Wie sollte man Kindern erklären.....

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Rasiel
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Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

Mich würden eure Meinungen interessieren, vielleicht hat der eine oder andere von euch Kinder.

Wieviel oder was sagt man Kindern im Alter zwischen 4-8 Jahre wenn sich der Papa das Leben genommen hat.
Was denkt ihr, kann dieser Tod bei den Kindern anrichten ? z.B Schuldgefühle usw. - warum hat er uns allein gelassen ?
Stefan_41
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Stefan_41 »

Also...ich habe Kinder und wir sind des öfteren auf dem Friehof bei meinen Eltern. Ich gehe ganz offen mit dem Thema Sterben um...aber...ich würde nie mit meinen Kindern über unzulässiges Wort reden. Meine Kinder denken und meinen, dass nur alte Menschen sterben...für sie bin auch ich schon sehr alt.
Rasiel
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

Kinder fragen doch aber, was hatte der Papa denn ?? Sind hier Lügen angebracht ?
Was wenn sie es von anderen erfahren, ist das denn nicht noch schlimmer ?
Chron
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Chron »

"Er wollte nicht mehr leben."

Warum er das nicht mehr wollte, ist vielleicht schwierig zu erklären.
Aber es beeinträchtigt nicht den in dem Kindes-Alter normalerweise vorhandenen Lebenswillen.
Stefan_41
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Stefan_41 »

Hmm....werte Rasiel...für dich sind es vielleicht Lügen, für mich würde es eher bedeuten, die Kinder zu beschützen...
Wäre ich in dieser Lage, würde ich meinen Kids erzähler, dass er oder sie krank war, was ja nicht gelogen wäre, sei es psychisch oder physisch.
Jetzt stell dir vor, du sagst deinen Kindern, dass ihr Papa sich umgebracht hat....und versetz dich mal in die Gedankenwelt eines Kindes, was ist, wenn sich das Kind selbst frägt, ob es dran schuld ist??? und diese Zweifel, wirst du vielleicht nie entkräften können...
Denke das ist nicht einfach...
Windsbraut
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Windsbraut »

Ich denke, es hängt – wie schon im Anfangsbeitrag erwähnt – stark davon ab, wie alt die Kinder sind, bzw. in wie weit man „erwarten“ kann, dass sie mit dem Suizid eines nahen Angehörigen umgehen können. Einem fünfjährigen Kind würde ich persönlich nicht sagen: „Der Papa hat sich selbst das Leben genommen, weil er nicht mehr leben wollte.“ Das übersteigt vermutlich die emotionalen Kapazitäten des Kindes. Wenn es aber ein 14-Jähriger ist, dann ist es – denke ich – schon angebracht ihm die Wahrheit zu sagen. Das ist aber sicherlich individuell verschieden und kann nicht pauschalisiert werden.

Ich habe eine Bekannte, deren Mann sich das Leben genommen hat. Ihre zwei Töchter waren damals 9 und 7 Jahre alt. Die Mutter war/ist Therapeutin und hat es für das beste befunden, die Gründe für den Tod des Vaters offen zu kommunizieren. Beide wussten von Anfang an, dass sich ihr Vater getötet hat. Es hat vermutlich geholfen, dass die Mädchen über alles reden durften, wenn ihnen danach war und Fragen stellen durften, dass nicht tot geschwiegen wurde, sondern Emotionen ausgelebt werden durften und die Mutter – Kind – Beziehung von Anfang an sehr stabil war.

…aber es ist sicherlich ungemein heikel, gerade ein junges Kind mit dem Suizid von (nahen) Verwandten zu konfrontieren…wenn man Pech hat, kann sich das mit Sicherheit negativ auf die Gefühlswelt von so einem kleinen Menschen auswirken…
Rasiel
Beiträge: 1380
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

Stefan_41 hat geschrieben:Hmm....werte Rasiel...für dich sind es vielleicht Lügen, für mich würde es eher bedeuten, die Kinder zu beschützen...
Wäre ich in dieser Lage, würde ich meinen Kids erzähler, dass er oder sie krank war, was ja nicht gelogen wäre, sei es psychisch oder physisch.
Jetzt stell dir vor, du sagst deinen Kindern, dass ihr Papa sich umgebracht hat....und versetz dich mal in die Gedankenwelt eines Kindes, was ist, wenn sich das Kind selbst frägt, ob es dran schuld ist??? und diese Zweifel, wirst du vielleicht nie entkräften können...
Denke das ist nicht einfach...

Es wäre natürlich nur eine Notlüge, klar um die Kinder zu beschützen.
Und in ihrer Gedankenwelt wäre es sehr wahrscheinlich das sie in irgend einer Weise die Schuld bei sich suchen, oder im kindlichen denken annehmen
der Papa hatte mich nicht lieb.

Schwierig wird es halt, wenn die Kinder z.B. in der Schule erfahren (Dein Vater hat sich umgebracht) !
Oder sie selber später sagen: warum habt ihr uns angelogen.

Also ich bin mittlerweile der Meinung, das man Kinder unter zehn Jahren, vor der Wahrheit schützen muss.
Mit älteren Kindern denke ich kann man reden, erklären.
Chron
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Chron »

Rasiel hat geschrieben:Und in ihrer Gedankenwelt wäre es sehr wahrscheinlich das sie in irgend einer Weise die Schuld bei sich suchen, oder im kindlichen denken annehmen
der Papa hatte mich nicht lieb.
Wie sollten sie von selbst darauf kommen??
Das kann nur von Erwachsenen her kommen, diese Schuldzuschiebung!
Tatsache ist nur: Die (evtl.) Liebe zu dem kleinen Kind reichte nicht als Lebenssinn/Lebenswunsch.
Stefan_41
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Stefan_41 »

Chron hat geschrieben:Wie sollten sie von selbst darauf kommen??
Das kann nur von Erwachsenen her kommen, diese Schuldzuschiebung!
Das stimmt so nicht, viele Kinder halten sich für den Gund dafür, wenn sich Eltern trennen oder streiten...unterhalte dich mal mit Kindern, die haben Gedankengänge...unglaublich..
Chron
Beiträge: 642
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Chron »

Ich kenne das so nicht. Weder von mir noch von anderen (Ex-)Kindern.
Rasiel
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

Tatsache ist nur: Die (evtl.) Liebe zu dem kleinen Kind reichte nicht als Lebenssinn/Lebenswunsch.
Hallo Chron,

das wissen wir, aber nicht kleine Kinder, selbst grössere Kinder haben da wahrscheinlich ein Problem.
Rasiel
Beiträge: 1380
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

bitte.... kinder wachsen mit einen potporie von lügen auf, die nur dazu da sind, sie ruhig zu stellen oder sie abzulenken... also manipulation zum eigenen zweck. warum ist es bitte aufeinmal unmoralisch eine lüge anzuwenden die, die kinder beschüzt?
Schade das du so aufgewachsen bist, nehm ich zumindest mal an, ich aber zum Beispiel nicht.
Und auch die Mutter der Kinder um die es hier geht nicht, sonst würde sie sich gar keine Gedanken machen.
Es kam halt schon vor, hab ich persönlich miterlebt, das Kinder aus der ? den Ausspruch "der hat sich umgebracht" von ihren Eltern aufgeschnappt haben und das betroffene Kind (2. Klasse) damit konfrontiert haben.
Deshalb muss man sich wirklich Gedanken machen, ob man den Kindern nicht auf liebevolle Art beibringen könnte, das es Krankheiten gibt, die einen so traurig werden lassen das eben sowas passiert, vielleicht fängt hier die Enttabuisierung an.

Letztendlich ist es wohl von Fall zu Fall unterschiedlich, ich wollte einfach mal verschiedene Denkanstösse dazu, mit anderen Menschen die mit Suizid nichts am Hut haben, kann man darüber nicht reden.
Sadness
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Sadness »

Ich finde es wichtig, dass offen darüber gesprochen wird (in Kind-gerechter Sprache). Irgendwann wird das Kind auf die Wahrheit kommen, sei es dass es von Außen die Information bekommt oder selbst bemerkt, dass was nicht wahr ist an der Geschichte. Dann zu erfahren, dass über Jahre hinsichtlich einer so wichtigen Sache wie dem Tod eines Eltermteils gelogen wurde erscheint mir sehr sehr schädlich. Wenn eine offene Kommunikation stattfindet, dann kann das Kind seine Sorgen und Ängste (und Schuldgefühle) hinsichtlich des Todes von seinem Papa auch in Worte fassen und sich an Erwachsene wenden, deren Aufgabe es dann ist das Kind entsprechend zu unterstützen, mit seinen Gefühlen klarzukommen.

Ich bin in einer Atmosphäre voller "wohlgemeinte" Lügen aufgewachsenund wünsche das wirklich niemandem...
Chron
Beiträge: 642
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Chron »

Als sich eine (von mir) Großmutter mit Schlaftabletten umgebracht hatte (die guten alten barbiturathaltigen ...) und mein Vater (ihr Sohn) sie gefunden hatte, war das allen meinen Beobachtungen nach nie ein Problem. Sie wollte nicht mehr leben; immer mehr Altersbeschwerden, Einsamkeit (verwitwet), und dagegen hatte niemand etwas tun können. Ich war jugendlich, meine Geschwister noch kleinere Kinder. Es wurde so akzeptiert, wie SIE (die Großmutter/Mutter) es gewollt hatte. Entfernteren Verwandten gegenüber wurde jedoch quasi gelogen, wie ich an der Totenfeier erfuhr; Todesursache Herzstillstand (mag medizinisch ja sein, aber warum blieb das Herz stehen? Eben wegen den Pillen ...). Ich fragte, warum man nicht offen sage, was gewesen sei. Die Antwort war unklar, kam mir aber vor wie "wir haben keine Lust, darüber zu diskutieren"; eine Art Feigheit, oder Bequemlichkeit.
Schuldgedanken hatte niemand. Es ist ein mögliches Lebensende - unter vielen anderen, dann weitaus schlimmeren, weil ungewollten (z. B. Krebs in relativ jungen Jahren).

Eine andere Erfahrung war der Tod eines lieben Nachbarn, als ich 5 war. Das Theater meiner Mutter darum (sie nahm mich völlig ausserordentlicherweise auf den Schoss und faselte was von "Himmel" und erwartete, dass ich weine) war für mich unerträglich. Er war physisch tot, Ja - aber für mich lebte er innerlich weiter! Das kapierten die Anderen nicht, also behielt ich es für mich. Und ich stellte seinen Tod(eswillen) über meinen Wunsch, weiterhin mit ihm zusammen sein zu können. Sein Leben war zu Ende gewesen - und gerade das machte unsere letzten Gespräche so wertvoll. Es war keine Selbsttötung gewesen, aber ein eher vorzeitiger Herzinfarkt-Tod. Gegen den er sich nicht mehr hatte wehren können/wollen. Das ist okay so für mich! Es war SEIN Leben - und ich war nur ein kleiner Teil davon!
Sadness hat geschrieben:Ich bin in einer Atmosphäre voller "wohlgemeinte" Lügen aufgewachsenund wünsche das wirklich niemandem...
Das sehe ich auch so! Mit der Wahrheit kann man zurecht kommen. Mit Lügen nicht, sondern da landet man in Verstrickungen und (egoistischen) Manipulationsversuchen von Anderen.
Rasiel
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Re: Wie sollte man Kindern erklären.....

Beitrag von Rasiel »

Eine andere Erfahrung war der Tod eines lieben Nachbarn, als ich 5 war. Das Theater meiner Mutter darum (sie nahm mich völlig ausserordentlicherweise auf den Schoss und faselte was von "Himmel" und erwartete, dass ich weine) war für mich unerträglich. Er war physisch tot, Ja - aber für mich lebte er innerlich weiter! Das kapierten die Anderen nicht, also behielt ich es für mich. Und ich stellte seinen Tod(eswillen) über meinen Wunsch, weiterhin mit ihm zusammen sein zu können. Sein Leben war zu Ende gewesen - und gerade das machte unsere letzten Gespräche so wertvoll.

Das was du hier beschreibst kenne ich von ganz vielen Kindern.
Oftmals machen die Erwachsenen einen Zirkus dabei ist für die Kinder eigentlich alles "Klar" !
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