
Das wäre der Horror für mich!
Ich habe von Betreuern gehört, die kommen nicht selbst, sondern delegieren das an einen Pflegedienst, der dann täglich auf der Matte steht. Aber auch die musst du reinlasssen, sonst dringen die eigenmächtig in deine Wohnung ein.
Könnte ja was passiert sein.

Zum Glück ist bei Verhängung einer gesetzlichen Betreuung - in Gegensatz zum Vorläufer, der Entmündigung - deine Zustimmung erforderlich, sofern du noch halbwegs in der Lage bist zu kommunizieren.

Wie hast du denn reagiert, als der Typ dich aushorchen wollte?
MelperRitus
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von MelperRitus »

Nun, diese Frau hat X Suizidversuche mit Insulin und harten Happy Pills hinter sich und ist permanent auch in psychiatrischer Betreuung, bis hin zum Benperidol. Ich habe diese Frau verlassen, wegen dem neugierigen Betreuer.

Ich kann mir das nicht ziehn. Ich kriege schon das Kotzen, wenn der Hausmeister bei mir schellt. Ich würde eher komplett Betreutes Wohnen vorziehen als dieses ambulante kontrollieren.

Nicht weit von mir wohnt ein psychisch Erkrankter. Der hat auch Betreuer und weil er ja auch in der Wohnung aufräumen soll, hat er, weil er keine Spülmaschinentabs mehr hatte, wacker Duschgel in die Spülmaschine gegeben vor dem Besuchstermin:)

Die halbe Küche voller Schaum. Mein Kumpel war bei ihm, weil er Angst vor dem Betreuer hat, als Beistand. Dem Betreuer war das mit dem langsam abnehmenden Schaum egal. Er hat ihm nicht geholfen, den Schaum zu beseitigen.

Der richtige Weg wäre gewesen, Spülmaschinentabs kaufen oder Pulver. Angst vor dem Betreuer haben, so funktioniert das.
Djojo

Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von Djojo »

ok, ich habe es erzählt-einer Pflegerin, der behadelten Ärztin , mit meiner Einzeltherapeutin habe ich noch nicht darüber gesprochen aber natürlich wird sie mit mir darüber in der nächsten Einheit sprechen.
Schlecht fühle ich mich gerade nicht und das mit dem Reinschreiben muss ich mal schauen, werd mit ihr drüber sprechen.
MelperRitus
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Re: Suizid-Versuch erzählen

Beitrag von MelperRitus »

Du kannst mit denen sprechen, dafür sind die dort. Wenn Du entlassen wirst, dann kommts noch einmal so richtig drauf an, was Du aus dem Gesprochenen in die Tat umsetzen kannst.
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