Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

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Werweiss

Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Werweiss »

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Versucherle
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Versucherle »

Noch mal Lichtenberg:

Rede eines Selbstmörders kurz vor der Tat aufgesetzt

Freunde ! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist dieses keine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Gliedern die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine frommen Possen in dem Zug meiner Gedanken stören. Genug ich denke, ich fürchte nichts, gut, also weg mit dem Vorhang !
Versucherle
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Versucherle »

Werweiss hat geschrieben:
Versucherle hat geschrieben:Wenn es das Thema schon gibt, kann meinetwegen dieser Fred gelöscht oder fusioniert werden. Bei nicht gemeinfreier Literatur am besten nur kurze Zitate verwenden.


Ich mache mal einen Anfang mit G.C. Lichtenberg:

Die wenigsten Menschen haben wohl recht über den Wert des Nichtseins gehörig nachgedacht. Unter Nichtsein nach dem Tode stelle ich mir den Zustand vor, in dem ich mich befand, ehe ich geboren ward. Es ist eigentlich nicht Apathie, denn die kann noch gefühlt werden, sondern es ist gar nichts. Gerate ich in diesen Zustand – wiewohl hier die Wörter ich und Zustand gar nicht mehr passen; es ist, glaube ich, etwas, das dem ewigen Leben völlig das Gleichgewicht hält. Sein und Nichtsein stehen einander, wenn von empfindenden Wesen die Rede ist, nicht entgegen, sondern Nichtsein und höchste Glückseligkeit. Ich glaube, man befindet sich gleich wohl, in welchem von beiden Zuständen man ist.
Bin mir da nicht so sicher: Rein logisch (auch psychologisch?) gesehen sind Sein und nicht-Sein unvergleichbare "Grössen". Sein und Glückseligkeit (=im Höchstmass glückliches Sein) aber durchaus. Daraus folgte, dass Glückseligkeit und nicht-Sein ebenfalls nicht vergleichbar sind.
Siehe hierzu obiger Hinweis (Ralf Stoecker Suizid).
Natürlich ist es letztlich absurd, das Leben mit dem Tod zu vergleichen. Einfach deshalb, weil der Tod kein Zustand ist - denn derjenige, der diesen Zustand erleben könnte, ist ja, sobald er eintritt, nicht mehr existent.

Aber gerade wegen dieser Paradoxie mag ich das Zitat. :)
Werweiss

Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Werweiss »

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Thanatos
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Thanatos »

Jean Améry:

Der Freitod ist ein Privileg des Humanen.

Im Moment der Ausführung des Freitodes hat man möglicherweise einen so hohen Grad an Authentizität, den man in einem fortgesetzten Leben nie erreichen würde.

Im Moment des Absprungs zerreißt der Suizident eine Vorschrift der Natur und wirft sie dem unsichtbaren Vorschreibenden vor die Füße.
Werweiss

Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Werweiss »

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Versucherle
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Versucherle »

»Was ist der Mensch? ein rechtes Merkzeichen der Schwäche, eine Beute des Augenblickes, ein Spielzeug des Zufalls, ein Bild des Umschlagens (der Schicksale), bald mehr dem Neid, bald mehr Unglücksfällen anheimgegeben; der Rest ist Schleim und Galle (φλέγμα καὶ χολή).«

(Aristoteles)


»Nicht geboren zu sein, o Mensch,
Ist das höchste, das größte Wort;
Doch, wofern du das Licht erblickst,
Acht' als Bestes, dahin zu gehn
Wieder, von wannen du kamst, im Flugschritt!
Denn betratst du der Jugend Feld,
Das Torheiten umgaukeln, haust
Dort nicht jegliches Ungemach,
Stürmt nicht jeglicher Jammer drin?
Mord, Hader, Blutvergießen, Kampf,
Haß und Neid; und endlich wartet
Schmachbeladen, mürrisch, einsam,
Krank und schwach das Alter unser,
Das der Übel
Übel all' umlagern!«

(Sophokles)
Nemotron
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Nemotron »

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Der Weinberg hängt voll Reben,
der Hund an Herrchens Blick,
der eine hängt am Leben,
der andere am Strick.

(Heinz Erhard)
so-lebt-der-lurch
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von so-lebt-der-lurch »

Reich mir die Hand mein Leben- nenn mir den Preis
Ich schenk dir gestern, heut`und morgen
dann schließt sich der Kreis
Kein Weg zurück, das weiße Licht kommt näher
Stück für Stück - will mich ergebn
Muss ich denn sterben, um zu leben?

(Falco)
Thanatos
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Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Thanatos »

Der Strick im Haus erspart Arzt und Apotheker. (N.N.)
crying-angel
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von crying-angel »

"du überspannst alles und hast wenigstens hier gewiss unrecht, daß du den unzulässiges Wort, wovon jetzt die Rede ist, mit großen Handlungen vergleichst: da man es doch für nichts anderes als eine Schwäche halten kann. Denn freilich ist es leichter zu sterben, als ein qualvolles Leben standhaft zu ertragen.
[...]
Du nennst das Schwäche? Ich bitte dich, laß dich von dem Anscheine nicht verführen. Ein Volk, das unter dem unerträglichen Joch eines Tyrannen seufzt, darfst du das schwach heißen, wenn es endlich aufgärt und seine Ketten zerreißt? Ein Mensch, der über dem Schrecken, daß Feuer sein Haus ergriffen hat, alle Kräfte gespannt fühltt und mit Leichtigkeit Lasten wegträgt, die er bei ruhigem Sinne kaum bewegen kann; einer, der in der Wut der Beleidigung es mit sechsen aufnimmt und sie überwältigt, sind die schwach zu nennen? Und, mein Guter, wenn Anstrengung Stärke ist, warum soll die Überspannung das Gegenteil sein?
[...]
Die menschliche Natur, fuhr ich fort, hat ihre Grenzen; sie kann Freude, Leid, Schmerzen bis auf einen gewissen Grad ertragen und geht zugrunde, sobald der überstiegen ist. Hier ist also nicht die Frage, ob einer schwach oder stark ist? sondern ob er das Maß seines Leidens ausdauern kann? es mag nun moralisch oder körperlich sein: und ich finde es ebenso wunderbar zu sagen, der Mensch ist feige, de sich das Leben nimmt, als es ungehörig wäre, den einen Feigen zu nennen, der an einem bösartigen Fieber stirbt.


Die Leiden des jungen Wether - Johann Wolfgang von Goethe
suizidal
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von suizidal »

crying-angel hat geschrieben: Du nennst das Schwäche? Ich bitte dich, laß dich von dem Anscheine nicht verführen. Ein Volk, das unter dem unerträglichen Joch eines Tyrannen seufzt, darfst du das schwach heißen, wenn es endlich aufgärt und seine Ketten zerreißt? Ein Mensch, der über dem Schrecken, daß Feuer sein Haus ergriffen hat, alle Kräfte gespannt fühltt und mit Leichtigkeit Lasten wegträgt, die er bei ruhigem Sinne kaum bewegen kann; einer, der in der Wut der Beleidigung es mit sechsen aufnimmt und sie überwältigt, sind die schwach zu nennen? Und, mein Guter, wenn Anstrengung Stärke ist, warum soll die Überspannung das Gegenteil sein?
Wer stirbt überwindet nicht.
(suizidal)
Thanatos
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Thanatos »

Alles durchschaut haben und dennoch am Leben bleiben – es gibt keinen unmöglicheren Zustand. (Cioran)
artemisia
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von artemisia »

Text von Ludwig Hirsch

"Und dann fliegen wir rauf
mitten in Himmel eini

in a neue Zeit
in a neue Welt

und ich werd' singen
ich werd' lachen

ich werd' "das gibt's net" schrei'n
weil - ich werd' auf einmal kapieren

worum sich alles dreht.

Ja
großer schwarzer Vogel
endlich!
Ich hab' dich gar nicht reinkommen g'hört!"
Thanatos
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Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur

Beitrag von Thanatos »

Der Suizidär darf wissen, dass er sich selbst gehorchen darf, sich selbst gehört, dass er seinen Tod stirbt, seinen eigenen, den nicht ein Gott ihm erst zu geben braucht. (Jean Améry)
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