Anfang vom Ende?

Für alle, die ihre Lebensprobleme und Schickale mit anderen teilen möchten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Naznik
Beiträge: 15
Registriert: Samstag 10. September 2016, 23:46

Anfang vom Ende?

Beitrag von Naznik »

Huhu ihr Lieben,

ich werd dann auch mal ein wenig schreiben, wer ich bin und warum mein Weg hier her führte.

EINES VORWEG: Ich bin ein offener und sehr direkter Mensch. Und da es für manche hier vielleicht total krank oder unverständlich klingt, wie ich an die Sacher herantrete, möchte ich im Vorfeld gleich einmal davor warnen :mrgreen:

Also ich bin 40 Jahre (aber nur auf dem Ausweis :D ) und männlich.
Um schon einmal eine kommende Frage zu beantworten: Ich war 2003 ein paar Mal bei meiner Therapeutin wegen VA Depressionen. Bin dann aber nicht mehr hin und habe auch die Antidepressiva nicht weiter genommen.

Was suche ich hier? Eigentlich nichts, aber trotzdem ist es "schön" zu sehen, man steht nicht allein auf verlorenem Posten. Jeder hier hat seine Beweggründe gehabt, sich hier anzuschliessen.

Ich will mal versuchen, einen Teil hier aufzulisten:
- mit ca. 5 Jahren sexuell genötigt und begrabscht worden im Kindergarten von einer Erzieherin
- 4. - ca. 7. Lebensjahr immer wieder mitbekommen wie meine Mutter (zusammen)geschlagen wurde und auch selbst sehr viele Schläge bekommen
- mit 6 Jahren meinen geliebten Onkel (25 Jahre) verloren
- 5. - ca. 7. Lebensjahr immer wieder vom Vater geschlagen worden
- mit 6 Jahren dem Feuertod in letzter Sekunde entkommen (meine Mutter ging zum WC und entdeckte, das mein Bett bereits lichterloh brannte)
- mit 7 eine lebensgefährliche (weil zu spät entdeckt) Meningitis
- mit 8 ersten Opa verloren
- mit 11 den anderen geliebten Opa verloren
- vor dem Opa (lag mit Lungenkrebs im Endstadium in der Klinik) war mein Großonkel (selbst auch Arzt und Psychologe) bei ihm zu besuch im KH, will ais dem Zimmer gehen, kippt um und ist tot
- als ich 12 war, zog mein Vater an Heilig Abend aus
- mit 16 ein gescheiterter Suizudversuch
- von 16 - 21 Jahre kriminelle Laufbahn eingeschlagen und Schule geschmissen
- mit 16 eine sehr gute Freundin verloren (wurde erschossen (Kopfschuss))
- mit 18 haben meine Freundin und ich ein Kind verloren
- mit 20 meine Oma und meine Tante verloren
- mit 21 meine eigene kleine Familie verlassen (mein Sohn war drei und seine Mutter hat mich betrogen)
- mit 22 meinen Hund verloren
- mit 26 einen heftigen Pneumothorax erlitten
- mit 27 meine zweite eigene Familie (meine Tochter war 3 Jahre alt und auch ihre Mutter hat mich betrogen) verlassen
- mit 35 meine Mama verloren
- mit 36 musste ich mein Elternhaus verkaufen
- jetzt mit 40 Jahren und nach drei Jahren endgültige Trennung von meiner großen Liebe, die mein Leben war

Das war jetzt auch nicht alles. Aber genug, um einen kleinen Einblick zu haben :)

Und letztere hat meinen Wunsch nach der Ruhe erneut getriggert. Nicht, das er jemals ganz weg war, aber durch dieses Ereignis habe ich noch einmal alles überdacht. Ich habe wirklich 24/7 diese Gedanken im Kopf, einfach dem ganzen Mist kein Ablageplatz mehr zu geben. Es lief dann mal eine kurze Zeit gut, bis einem dann wieder etwas den Atem geraubt und den Boden unter den Füssen weggezogen hat.
Ich habe mich sehr viel mit dem Thema beschäftigt und bin mittlerweile recht tiefenentspannt. Es war mir auch wichtig, es nicht einfach spontan aus der Situation heraus zu machen.
Ich bin in der Pflege tätig und beneide Patienten, die in absehbarer Zeit "gehen" werden oder gar unheilbar krank. Warum Neid!? Vielleicht, weil bei diesen Menschen nicht so ein Hehl aus dem Wunsch nach dem Tod gemacht wird.
Ich möchte vorher noch einiges regeln/ erledigen. Ich habe die Papiere soweit fertig, weiss schon, wo ich meinen Hund lassen kann - wo er es gut haben wird. Da ich ein paar Schulden habe, habe ich alles soweit gemanaged, dass der Staat sich gern das Erbe krallen kann und die Erben von anderer Stelle begünstigt werden.
Nächste Woche kommt eine Freundin, die mir hilft, Ordnung in meine Sachen zu bringen.
Wann genau alles soweit geregelt ist, das ich endlich gehen kann, weiss ich nicht. Wird sich wohl zeigen.
Ich habe ja, wie jeder andere Mensch auch, eine eigene, psychische Belastungsgrenze, an der ich nun mittlerweile angekommen bin. Es geht ja nicht um das letzte Ereignis allein. Nein, es kocht mit jedem Erlebnis die alte "Suppe" wieder mit hoch. Und so stapelt es sich immer weiter. Die Last ist mir nun zu groß geworden. Auch in einem Abschiedsbrief, den ich jeden Tag erweitern könnte :mrgreen:, betone ich ausschliesslich aus freien Stücken zu handeln. Nicht aus Rache oder Mitleid. Nichts dergleichen. Einfach nur, weil ich für mich entschieden habe, hier ist eine Marke überschritten.

Soviel einmal von meiner Seite.

Und einmal angemerkt: Schön, dass es diese Möglichkeit hier gibt, sich frei auszutauschen und zu sehen, es gibt mehr Menschen mit ähnlicher Denkweise.

Liebe Grüsse
Peterchen
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Peterchen »

hi,

tut mir leid, was dir alles passiert ist. Sehr schlimm, dass Menschen so etwas durchmachen müssen. Und wie viele Millionen könnten solche Listen aufstellen? :|

Ich kann deinen Wunsch nachvollziehen. Vor allem, da du die Hälfte des Lebens hinter dir hast und die zweite Hälfte nicht gerade in dem Ruf steht, besser als die erste zu werden. Ich denke mir schon mit 31, dass ich keine Lust habe auf die Jahre, die noch vor mir liegen.

Wenn du's durchziehst, wünsche ich dir gutes Gelingen. Wenn nicht, ein möglichst leidfreies Weiterleben.
Thorsten3210
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Thorsten3210 »

Naznik hat geschrieben:Das war jetzt auch nicht alles. Aber genug, um einen kleinen Einblick zu haben
Wenn man Deine Horrorliste so liest wünscht man Dir schon fast eine Demenz, damit Du das alles vergisst. Erstaunlich, dass Du mit dieser Last im Gepäck noch Deiner Arbeit in der Pflege nachgehen kannst. Respekt. Ich hab mir auch schon alles bereit gelegt, Testament, Patientenverfügung, Abschiedsbrief usw.. Könnte also losgehen.
Abendstern
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Abendstern »

Thorsten3210 hat geschrieben:
Naznik hat geschrieben:Das war jetzt auch nicht alles. Aber genug, um einen kleinen Einblick zu haben
Wenn man Deine Horrorliste so liest wünscht man Dir schon fast eine Demenz, damit Du das alles vergisst. Erstaunlich, dass Du mit dieser Last im Gepäck noch Deiner Arbeit in der Pflege nachgehen kannst. Respekt. Ich hab mir auch schon alles bereit gelegt, Testament, Patientenverfügung, Abschiedsbrief usw.. Könnte also losgehen.
Demenz ist eine gute Idee... In der Tat können Traumata übrigens Auslöser für Demenz sein. Befürchte selbst, daß die Geschehnisse in meinem Leben einen Impuls in diese Richtung gegeben haben... Zunächst mußte ich mich zwingen, zu "vergessen" - oder zumindest, nicht daran zu denken... Eine sehr anstrengende Übung... Und mit der Zeit vergaß ich auch vieles andere... Oder vielmehr sogar das andere, während der Schmerz doch leider bleibt...
Abendstern
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Abendstern »

Peterchen hat geschrieben:Sehr schlimm, dass Menschen so etwas durchmachen müssen. Und wie viele Millionen könnten solche Listen aufstellen? :|
Wie wahr... Als ich die Liste las, überlegte ich, ob es ein guter Vorschlag wäre, einen "Listen-Thread" zu eröffnen. Man könnte manche Schicksale besser nachvollziehen, die man in der allgemeinen Kommunikation hier sonst nur erahnen kann... Aber leider ist eine solche Liste ja auch etwas sehr Persönliches, mit dem man durchaus Gefahr läuft, seine Identität preiszugeben... Also vielleicht doch keine so gute Idee. Schade eigentlich.
Thorsten3210
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Thorsten3210 »

Abendstern hat geschrieben:Zunächst mußte ich mich zwingen, zu "vergessen" - oder zumindest, nicht daran zu denken... Eine sehr anstrengende Übung
Das ist in der Tat nicht leicht. Man sieht es ja an der großen Zahl der Junkies oder Alkoholiker, die durch ihre Drogen bzw. Sucht einfach nur vergessen wollen, was ihnen übles im Leben widerfahren ist. Nur ist meine Erfahrung, wenn man mit aller Gewalt nicht an etwas denken will, denkt man gerade besonders stark daran. Vielleicht kann man das gezielte Vergessen ja durch irgendwelche Techniken üben bzw. erlernen ? Da kenne ich mich nicht mit aus, schön wärs ja, ich hätte da einiges im Leben, das ich am liebsten vergessen würde.
In der Tat können Traumata übrigens Auslöser für Demenz sein
Ich hatte auch gelesen, dass Demenz durch psychische Faktoren ausgelöst wird. Ein argentinisches Forscherteam hat Hinweise auf einen möglichen Krankheitsauslöser gefunden: Stress, also belastende Lebensereignisse. Hier die Einzelheiten:

http://www.alzheimerinfo.de/aktuelles/m ... hoerige_3/
Zuletzt geändert von Thorsten3210 am Donnerstag 15. September 2016, 15:45, insgesamt 1-mal geändert.
Abendstern
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Abendstern »

Naznik hat geschrieben: Ich bin in der Pflege tätig und beneide Patienten, die in absehbarer Zeit "gehen" werden oder gar unheilbar krank. Warum Neid!? Vielleicht, weil bei diesen Menschen nicht so ein Hehl aus dem Wunsch nach dem Tod gemacht wird.
Ja ja, dieser Todesneid... Den kenne ich auch... Und auch andere hier scheinen mit diesem Phänomen vertraut zu sein... Wen wundert es ;-)
Thorsten3210
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Thorsten3210 »

Abendstern hat geschrieben:...überlegte ich, ob es ein guter Vorschlag wäre, einen "Listen-Thread" zu eröffnen...
In vielen Foren gibt es eine Rubrik, wo sich jeder vorstellen kann, da kann man dann von sich preisgeben, was man möchte, z.B. Alter, Beruf, Kinder, Familienstand, Lebenssituation. Gute Sache.
Abendstern
Beiträge: 621
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Abendstern »

Thorsten3210 hat geschrieben:
Abendstern hat geschrieben:Zunächst mußte ich mich zwingen, zu "vergessen" - oder zumindest, nicht daran zu denken... Eine sehr anstrengende Übung
Das ist in der Tat nicht leicht. Man sieht es ja an der großen Zahl der Junkies oder Alkoholiker, die durch ihre Drogen bzw. Sucht einfach nur vergessen wollen, was ihnen übles im Leben widerfahren ist. Nur ist meine Erfahrung, wenn man mit aller Gewalt nicht an etwas denken will, denkt man gerade besonders stark daran. Vielleicht kann man das gezielte Vergessen ja durch irgendwelche Techniken üben bzw. erlernen ? Da kenne ich mich nicht mit aus, schön wärs ja, ich hätte da einiges im Leben, das ich am liebsten vergessen würde.
Ja, auch das kenne ich... Daß man erst recht daran denkt, wenn man gezielt versucht, es nicht zu tun... Ich weiß nur, ich hätte nicht anders überlebt, wenn ich es nicht zumindest phasenweise geschafft hätte, dieses Karussell des Grauens in meinem Kopf auszuschalten... Leider kann ich auch gar keine Technik dafür verraten. Ich kann mich nur noch vage erinnern, daß dies mit enomer Willenskraft und Konzentration verbunden war... Und den Rest der Zeit habe ich ohnehin zumeist nach Pentobarbital gegooglet... EMDR soll ja ansonsten eine recht erfolgreiche Technik sein. Andere haben mit Hypnose Erfolg. Leider war dies für mich aber wohl nicht das Richtige.
Zuletzt geändert von Abendstern am Donnerstag 15. September 2016, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.
Abendstern
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Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Abendstern »

Thorsten3210 hat geschrieben:
Ich hatte auch gelesen, dass Demenz durch psychische Faktoren ausgelöst wird. Ein argentinisches Forscherteam hat Hinweise auf einen möglichen Krankheitsauslöser gefunden: Stress, also belastende Lebensereignisse. Hier die Einzelheiten:

http://www.alzheimerinfo.de/aktuelles/m ... hoerige_3/
Danke für den interessanten Artikel. "Das Gedächtnis des Körpers" von Joachim Bauer ist ebenfalls ein aufschlußreiches Buch zum Thema.
Rasiel
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Registriert: Freitag 26. November 2010, 14:23

Re: Anfang vom Ende?

Beitrag von Rasiel »

Warum möchtest du in die Biografie deiner Tochter deinen Suizid einbringen, auch sie muss das dann verarbeiten.
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