Das Schicksal ist ein mieser Verräter - Meine Geschichte

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cornichon
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Registriert: Freitag 25. März 2016, 14:11

Das Schicksal ist ein mieser Verräter - Meine Geschichte

Beitrag von cornichon »

Hallo ihr Lieben,

ich bin schon länger auf der Suche nach einem Forum, wo man Gedanken an unzulässiges Wort sowie Methodendiskussionen etc. nicht pauschal verurteilt und nur mit dem üblichen "ein Gang zum Psychologen" abgespeist wird. Deshalb bin ich froh, auf euch gestoßen zu sein, ich habe das Gefühl hier könnte mich jemand verstehen. Ich bin weiblich, 20 Jahre alt und lebe in Deutschland.

Ich war eigentlich nie jemand, der einen Hang zu depressiven Verstimmungen oder so was hatte, ich möchte behaupten, dass ich Dinge in meinem Leben ertragen habe, an denen andere vielleicht verzweifelt wären und trotzdem bin ich eigentlich immer ein positiv eingestellter Mensch gewesen.

Wenn ich früher von Menschen gehört habe, die sich umbringen wollten, da dachte ich immer, dass ich das nie tun würde und das es immer eine Alternative gibt. Dies war alles der Fall, bis sich mein Leben vor 2 Jahren schlagartig verändert hat. Vorab: Ich leide an einer Krankheit, namens "Vestibulitis vulvae". Ich werde diese Krankheit jetzt nicht genau erläutern, wer interessiert ist, kann ein bisschen googeln, es gibt einige Informationen, vor allem im englischsprachigen Raum.

Der entscheidende Punkt bei dieser Krankheit : Man hat Schmerzen im Intimbereich. Das heißt natürlich sowohl beim Geschlechtsverkehr, als auch (bei schweren Formen, wie meiner) beim Sitzen, Gehen, Stehen also eigentlich rund um die Uhr. Diese Krankheit ist vor allem im europäischen Raum noch sehr unbekannt, weshalb es auch einen Mangel an praktizierenden Ärzten gibt (momentan 2 in Deutschland).

In Amerika ist man schon etwas weiter, wirklich bekannt ist die Krankheit dort aber auch noch nicht, vor allem in normalen gynäkologischen Praxen wird man oft mit einer Überweisung zum Psycho-Doc nach Hause geschickt, da die Vestibulitis durch überempfindliche Nervenenden ausgelößt wird, also es ist mit bloßem Auge nichts zu erkennen, erst bei einer Biopsie zeigen sich die chronisch entzündlichen Prozesse.

Die Therapie die momentan angewandt wird, ist eine Operation, bei der das betroffene Gewebe entfernt und mit gesunder Haut überzogen wird. Diese Op habe ich letztes Jahr bei einem der beiden Ärzte, die in Deutschland operieren, durchführen lassen. Die Op hat eine sehr hohe Erfolgsquote, ich bin auch in einem Selbsthilfeforum speziell für diese Krankheit für den deutschsprachigen Raum und viele haben sich bei meinem Arzt operieren lassen und waren danach schmerzfrei.

Nach meiner ersten Op (Frühling 2015) war ich auch wirklich begeistert, denn meine Schmerzen waren echt weg, außer einer sehr kleinen Narbenstelle, die noch weh getan hat, aber auch davon hatte ich gehört, dass das im Intimbereich leicht passieren kann und dass man eine kleine Narbenkorrektur machen könne. Ich habe auch das wieder im Selbsthilfeforum gepostet und viele Frauen mussten auch noch eine kleine Korrektur machen lassen und danach war dann alles prima. Ich war so voller Hoffnung, endlich schmerzfrei zu werden, aber dann passierte eine Katastrophe. Nach der zweiten Op entzündeten sich alle meine Nähte, ich habe mir diese dann ziehen lassen und nun ist der Schmerz fast schlimmer als vor meiner ersten Op.

Ich hatte diese Krankheit schon immer, hatte beim Gv immer Schmerzen, aber eben auszuhalten. Vor 2 Jahren ist die Krankheit dann aber richtig ausgebrochen, vor allem weil meine Haut immer wieder durch irgendwelche Pilzmittel, Antibiotika etc. die mir von unwissenden Ärzten verschrieben wurden, total beschädigt wurde und von da an konnte ich keinen Gv mehr haben, hatte rund um die Uhr Schmerzen, die mich auch in meiner Bewegungsfreiheit einschränkten.

Wenn ich mal 4-5 Stunden draußen unterwegs war, wollte ich einfach nur nach Hause, weil alles brannte. Bei diesem Zustand bin ich nun auch wieder, nur eben dass diesmal der Narbenschmerz Auslöser ist. Meine Beziehung belastet das ganze enorm, mein Freund ist zwar toll und lieb und verständnisvoll, aber wer möchte so eine "abstinente" Beziehung schon für immer ? Zudem habe ich auch im Alltag solche Schmerzen, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin. Ich habe mich jetzt noch mal mit meinem Arzt in Verbindung gesetzt und er meinte, dass ich vielleicht noch mal operiert werden könnte, wenn dann aber erst Ende diesen Jahres, um zu sehen, ob sich doch noch etwas tut und es eventuell noch besser wird.

Ich bin jetzt schon sehr depressiv wegen dem ganzen, einfach die Mischung aus dem ständigen Schmerz, dazu der Fakt das man mit niemandem so wirklich darüber reden kann, von Ärzten meist nicht ernst genommen wird etc. Dazu die Probleme hinsichtlich Zukunft, Beziehung, Familienplanung, was bei mir alles nicht möglich sein wird, wenn mein Zustand nun so bleibt. Ich werde denke ich eine erneute Op wagen, da es einfach der letzte Ausweg ist, die Op ist der letzte Schritt der Behandlung dieser Krankheit (habe davor auch schon einiger ausprobiert). Ich denke, falls meine Schmerzen sich nicht verbessern, würde ich mich schon am liebsten umbringen, denn was ich dann vor mir habe, wäre ein Leben mit täglichen Schmerzen und vor allem Einsamkeit, da die Krankheit ja auch die Beziehung beeinträchtigt.

Allerdings schrecke ich auch gleich immer wieder vor dem Gedanken zurück, da ich eine tolle Familie habe und ich weiß, dass vor allem meine Mutter daran absolut zerbrechen würde.. Daher weiß ich nicht was ich tun soll, fühle mich einfach hoffnungslos und sooo alleine auf dieser Welt. Ich hab zwar den Austausch mit anderen Betroffenen, aber viele sind durch die Op schmerzfrei geworden und das Thema Suizid kam bis jetzt noch nie zur Sprache.. Deswegen dachte ich, ich teile meine Geschichte hier, wo wahrscheinlich viele andere mit chronischen, schmerzhaften Krankheiten unterwegs sind. Vielleicht mag der ein oder andere meine Geschichte lesen (Entschuldigung, dass der Text nun so lang geworden ist, ich wollte aber nichts wichtiges aussparen).

Ich würde mich freuen, wenn sich andere mit chronischen Schmerzen und daraus folgenden Depressionen / Suizidgedanken melden würden, einfach nur zum Austausch.

Liebe Grüße,
eure Cornichon
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Das Schicksal ist ein mieser Verräter - Meine Geschichte

Beitrag von Thorsten3210 »

Ich kann das gut verstehen, dass Dir diese Dauerschmerzen das Leben zur Hölle machen. Hast Du (symptomatisch) schon was gegen diese permanenten Schmerzen unternommen ? Ich denke da an eine Schmerztherapie bei einem ausgebildeten ärztl. Schmerztherapeuten. Es gibt auch Schmerzkliniken. Diese Möglichkeit bleibt Dir immer, wenn man die Krankheit ursächlich schon schlecht in den Griff bekommt.

Ich habe seit über 30 Jahren mit starken neuropathischen (=von erkrankten Nerven selbst ausgehenden) und nozizeptiven Schmerzen zu tun, und ich kann Dir sagen, man kann den Schmerz in den meisten Fällen zumindest auf ein erträgliches Maß runterdämpfen. Das sagen auch die Schmerztherapeuten. Oft mit starken, retardierten Opioiden (z.B. Morphin, Oxygesic). Parallel dazu kannst Du ja weiter versuchen, die Sache ursächlich anzugehen (sprich: weitere OP). Auch recht hilfreich sind sog. Schmerzbewältigungstechniken, die man lernen und einüben kann, damit kann man dann zumindest mental mit den Dauerschmerzen besser umgehen.

Du glaubst nicht, wie oft ich in meinem Leben gedacht habe, jetzt reichts, ich halte die Schmerzen nicht mehr aus, ich mache Schluss. Ich fand keinen Schlaf mehr, die Schmerzen quälten zu sehr, nachts lief ich dann verzweifelt durch die Gegend. Ein Alptraum. Mit den richtigen (!) Medikamenten wurde es besser, auch der so wichtge Schlaf kam zurück (wenn der nicht klappt, nimmt man die Schmerzen verstärkt wahr). Die Medikamente lindern die Schmerzen bei mir 30-50%, aber das reicht, um zumindest ein erträgliches Überleben zu ermöglichen. Kleiner Trick noch: Jeden Tag einzeln sehen, nur HEUTE zählt.

Kopf hoch!
Thorsten
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