Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Für alle, die ihre Lebensprobleme und Schickale mit anderen teilen möchten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Freundin
Beiträge: 1
Registriert: Sonntag 14. Dezember 2014, 14:11

Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von Freundin »

Guten Tag Herr Minelli, guten Tag an die Leser dieses Berichtes.

In der vergangenen Woche habe ich eine Freundin bei Ihrem Wunsch auf den Freitod in den Räumen von Dignitas begleiten dürfen.

Über die vorangegangenen Verhandlungen kann ich wenig sagen, habe aber von der Freundin gehört, dass sie sehr professionell und korrekt gleichzeitig sehr freundlich und menschlich waren.

Wir wurden in den sehr schönen und gepflegten Räumen von Dignitas von einer Dame freundlich und herzlich in Empfang genommen und in das Besprechungszimmer gebeten. Auf dem Besprechungstisch stand ein brennendes Teelicht, eine Schale mit Schokoladentäfelchen und wir konnten erst mal mit Keksen und Sprudel das flaue Gefühl im Magen beruhigen. Schließlich hatten wir eine längere Fahrt hinter uns.

Eine weitere, ebenfalls sehr nette Dame kam hinzu und es fand ein einleitendes Gespräch statt. Die Atmosphäre war angenehm, ruhig und sehr vertrauensvoll. Alle Erklärungen waren verständlich, Fragen wurden ausführlich und sehr einfühlsam beantwortet.
Die Formalitäten, die natürlicherweise gemacht werden müssen, wurden ebenfalls zunächst erklärt und abgewickelt.
Die Freundin bekam ein Getränk mit Magentropfen, was wohl ohne Geschmack war. Danach ließ man uns noch alleine, um gemeinsam in den Räumen anzukommen, mit dem Hinweis, wenn die Freundin so weit wäre,
sollten wir im Nebenzimmer klopfen und Bescheid geben.

Diese Zeit war gut für einen letzten Austausch. Als die Freundin dann soweit war, klopfte ich und die Damen erschienen im Raum. Musik lief im Hintergrund, es war eine von meiner Freundin mitgebrachte CD. Sie durfte sich selbst aussuchen, ob sie sich hinsetzen oder hinlegen möchte und entschied sich ins Bett zu sitzen, schön gehalten von einem großen Kissen, eine Decke auf den Beinen. Dann reichte ihr eine der Damen den Becher mit dem Mittel. Sie trank es auf drei Schlucke aus und bekam noch etwas Wasser nachgereicht.

Beide Damen verabschiedeten sich von ihr mit sehr lieben Worten und Gesten und traten zwei Schritte weg. Ich konnte mich an das Bett zu ihr setzen und ihr die Hand halten. Sie war glücklich, bedankte sich für die Begleitung und innerhalb von gefühlten 2 Minuten schlossen sich ihre Augen. Der Vergleich mit einem müden Kind, dem man beim einschlafen zusehen kann, trifft das Bild glaube ich sehr gut. Sie hielt meine Hand fest und den Zeitraum bis sie aufhörte zu atmen kann ich nur schätzen - etwa 30 Min.

Ganz still ohne zu seufzen ging sie.

Ich weiß, dass es in diesem Zusammenhang vielleicht befremdlich klingt, aber es war wunderschön. Es war ein tiefer Frieden in diesen Momenten zu spüren.

Die Damen, die hinter mir saßen oder standen, ließen mich mit meiner Freundin danach für 1 - 2 Stunden (gefühlte Zeit) alleine und ich bin sehr dankbar für diese Zeit. Danach mußte ich den Raum verlassen, weil die Behörden ihre Arbeit machen mußten und anschließend der Bestatter die Freundin in den Sarg bettete. Bislang hatte ich immer die Vorstellung dass Bestatter harte Menschen wären, doch auch dieses Vorurteil muss ich revidieren. Es war ein sehr behutsamer Umgang, sehr leise, sehr sorgsam, den ich am Rande beobachten konnte.

Ich habe meiner Freundin versprochen, 1 Nacht Totenwache zu halten und das tat ich auch und bekam jede Unterstützung von den Mitarbeiterinnen von Dignitas. Es war eine sehr intensive aber auch sehr schöne Nacht.

Zusammenfassend möchte ich mich bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für ihre Arbeit bedanken und besonders bei den beiden Damen die meine Freundin und irgendwie auch mich begleitet haben. Es war ein ganz besonderes Erlebnis, das ich nicht missen möchte.

Ein solch friedlicher Tod sollte jedem Menschen möglich sein und es ist schade, dass man dazu in die Schweiz reisen muss. Dennoch ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihr Engagement.
Deadly Snowflake

Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von Deadly Snowflake »

So wie man es aus Dokus kennt...und wie es sein sollte. Mich erstaunt dennoch die relativ lange Zeitspanne die im Einzelfall bis zum Eintreten des Todes vergeht (auch wenn hier nur geschätzt).
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
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Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von Thorsten3210 »

Danke für den Bericht. Ich kann nur sagen, so einen würdevollen Tod wünscht man jedem Menschen.
eleken
Beiträge: 3
Registriert: Sonntag 14. September 2014, 13:28

Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von eleken »

Wenn man sich überlegt, auf welchem Niveau sich "Unsereiner" herumschlägt, dann ist das schon erstaunlich, wie harmonisch das abgewickelt werden kann. Der Weg dorthin ist nur ebenso sehr lang und nicht einfach.

Danke für den Bericht!
Misan-troph
Beiträge: 25
Registriert: Freitag 5. Dezember 2014, 12:12

Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von Misan-troph »

Als langjähriges Mitglied des Dignitas Vereins danke ich dir für den Beistand und den Bericht in den schwierigen Stunden. Vielen Dank das du es hier erzählt hast.
leblos
Beiträge: 22
Registriert: Donnerstag 26. Januar 2012, 04:04

Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von leblos »

Ein würdevoller Tod, danke für den Bericht.

Wenn ich meine Situation betrachte ,dann muss ich heulen!!!
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von Thorsten3210 »

leblos hat geschrieben:Wenn ich meine Situation betrachte ,dann muss ich heulen!!!
Ja, es ist schade, dass ein so würdevoller Tod nur sehr wenigen Menschen vorbehalten bleibt. Denn Dignitas hat ja nun mal sehr strenge Regeln, die zu erfüllen die wenigsten schaffen. Die meisten werden nach wie vor in unpersönlichen, sterilen Krankenhäusern oder Pflegeheimen sterben, da ist es um Würde nicht immer gut bestellt (Auch wenn in Kliniken oft ein "sanfter Tod" praktiziert wird durch entsprechende Hochdosierung von Morphium und Benzodiazepinen, also indirekte Sterbehilfe). Indirekte (und passive) Sterbehilfe ist ja legal.
And
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Re: Freitodbegleitung von Dignitas Erfahrungsbericht

Beitrag von And »

hallo Freundin,

dank für deine schilderung! darf ich dich fragen, wie deine freundin im vorfeld mit der situation umgehen konnte? ich frage, weil ich trotz jahrzentelanger qualen & "grünem licht" bei einem anderen verein ´nen riesen schiss habe - auch oder v.a. vor den wochen des wartens zwischen terminabsprache & der begleitung.

LG, And
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