Verloren hat geschrieben:
Mir gefällt diese einseitige Haltung von Kesse auch überhaupt nicht. Er ist fundamental gegen Sterbehilfe. Ein Hardliner. Manche Probleme bei der Sterbehilfe sehe ich aber auch.
"Was Leiden bedeutet, ist von Person zu Person verschieden – einziger gleicher Nenner ist eine gewisse Verzweiflung, eine Notsituation, sei sie körperlicher oder seelischer Art"
- unerträgliches Leid ist ein problematischer Begriff, weil man nicht objektiv bestimmen kann, ob das Leiden unerträglich ist
Deshalb sollte der Betroffene entscheiden. Er weiß ja, ob er unerträglich leidet.
Wobei ich, wie schon mal gesagt, gar nicht der Meinung bin, dass man
unerträglich leiden muss, damit der Suizid zu einer rationalen Entscheidung wird. Es genügt, dass man überhaupt leidet und dem Leid keine nennenswerte Freude gegenübersteht.
Schon wenn das Leben langfristig
ungenießbar ist, kann es vernünftig sein, sich für den dauerhaften Schlaf zu entscheiden.
"Es ist ein Problem, aber weitaus bedenklicher finde ich, dass die Richtlinien neu auch Kinder und Jugendliche, geistig, psychisch und mehrfach Behinderte umfassen sollen."
- das ist schon ein Problem, wenn die Betroffenen geistig nicht in der Lage sind ihre Situation einzuschätzen. Also wenn z.B. ein 5 jähriges Kind sagt: "Mama, ich will sterben". Das mag ein übertriebenes Beispiel sein. Aber ein Problem bei der Gesetzgebung ist, dass sie allgemeingültig sein muss und auch abstruse Fälle abdecken muss.
Ich gebe zu, dass Kinder und geistig Behinderte ein Problem sind, weil diese Personen nur begrenzt einsichts- und entscheidungsfähig sind. Da muss eben abgewogen werden zwischen Leidvermeidung und der Vermeidung von nicht zu 100% reflektierten Suiziden. Solche Dilemmata ergeben sich aber nicht nur bei Sterbehilfe, sondern auch bei anderen medizinischen Entscheidungen. Soll z.B. ein krebskrankes Kind das Recht haben, eine Chemo abzulehnen?
Diese Grauzone ist aber kein Grund, eindeutig entscheidungsfähigen Menschen das Recht auf Selbstbestimmung vorzuenthalten.
Diese möglichen Probleme sehe ich auch. Niemand sollte zum Suizid gedrängt werden.
Klar. Aber es kann ja nicht sein, dass im Namen einer angeblich bedrohten Selbstbestimmung alle Menschen bevormundet werden.
Im Übrigen: Ich habe kein besonders rosiges Menschenbild, aber dass in Zukunft massenhaft alte Menschen von ihren Angehörigen in den Suizid getrieben werden, halte selbst ich für unwahrscheinlich. Wäre das der Fall, dann dürfte man alte Menschen grundsätzlich auch nicht von Familienmitgliedern pflegen lassen.
Meist geht der Druck in die andere Richtung, d.h. Menschen, die sterben wollen, werden von der Familie zum Weiterleben genötigt. Mit diesem Druck haben Typen wie Klesse natürlich keine Probleme. Wenn jemand, der sterben will, dem massiven Druck von Ärzten, Familienmitgliedern etc. nachgibt und weiterleidet, dann ist das keine unfreie Entscheidung, da auf tieferer Ebene ja sowieso alle Menschen leben wollen.