Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Hurlinger
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Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Hurlinger »

Ich möchte Euch mal was fragen.
Wir beschäftigen uns ja hier irgendwie alle mit dem Thema Suizid und Legalisierung der Sterbehilfe.
Mir geht es auf Grund verschiedener psychischer und körperlichen Erkrankungen oft so, dass ich lieber heute anstatt morgen auf die „sanfte Art“ von dieser Welt verschwinden möchte, da ich manchmal das Gefühl habe die Symptomatik nicht mehr auszuhalten.
Grünes Licht seitens Dignitas würde ich dafür nicht bekommen.
Ich spüre, dass der Sommer sich dem Ende zuneigt, und meine Depressionen und Angstzustände wieder stetig zunehmen, nicht zuletzt wegen immer häufiger auftretenden Herz-Kreislauf Problemen, die z.T organisch bedingt sind.
Heute hatte ich ziemlich heftige Herzprobleme mit Schwindel, so dass ich mich wirklich legen musste um nicht aus den Latschen zu kippen.
Seltsamerweise stieg in mir heftigst Panik auf.
Fast nicht zum Aushalten.
Eigentlich wünsche ich mir doch, dass die Pumpe irgendwann mal plötzlich aussetzt und alles wäre in Sekunden vorbei, aber nein! Ich bekomme Panik und Angst um das bescheidene Leben, das ich führe.
Das passt doch nicht zusammen.
Warum Panik, wenn man eh nicht mehr will?
Wenn ich ein OK von der Sterbehilfe bekommen könnte, würde ich den Termin wahrscheinlich vor lauter Panik sausen lassen.
Da steig ich nicht durch!
Vielleicht habt ihr ja Ideen oder Antworten dazu.
Gruß
Hurlinger
Abendstern
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Abendstern »

Ich glaube, das hat etwas mit den verschiedenen Gehirnarealen zu tun. Man geht ja davon aus, daß diese so grob in drei Teile untergliedert sind: Den Neocortex/Großhirnrinde (Ratio), das Zwischenhirn/Limbisches System (Emotion) und das Stammhirn/"Reptiliengehirn" (Überlebensinstinkt).

Während der bewußte Wunsch, zu sterben, ja eher von rationalen Überlegungen geprägt ist, so ist die spontane Panikreaktion eher ein biologischer Überlebensautomatismus, der ja gerade dazu da ist, schnell reagieren zu können, ohne Zeit für's Nachdenken zu verlieren. Also der Moment, in dem wir in einer Gefahrensituation - ohne zu überlegen - das Lenkrad herumreißen oder die blitzartig die Hand von der heißen Herdplatte nehmen.

Und wenn nun die Ratio sagt: Ich will nicht mehr, so gilt das noch lange nicht für den Überlebensinstinkt...
Hurlinger
Beiträge: 455
Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 19:41

Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Hurlinger »

Danke Abendstern. Das ist für mich eine plausible Erklärung. d.h. man sollte das "Reptil" in uns lahmlegen und schon könnte das klappen.?
Gruß
Hurlinger
Abendstern
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Abendstern »

Puh, das ist eine gute Frage. Letzten Endes ist das Gehirn über diese drei Grobeinteilungen hinaus ja ein komplexes Gebilde, in dem alle Einzelteile unentwegt miteinander korrespondieren. Vor allem fragt sich, wie sich das Reptiliengehirn ausschalten läßt, wenn nicht gerade mit einer Kugel im Kopf. Bekannt ist ja jedenfalls, daß bestimmte Substanzen wie Alkohol oder Antidepressiva die Reaktionsweise des Gehirns verändern. Alkohol beispielsweise enthemmt und verzögert die Reaktionszeit. Insofern scheint mir hier auch das Reptiliengehirn vernebelt zu sein. Antidepressiva wiederum sorgen für ein Aktionspotential, das ja gerade in der Anfangsphase der Einnahme die Suizidwahrscheinlichkeit erhöht. Männer wählen überdies oft brachialere Methoden als Frauen. Insofen könnten auch Hormone eine Rolle spielen, die das Aggressionspotential steuern. In diesem Fall die Aggression gegen sich selbst. Bei einem der grausamsten Tierexperimente unserer Zeit wiederum - dem sogenannten Schwimmtest - hat sich herausgestellt, daß sich Ratten ohne Hoffnung auf Rettung frühzeitiger ihrem Schicksal ergeben und ertrinken als Ratten mit Hoffnung. Ein komplexes Thema jedenfalls...
Erloesung
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Erloesung »

Ich hab mal ein Interview gesehen, wo über einen fiktiven Flugzeugabsturz diskutiert wurde.

Da hat der eine Mann gesagt, dass es ihm ziemlich egal wäre, ob er tot wäre oder nicht, aber das, warum er nicht gerne Flugzeuge betritt ist: weil er bei einem angenommenen Flugzeugabsturz einen Kontrollverlust hätte, was ja auch stimmt.

Man bekommt mit, wie ein Flugzeug abstürzt, aber kann nichts dagegen tun. Ich glaube, dieser Kontrollverlust ist eine wichtige Sache in dieser Thematik.
Abendstern
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Abendstern »

Hm, ja, es geht eben auch immer um das Wie... Jeder möchte einfach lieber einschlafen und weg sein. Niemand möchte lebend Zustände der Angst und Panik erleben... Was eben auch dafür spricht, daß man diese rational nicht abstellen kann...
Lebensmüder
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Lebensmüder »

Hurlinger hat geschrieben: Seltsamerweise stieg in mir heftigst Panik auf.
Fast nicht zum Aushalten.
Eigentlich wünsche ich mir doch, dass die Pumpe irgendwann mal plötzlich aussetzt und alles wäre in Sekunden vorbei, aber nein! Ich bekomme Panik und Angst um das bescheidene Leben, das ich führe.
Das passt doch nicht zusammen.
Warum Panik, wenn man eh nicht mehr will?
Notprogramm des Körpers. Nicht zu beeinflussender natürlicher Selbsterhaltungstrieb.
Kenne das wenn eines meiner geliebten Atemorgane mal wieder den den Dienst quittiert.
Da springt auch jedes Mal die Adrenalinpumpe an :roll:

Deshalb scheiden Methoden wie CO2, ertrinken, etc. von vornherein aus.
Erloesung
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Re: Warum soviel Angst um so wenig Leben?

Beitrag von Erloesung »

Abendstern hat geschrieben:Hm, ja, es geht eben auch immer um das Wie... Jeder möchte einfach lieber einschlafen und weg sein. Niemand möchte lebend Zustände der Angst und Panik erleben... Was eben auch dafür spricht, daß man diese rational nicht abstellen kann...
Also, ich persönlich finde, dass es sehr große Unterschiede gibt: und zwar die Art WIE ein Mensch sein Leben beendet.
Die meisten Methoden, (ich nenne sie immer "Mittelalter-Methoden"), haben durchaus Gründe, Angst zu haben vor so einem Schritt.

Aber angenommen, mir würde jemand so einen Sterbehilfe-"Becher" reichen (wenn ich mal alt bin ;) ), dann hätte ich eigentlich nur wenig Angst.

Vor kurzem hab ich wieder so eine Schreckensnachricht in den Medien gelesen. 15-jährige in einem Waldstück tot aufgefunden, Todesursache Suizid. Ich ahne, welche Methode da genommen wurde.
Wie gesagt: Die Methode spielt in meinem Bewusstsein eine sehr große Rolle, was Angst betrifft.
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