Ausweglose Situation

Für alle, die ihre Lebensprobleme und Schickale mit anderen teilen möchten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Puma
Beiträge: 2
Registriert: Sonntag 5. März 2017, 19:44

Ausweglose Situation

Beitrag von Puma »

Hallo liebes Forum,

ich bin neu hier und möchte auch gleich mit meiner Geschichte anfangen - aus der ich keinen Ausweg mehr sehe und ich nach Wegen suche, die mich von diesem Leid befreien.

Ich bin 35 Jahre alt, homosexuell und Mitte 2016 habe ich die Diagnose HIV positiv erhalten. Diese Erkrankung ist heute nicht mehr so dramatisch wie man sie aus den 80er kennt. Durch die moderne Medizin ist es heute nur eher eine chronische Krankheit. Kurz vor Weihnachten 2016 ist dann meine Mutter gestorben und meine Beziehung ging vor genau zwei Wochen auseinander. Das zu den harten Fakten.

Ich hatte bis vor zwei Wochen noch einen Partner. Wir waren ein Jahr zusammen. Im Sommer 2016 ging es auseinander weil ich mich von ihm nicht geliebt fühlte und auch Dinge passiert sind, die mit Respekt mir gegenüber nichts zu tun hatten. Kurz nachdem es auseinander ging habe ich die Diagnose erhalten. Das war schlussendlich auch der Grund, warum wir wieder zusammengekommen sind. Dennoch hielt es wieder nur ein halbes Jahr. Ich muss dazu sagen, dass er selbst Depressiv ist und auch Manien entwickelt. Am Ende litt ich mehr mit ihm als wohl ohne ihn. Wir haben uns dann schlussendlich getrennt. Nebenher hatte er sich aber schon was neues rangezogen... soviel dazu. Der Grund der Trennung ist aber nicht die Erkrankung gewesen sondern die fehlende Leidenschaft mir gegenüber. Aus Beziehungssicht nichts ungewöhnliches und kommt öfter vor.

Dennoch, die ganzen Umstände und vor allem der sehr trübe Blick in die Zukunft gibt mir mittlerweile keine Kraft mehr an irgendetwas zu arbeiten oder mich zu etwas zu motivieren. Wenn es nur der Trennungsschmerz wäre, wäre das zu verkraften. Da ich aber im Grunde für die Liebe und Beziehung lebe, bricht damit ein ganz großes Kartenhaus zusammen. Ich war schon immer Melancholisch und heute ist es eine sehr ausgeprägte Depression.

Ich bin auch in Behandlung bei einer Therapeutin - nehme jedoch keine AD mehr. AD hatte ich mal (Mirtazipin und Citalopram) kam mir dann aber wie fremdgesteuert und gefühllos vor. Das ist keine Alternative. Andere Medikamente möchte und kann ich auch nicht nehmen aufgrund des HIV Medikaments.

Mein Wunsch, diese Last nicht mehr ertragen zu können ist unglaublich groß und kaum noch aus den Gedanken zu bekommen und überlege daher, die Hilfe dieses Vereins in Anspruch zu nehmen.

Wie ist eure Erfahrung damit? Ich kann mir vorstellen, dass es nicht so einfach sein wird das Vorhaben auch wirklich durch zu setzen.
Verzweifelter
Beiträge: 12
Registriert: Mittwoch 22. Februar 2017, 22:53

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Verzweifelter »

Puma hat geschrieben: Dennoch, die ganzen Umstände und vor allem der sehr trübe Blick in die Zukunft gibt mir mittlerweile keine Kraft mehr an irgendetwas zu arbeiten oder mich zu etwas zu motivieren. Wenn es nur der Trennungsschmerz wäre, wäre das zu verkraften. Da ich aber im Grunde für die Liebe und Beziehung lebe, bricht damit ein ganz großes Kartenhaus zusammen. Ich war schon immer Melancholisch und heute ist es eine sehr ausgeprägte Depression.
Hallo Puma,
warum suchst du dir nicht eine neue Beziehung? Das würde bestimmt gegen den Trennungsschmerz helfen und vielleicht auch die Depression lindern.
Springer

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Springer »

Das würde ich auch unterstützen. Und vor allem keine Antidepressiva mehr nehmen.
Horla
Beiträge: 113
Registriert: Sonntag 28. August 2016, 16:08

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Puma hat geschrieben:Mitte 2016 habe ich die Diagnose HIV positiv erhalten. ... Kurz vor Weihnachten 2016 ist dann meine Mutter gestorben und meine Beziehung ging vor genau zwei Wochen auseinander.
Da sind Dir aber wirklich einige sehr schlimme Sachen passiert! Insofern erscheint es dann fast schon normal, wenn man da Depression entwickelt.
(Mir ging es 2016 ein bißchen ähnlich, erst ist mein Vater gestorben, dann meine Mutter, was zusammen meine (wirtschaftliche) Existenz gefährdet hat, so daß ich mich hier herumtreibe.)

Aber mal ganz nüchtern: Der Tod Deiner Mutter tut jetzt sehr weh (der meiner mir auch), aber nach aller Erfahrung wird man das im Laufe von ein paar Jahren wahrscheinlich wieder verkraften.
Gleiches gilt für die Beziehung zu diesem Mann. Jetzt sehr schmerzhaft, völlig verständlich, aber in ein/zwei Jahren mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgestanden.
Dann HIV. Puh, das ist hart. Aber wie Du schon geschrieben hast, nicht mehr ganz so fatal wie in den '80ern. Andy Bell hält sich auch noch ganz wacker. ;)

Der Tod dagegen ist endgültig. Wenn Du jetzt Schluß machst, können Dir noch so viele schöne Erlebnisse entgehen. Man muß das nicht sofort entscheiden. Du hast noch so viel Zeit!

Wenn man wirklich bereit ist zu sterben, ist man in gewisser Weise auch sehr frei.
Man kann sich dann dieses sagen und dieses (ich will das hier jetzt nicht wiederholt posten, aber die Zitate dort bitte unbedingt mal lesen!).

Also einfach das tun, was einem immer Freude gemacht hat. Wieder wie ein Kind sein. Und wenn das gerade nicht geht, einfach nichts tun. Nur existieren. Sonst nichts. Sich einfach sagen, "Ich hör' euch nicht, ich bin in meinem Wochenendhäuschen in der Fiickt-Euch-Allee".
Manchmal kann einem das schon helfen.
Puma
Beiträge: 2
Registriert: Sonntag 5. März 2017, 19:44

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Puma »

Erst mal vielen Dank für eure Antworten!

Alleine sein und das wohl auf ewig ist nicht der Sinn, den ich mir für das Leben wünsche. Dinge, die mir früher mal Spaß gemacht haben, gibt es schon lange nicht mehr.

Eine neue Beziehung zu finden, ist unwahrscheinlich. Spätestens wenn es zum Thema der Krankheit kommt, wars das. Das ist negativ, ist mir klar aber ich weiß leider auch wie man darüber denkt. Die Angst ist einfach zu groß und das kann ich sogar verstehen. Niemand möchte eine tickende Zeitbombe bei sich haben... wie kann ich da noch Lebensmut fassen? Wofür? Ich nehme mich selbst nicht so wichtig um jetzt zu sagen ich tue das alles für MICH.

Es läuft im Grunde so viel falsch, dass ich keinen Weg mehr aus der Situation finde und auch nicht wirklich kann. Ich bin nicht die stärkste Person, auch wenn das nach außen anders wirkt. Diese Kraft für das hier kann ich nicht mehr entwickeln. Einziger Sinn aktuell ist die Arbeit und nicht mal die macht Freude. Möchte aber auch gleich betonen, dass auch keine andere Arbeit daran was ändern würde. Ich wollte immer geben, alles was ich kann doch am Ende wollte es niemand haben, zumindest nicht auf Dauer - Auch vor den ganzen aktuellen Geschichten schon. Das mag jetzt sehr nach Selbstmitleid klingen... Das ist das erste Mal im Leben, wo ich wirklich echtes Selbstmitleid empfinde und ich denke auch zurecht.

Das Ganze nimmt ja noch weitere Formen wie Schlaflosigkeit an. Nicht schlafen zu können ist eine harte Strafe! Ich beneide jeden Menschen, der selbst mit großen Problemen noch immer einfach so schlafen kann.

@Horla: Das tut mir leid, dass du gerade beide Elternteile verloren hast! Unendlich traurig ist das und das macht es mich auch. Finde toll, wie du damit umgehst. Für mich wüsste jedoch nicht, welche schönen Momente da noch kommen sollen? Welche sind es bei dir?

Ich sehe den Tod tatsächlich als Erlösung.
Horla
Beiträge: 113
Registriert: Sonntag 28. August 2016, 16:08

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Puma hat geschrieben:@Horla: Das tut mir leid, dass du gerade beide Elternteile verloren hast! Unendlich traurig ist das und das macht es mich auch. Finde toll, wie du damit umgehst. Für mich wüsste jedoch nicht, welche schönen Momente da noch kommen sollen? Welche sind es bei dir?
Danke für das Mitgefühl! Ist irgendwie nett, das zu lesen.

Schöne Momente ... Da hat wohl jeder so seine eigenen. Muß dabei gerade an "Love Story" denken:
What can you say about a 25 year-old girl, who died? .... That she loved Mozart, Bach, the Beatles ...
Tja, also, ich mag Musik. Und Computer. Und Tee. Und Fahrrad fahren.
Im Falle des Suizids könnte ich all diese kleinen, schönen Dinge nie mehr genießen. Das fände ich sehr traurig.
Solche kleinen Sachen, die man mag, binden einen an die Welt und geben einem Kraft. Bestimmt hast Du auch welche.
Puma hat geschrieben:Alleine sein und das wohl auf ewig ist nicht der Sinn, den ich mir für das Leben wünsche.
Guck' immer nur auf den jeweiligen Tag. Ob das ewig ist oder nicht schon in zwei Jahren anders, kann man noch gar nicht wissen.
Puma hat geschrieben:Dinge, die mir früher mal Spaß gemacht haben, gibt es schon lange nicht mehr.
Wenn Du Dich wieder besser fühlen möchtest, mußt Du nach ihnen suchen!
Puma hat geschrieben:Ich nehme mich selbst nicht so wichtig um jetzt zu sagen ich tue das alles für MICH.
Doch, fang' jetzt damit an: Du bist wichtig, Du machst das alles für Dich.

Und ihr anderen (die Dir nicht gut tun oder die Du nicht magst): "Fiickt euch alle" (s.o.) ;)
Puma hat geschrieben:Ich bin nicht die stärkste Person, auch wenn das nach außen anders wirkt. Diese Kraft für das hier kann ich nicht mehr entwickeln.
Also, bei mir hat das immer stark geschwankt (tut es noch). Ist es bei Dir nicht auch so, daß es manchmal auch gute Tage gibt, an denen Du doch wieder glaubst, es noch einmal schaffen zu können?

Im Grunde sind das alles Gedanken, die ein Psychiater hier schon einmal zusammengetragen hatte. Aber man muß auch seine eigenen Erfahrungen damit machen, denn grau ist alle Theorie.
Springer

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Springer »

Mir macht auch schon lange nichts mehr Spaß, alles ist nur Zeit überbrücken.
Horla
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Springer hat geschrieben:Mir macht auch schon lange nichts mehr Spaß, alles ist nur Zeit überbrücken.
Das ist auch ok. Nichts machen. Existieren. Okay.
Agnetha
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Agnetha »

Spaß erwarte ich gar nicht mehr, nur genug kraft für den Alltag. Mittlerweile habe ich jede Woche Migräne...
Last Escort
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Last Escort »

Horla hat geschrieben:
Springer hat geschrieben:Mir macht auch schon lange nichts mehr Spaß, alles ist nur Zeit überbrücken.
Das ist auch ok. Nichts machen. Existieren. Okay.
Das ist nicht OK. Das ist ja gerade der Grund für einige an einen Ausweg aus dem Leben nachzudenken. Wo liegt der Reiz am "nur nichts machen und nur existieren". Existieren tut auch eine leere Weinflasche, nur erwartet die (vermutlich) nicht mehr von ihrer Existenz.
Horla
Beiträge: 113
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Last Escort hat geschrieben:
Horla hat geschrieben:
Springer hat geschrieben:Mir macht auch schon lange nichts mehr Spaß, alles ist nur Zeit überbrücken.
Das ist auch ok. Nichts machen. Existieren. Okay.
Das ist nicht OK. Das ist ja gerade der Grund für einige an einen Ausweg aus dem Leben nachzudenken. Wo liegt der Reiz am "nur nichts machen und nur existieren". Existieren tut auch eine leere Weinflasche, nur erwartet die (vermutlich) nicht mehr von ihrer Existenz.
Wenn man einen Ausweg aus dem Leben findet, ist man danach aber so tot wie eine leere Weinflasche.
Dagegen bietet der Zustand "leben, aber nur existieren" immer noch die Möglichkeit, daß es später, vielleicht Jahre später, wieder besser sein kann und man sich dann freut.
Wenn man Erwartungen an sich und sein Leben hat, setzt man sich unter Druck.
Wenn man diesen Druck rausnimmt, kann es vielleicht gelingen, mit den Suizidgedanken umzugehen.
Du willst tot sein? Leg' Dich hin, so als wärst Du tot. Laß' die Zeit und die Dinge der Welt an Dir vorüberziehen. Sie gehen Dich nichts mehr an. Vielleicht genügt das Deinem Wunsch schon, ohne wirklich was tun zu müssen. Was gibt es schon zu verlieren?
Last Escort
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Last Escort »

@Horla:
Ja, da bohrst Du in die richtige Wunde bei mir. Mein Problem ist: Ich erwarte eben mehr vom Leben als das, was ich daraus gemacht habe.

Ich erwarte auch von anderen mehr. Und von mir auch.
Es bringt also nichts, wenn ich mich einfach hinlege und die Welt an mir vorbeiziehen lasse, denn ich bin mir dieses, meines Lebens stets bewusst - leider. Es ist ständig präsent, glotzt mich an und sagt "Ja ich weiß, blöd - aber besser gehts halt net. Wenns Dir nicht passt, dann geh halt".

Und nach so vielen Jahren bin ich mir bei einem ganz sicher: Es wird (bei mir) nicht besser, auch nicht vielleicht und nicht später. Es wird nur immer schlimmer. Der (Selbst-)Hass und die Verbitterung nehmen nur ständig zu, von Jahr zu Jahr. In den letzten Monaten hat es wieder einen enormen Schub gegeben. Mit Alkohol nehme ich das allerdings nicht so wahr, ist wie ein Filter der sich auf die negativen Gedanken legt. Aber ich kann ja nicht ständig besoffen durch die Gegend laufen. Ist also leider auch keine Lösung - hilft aber an besonders schlechten Tagen.

Es ist wie es ist, nehmen oder lassen.
Springer

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Springer »

Last Escort hat geschrieben: In den letzten Monaten hat es wieder einen enormen Schub gegeben.

Was ist denn da passiert? Man kann sich oft schwer was vorstellen, weil Dinge sehr klausuliert formuliert werden.

Aber natürlich auch irgendwo verständlich.
Abendstern
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Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Abendstern »

Last Escort hat geschrieben:Existieren tut auch eine leere Weinflasche, nur erwartet die (vermutlich) nicht mehr von ihrer Existenz.
Man kann es kaum besser beschreiben. Ich erinnere mich dabei daran, daß ich mit dem traumatischen Schock statt zu leben in der Tat fortan nur noch existierte. Der Hauptunterschied waren dabei tatsächlich die Erwartungen ans Leben.
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Abendstern »

Horla hat geschrieben: Wenn man Erwartungen an sich und sein Leben hat, setzt man sich unter Druck.
Wenn man diesen Druck rausnimmt, kann es vielleicht gelingen, mit den Suizidgedanken umzugehen.
Du willst tot sein? Leg' Dich hin, so als wärst Du tot. Laß' die Zeit und die Dinge der Welt an Dir vorüberziehen. Sie gehen Dich nichts mehr an. Vielleicht genügt das Deinem Wunsch schon, ohne wirklich was tun zu müssen. Was gibt es schon zu verlieren?
Sehr weise Empfehlung. Genau so habe ich es gemacht, als ich gemerkt habe, da gibt es nichts mehr zu retten in meinem Leben... Erinnert mich auch ein wenig an das Sinnbild "Phönix aus der Asche".
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