Ausweglose Situation

Für alle, die ihre Lebensprobleme und Schickale mit anderen teilen möchten

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Abendstern
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Abendstern »

Last Escort hat geschrieben:@Horla:
Ja, da bohrst Du in die richtige Wunde bei mir. Mein Problem ist: Ich erwarte eben mehr vom Leben als das, was ich daraus gemacht habe.

Ich erwarte auch von anderen mehr. Und von mir auch.
Es bringt also nichts, wenn ich mich einfach hinlege und die Welt an mir vorbeiziehen lasse, denn ich bin mir dieses, meines Lebens stets bewusst - leider. Es ist ständig präsent, glotzt mich an und sagt "Ja ich weiß, blöd - aber besser gehts halt net. Wenns Dir nicht passt, dann geh halt".

...

Es ist wie es ist, nehmen oder lassen.
Ich kann das gut nachvollziehen. Ich hatte auch sehr hohe Erwartungen an das Leben ... so viele Pläne und Träume, die mit einem Schlag alle ausradiert wurden. Es war bitter, zu akzeptieren, daß das Selbstverständnis, das ich von mir und meinem Leben hatte, plötzlich keine Gültigkeit mehr besitzen sollte. Da ich einfach auch keine andere Wahl hatte, blieb mir im Endeffekt tatsächlich nichts übrig, als mich wie in Horlas Empfehlung als Alternative zum Suizid einfach hinzulegen und innerlich zu sterben.

Jetzt, da all meine Träume und Hoffnungen begraben sind und sich die Panikattacken auf ein einigermaßen erträgliches Maß reduziert haben, spüre ich allmählich, daß es auch ein Leben nach dem Tod im Leben geben kann... Es wird nie wieder wie vorher sein, in gewisser Weise ist es auch nach wie vor nur noch eine Art Überbrückung bis zum Lebensende, aber ich habe gelernt, im Hier und Jetzt zu leben und mich (wieder) an den kleinen Dingen zu erfreuen. Ich habe gemerkt, daß es sich auch ohne Sinn und Erwartungen leben läßt. Das hätte ich vor einiger Zeit selbst nicht für möglich gehalten. Der kleinste Sinn, den ich mir allerdings wünsche, ist es, einen guten Alltag zu haben. Sei es ein Ausflug in die Natur, sei es ein Stück Himbeersahnetorte, sei es, mich nicht von Mitmenschen dumm bequatschen lassen zu müssen. Das ist auch meine größte Angst zur Zeit, daß ich es finanziell nicht schaffe, mir wenigstens mein Leben so einrichten zu können, daß sich der Alltag in lebbarer Weise an die neuen Bedingungen anpaßt. Ich denke mir oft, es ist doch nur Geld. Jetzt habe ich alles so tapfer "überstanden" und alles losgelassen, was mir einmal etwas im Leben bedeutet hat, jetzt kann es doch bitte am Ende nicht daran scheitern...

Ansonsten fällt mir zum Thema noch ein Buch ein. Es nennt sich "Glanz und Elend des Gehirns". Darin geht der Autor, seines Zeichens Neurowissenschaftler, davon aus, daß die Struktur und Funktionsweise unseres Gehirns leider dazu führt, daß es sich die tollsten Dinge ausmalen kann, die aber in Realität so vielleicht nie stattfinden werden - und man deshalb stets großes Potential in sich trägt, unglücklich darüber zu sein. Diesen Gedanken finde ich insofern tröstlich, als daß das Unglücklichsein über die Diskrepanz von Ideal und Realität wenigstens ein natürliches biologisches Abfallprodukt unseres Seins zu sein scheint.
Last Escort
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Last Escort »

Hallo Abendstern,

ich glaube grundsätzlich an den Spruch "Jeder ist seines Glückes Schmied" - sicherlich nicht passend auf diejenigen, die an einer wie auch immer gearteten Krankheit leiden. Wie gesagt, es passt für mich und meine Situation.

Ich habe mein Leben komplett selbst in der Hand, ich kann es beliebig verändern und formen. Aber ich will nicht mehr. Es ist einfach zu viel Schei.. da drausen. Ich bin schlicht nicht mehr in der Lage zu glauben, dass die positiven Aspekte jemals wieder all die negativen überwiegen werden. Ich will nicht mehr kämpfen, jeden Tag aufs neue, gegen mich, gegen andere, gegen meine Gedanken und Empfindungen.

Ich bin in der ausweglosen Situation selbst hinter etwas vermutlich gutem oder problemlosen noch etwas schlechtes zu erwarten. Bei jedem Telefonleuten, Türklingeln, Person die auf mich zukommt, Brief, E-Mail erwarte ich negatives oder weitere Probleme oder schlicht etwas, mit dem ich mich einfach nicht beschäftigen will, weil ich nichts davon habe. Es bringt mir nichts, es verbessert nicht mein Leben, es ist potenziell eher belastend und sorgt sicherlich nicht für bessere Stimmung.
Bitte - das ist kein Gejammer, es ist einfach eine Schilderung meiner Sichtweise.

Ich weiß, viel Bla Bla - ist halt so mit zu viel "SAnitäter in der Not".
Horla
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Abendstern hat geschrieben:Sehr weise Empfehlung.
Dankeschön! (Es ist ja nicht nur von mir, jemand anders hatte das schonmal gepostet, dann habe ich es in dem Buch gelesen ("Erfolgreich gegen Depression und Angst", auch auf Youtube), und dann hatte das auch Henry Miller in der Doku gesagt.)
Offenbar ist es ein allgemeingültiges psychologisches Prinzip.
Abendstern hat geschrieben:Jetzt, da all meine Träume und Hoffnungen begraben sind und sich die Panikattacken auf ein einigermaßen erträgliches Maß reduziert haben, spüre ich allmählich, daß es auch ein Leben nach dem Tod im Leben geben kann... Es wird nie wieder wie vorher sein, in gewisser Weise ist es auch nach wie vor nur noch eine Art Überbrückung bis zum Lebensende, aber ich habe gelernt, im Hier und Jetzt zu leben und mich (wieder) an den kleinen Dingen zu erfreuen. Ich habe gemerkt, daß es sich auch ohne Sinn und Erwartungen leben läßt. Das hätte ich vor einiger Zeit selbst nicht für möglich gehalten. Der kleinste Sinn, den ich mir allerdings wünsche, ist es, einen guten Alltag zu haben. Sei es ein Ausflug in die Natur, sei es ein Stück Himbeersahnetorte, sei es, mich nicht von Mitmenschen dumm bequatschen lassen zu müssen.
Ach, das freut mich sehr zu lesen! Ich denke, Du bist da - endlich - auf einem guten Weg.
Wir wissen alle, daß der Weg noch lang ist, und daß es an schlechten Tagen auch mal wieder zurückschwenken kann, aber ich denke, die wichtigen ersten Schritte aus dem dunklen Loch hast Du hinter Dir. Das ist schön.
Insbesondere auch, daß die Panikattacken allmählich etwas nachlassen. Großartig!
Horla
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Last Escort hat geschrieben:Ich habe mein Leben komplett selbst in der Hand, ich kann es beliebig verändern und formen. Aber ich will nicht mehr. Es ist einfach zu viel Schei.. da drausen. Ich bin schlicht nicht mehr in der Lage zu glauben, dass die positiven Aspekte jemals wieder all die negativen überwiegen werden. Ich will nicht mehr kämpfen, jeden Tag aufs neue, gegen mich, gegen andere, gegen meine Gedanken und Empfindungen.
Guckstu: Ich hatte das zweite empfohlen.
Im Moment führst Du offenbar einen Kampf gegen Dich selbst, der Dich zermürbt (und deshalb das Dritte dort, das Verbotene, ist). Nutze Deine Kontrolle, um den Kampf gegen Dich selbst zu beenden. Dann kann es Dir vielleicht wieder besser gehen.
Von mir ist das nur Küchenpsychologie, aber der Autor (Fachmann) schreibt das ja auch.
Last Escort
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Last Escort »

Also ich hab mir das Hörbuch mal ne halbe Stunde angetan - das ist ja furchtbar.
Wie in der Kirche werden irgendwelche Geschichten an den Haaren herbeigezerrt um irgendeine Analogie zu einem bestimmten Ereignis oder einer Situation herzustellen, was aber nicht gelingt. Alles zielt wie bei jeder Kirche oder Sekte darauf ab: Du musst einfach nur glauben und alles wird Gut. Du musst Dir nur solange jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde einreden dass es Dir gut geht und schon gehts dir gut.
Das ist Gutmenschengeschwätz die einfach kein Verständnis für "unsere" Situation haben und daher die Beweggründe nicht nachvollziehen können. Dafür haben Sie dann aber mehr als genügend super Ratschläge. Ich müsste wirklich kotzen, wenn ich das noch länger angehört hätte. Kann man Menschen wirklich als Krank bezeichnen, wenn sie keine Freude am Leben haben?
Horla
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Horla »

Last Escort hat geschrieben:Also ich hab mir das Hörbuch mal ne halbe Stunde angetan - das ist ja furchtbar.
Wie in der Kirche werden irgendwelche Geschichten an den Haaren herbeigezerrt um irgendeine Analogie zu einem bestimmten Ereignis oder einer Situation herzustellen, was aber nicht gelingt. Alles zielt wie bei jeder Kirche oder Sekte darauf ab: Du musst einfach nur glauben und alles wird Gut. Du musst Dir nur solange jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde einreden dass es Dir gut geht und schon gehts dir gut.
Das ist Gutmenschengeschwätz die einfach kein Verständnis für "unsere" Situation haben und daher die Beweggründe nicht nachvollziehen können. Dafür haben Sie dann aber mehr als genügend super Ratschläge. Ich müsste wirklich kotzen, wenn ich das noch länger angehört hätte.
Also, ich persönlich hab' kein Interesse daran, daß Dir das Buch gefällt. Wenn nicht, dann eben nicht. Für mich kein Problem.
Aber von "an etwas glauben" ist da meiner Meinung nach nicht die Rede. Er sagt stattdessen z.B.
- Gefühle können sich ändern: Im Sturm ist der Skipper verzweifelt, als er plötzlich das Leuchtfeuer sieht, ändern sich seine Gefühle von einer Sekunde auf die andere dramatisch. Das war bei mir z.B. ganz ähnlich, als ich wider Erwarten eine Wohnung gefunden hab'.
- Situationen können sich wieder ändern. Schlechte Dinge, die einem geschehen, können langfristig sowohl schlechte als auch gute Wirkungen haben. Das weiß man nicht.
- Wenn die Gefühle gerade nicht zulassen, daß man was tut, soll man nichts tun.
- Es hilft einem, nach den kleinen Dingen zu suchen, die man mag, und die einem gut tun (z.B. Himbeertorte).
- Man kann seine Gefühle nicht unmittelbar beeinflußen. Aber indirekt schon.
- 80% von Glück liegen in einem selbst, und die Voraussetzungen, die restlichen 20% zu bekommen, seien nicht sehr hoch, sagt er. Zur Not bekomme man eben H4, sagt er. Man könne irgendwie weiterleben, man sei wegen des Geldes in unserer Gesellschaft nicht in Lebensgefahr, sagt er.

Und solche Dinge. Das mit dem Glauben finde ich da nicht.
Last Escort hat geschrieben:Kann man Menschen wirklich als Krank bezeichnen, wenn sie keine Freude am Leben haben?
Das weiß ich nicht. Psychiater sehen das wohl so.
Ich sehe sein Buch als eine Möglichkeit, sich zu sparen, zum Psychiater zu gehen: Weil der einem für teures Geld nur zuhört, und dann wahrscheinlich was von dem sagt, was sowieso auch in dem Buch steht.
Dann wären beim Psychiater noch die Tabletten. Die will ich nicht. Deshalb finde ich das Buch eigentlich ganz gut.
Das gilt natürlich nur für leichte bis mittelschwere Fälle. Ein Hausmittel eben. Aber dafür finde ich es gut.
Therapie klappt nur, wenn der Patient sich drauf einläßt. Das gilt wohl für die Begegnung mit einem Therapeuten. Aber genau so wohl auch für die Konfrontation mit dem Buch.
Last Escort
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Re: Ausweglose Situation

Beitrag von Last Escort »

Horla hat geschrieben: Man könne irgendwie weiterleben, man sei wegen des Geldes in unserer Gesellschaft nicht in Lebensgefahr, sagt er.
Das ist grundsätzlich auf jeden Fall korrekt. Ist nur die Frage, warum man nur einfach so irgendwie weiterleben sollte, wenn das Leben einem nicht lebenswert vorkommt.

Bitte entschuldige, ich wollte Dir das Buch nicht madig machen. Das war ein spontaner, egoistischer Auswurf von mir. Aber ich bin schon zu lange in der Realität als dass ich derartige "5 Schritte und Dir geht es Gut" Ratgeber FÜR MICH als umsetzbar sehe.
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