Ich hab keine Kraft mehr

Für alle, die ihre Lebensprobleme und Schickale mit anderen teilen möchten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Nocturno
Beiträge: 2
Registriert: Mittwoch 7. Mai 2014, 09:58

Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von Nocturno »

guten morgen liebe gemeinde..

um ein wenig zu verstehen wie es mir geht, muss ich ein wenig ausholen.. man möge mir verzeihen.

Ich bin ein 50ig jähriger man. hatte bis vor kurzem eine lebenspartnerin. die beziehung endete am 02. mai dieses jahres.

nun zur schilderung:

vor 4 jahren hatte ich die diagnose darmkrebs erhalten.. was da in einem vorgeht, muss ich hier nicht schildern, dass wissen die meisten ja auch,
was man mit einer diagnose krebs durchmacht. nun meine lebenspartnerin stand mir zur seite und gab mir in dieser zeit sehr viel kraft.
im dezember letzten jahres dann wieder di diagnose krebs.. wieder darm... , prostata etc. pp... metastasen etc. und jetzt der hammer... wir haben damals darüber geredet, habe ihr erzählt, dass bei mir der ganze unzulässiges Wort wieder von vorne losgeht..
"keine sorge.. wir packen dass, das stehen wir gemeinsam durch" waren ihre worte... die mir soviel bedeuteten.. ich wollte kämpfen.. kämpfen in erster linie
für sie, für uns, für all das was wir uns aufgebaut hatten, für unsere zwei hunde und zwei katzen.. ich wollte kämpfen.. durchstehen, überstehen..

am 05.mai.. auf einmal.. ich will die trennung.., will das du ausziehst .... diese worte trafen mich schlimmer als der ganze (...) mit dem krebs..
fallen lassen, im stich lassen... verraten.. verkauft... beiseite gestellt... unbedeutend... etc. pp

nochmals der hammer ... einen tag später sagte sie mir, die hätte nach dem 03. mai sagte sie mir so ganz nebenbei, sie hätte jemanden kennen gelernt..
und seit da bin ich luft.. nur noch luft für sie..

kleines beispiel: der knilch ruft sie an, er habe seit einer woche eine zecke im rücken und schlechte laune deswegen.. sie springt.. hubs schwups und rennt zu ihm..
ich könnt kotzen... ich hab krebs und der macht so einen aufstand wegen nem spinnengetier dass er wenn er zum arzt gegangen wär , wohl durchaus ohne lebensbedrohliche situation
überlebt hätte.. mann oh mann... verkehrte welt.

so das ist in etwa meine geschichte..

zu meiner sitation heute.. hab alles verloren... sie hat mir alles genommen.. meine selbstachtung.. mein selbstwertgefühl.. meinen lebenwillen.. lässt mich allein, komplett allein mit meinen
sorgen und ängsten.. mit den tägliche auf uns abs.. einfach allein.. komplett allein. ich mag nicht mehr.. habe keine kraft.. bin so tief am boden.. ich will auch nicht mehr..
ich hab keinen bock mehr mich mit meiner krankheit auseinander zu setzten, keine kraft das alles allein durchzustehen , mich noch um andere dinge zu kümmern..

man sagt wohl lebensmüde ... es wird auch nichts bringen... ob psychiater (denen vertrau, glaub ich eh nix und die haben selber alle nen knax ne, nicht meine welt. alles ist einfach weg.. von heut auf morgen.. alles..
in einer zeit wo der partner das wichtigste ist, wo man zusammenstehen und dem anderen beiseite stehen sollte, kriegt man dermassen eins auf den deckel, dass einfach nichts mehr geht..

tja.. und nun bin ich soweit, dass ich das ende herbei sehne ... einfach nur noch schlafen ... einfach nicht mehr müssen was nicht mehr geht ... einfach nicht mehr sein.
danke fürs zuhören ... hoffe habe niemanden vor den kopf gestossen. und bitte.. kommt nicht mit ratschlägen.. wie, das leben geht weiter.. du findest wieder jemanden an deiner seite... , du wirst es schaffen, nimm dir professionelle hilfe etc. das nützt alles nix wenn die kraft, der wille nicht mehr vorahnden ist und wenn einfach wirklich alles, alles nicht mehr vorhanden ist und man ALLEIN damit klar kommen muss.

Danke
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von Thorsten3210 »

Das alles muss schrecklich für Dich sein. Leider gibt es bei Partnerschaften nun mal keine Garantien. Und Mitleid wäre auch keine gute Basis, um zusammenzubleiben, das weisst Du ja selber. Und letztlich muss jeder seine Krankheit, die Schmerzen und alles doch alleine aushalten. Hast Du vielleicht einen guten Freund oder einen Verwandten, dem Du Dich anvertrauen kannst und dem Du 100% vertraust ? Das wäre ungemein wichtig, damit Du bei der anstrengenden Krebs-Therapie nicht ganz alleine bist. Dass Du keinen Bock auf Psychologen hast, kann ich gut verstehen, hätte ich vermutlich auch nicht. Umso wichtiger sind gute private Ansprechpartner, mit denen Du jederzeit (!) reden kannst, besonders wenns Dir ganz schlecht geht. Und denk dran, umbringen kannst Du Dich immer noch, das läuft Dir nicht weg. Versuch aber erst noch zu kämpfen und bündle alle verbliebenen Kräfte, damit Du den verdammten Krebs in Schach hältst und vielleicht sogar besiegst, das ist schwer genug.
Nocturno
Beiträge: 2
Registriert: Mittwoch 7. Mai 2014, 09:58

Re: Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von Nocturno »

Lieber Thorsten3210

Danke für deine Zeilen..
Leider hab ich keine Ansprechpartner.. Die ich hatte sind die die ich durch sie kenne.. also von daher.. auch diese sind weg.. Ich steh komplett alleine in weiter flur.
Völlig allein...
Ich schaff das allein nicht..
War noch nie so einsam in meinem Leben...

Gruss Mischa
berlinichbins
Beiträge: 218
Registriert: Dienstag 25. September 2012, 11:37

Re: Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von berlinichbins »

hi mischa,

vielleicht hilft es dir, dieses forum zu nutzen und dich mitzuteilen, wenn du sonst privat keinen Ansprechpartner hast. ich denke, das geht hier vielen so. Einsamkeit kenne ich gut.
magst du Tiere?
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von Thanatos »

Lieber Nocturno,
es kann durchaus gelingen, sich mit dem Alleinsein zu arrangieren, wenn gewisse Leute partout nichts mehr von einem wissen wollen – oder wenn man selbst nichts mehr von gewissen oder generell von Leuten wissen will. Das ist zwar nicht leicht, sondern manchmal ein sehr langer Weg, aber es kann klappen.
Inzwischen kannst du dieses Forum nutzen, um dich hier mit Gleichgesinnten auszutauschen, wie berlinichbins schon anmerkte. Übrigens gibt es auch Krebsforen, wie ich gerade feststellte. Vielleicht findest du auch dort Ansprechpartner.
Alles Gute,
wünscht dir Thanatos
BlueSky01
Beiträge: 74
Registriert: Sonntag 26. Mai 2013, 22:45

Re: Ich hab keine Kraft mehr

Beitrag von BlueSky01 »

Lieber Nocturno,

ich kann Dich sehr gut verstehen. Nichts ist schlimmer als in einer ohnehin schon verzweifelten Situation auch noch verlassen zu werden und dabei zudem alles zu verlieren, das man gemeinsam aufgebaut hat. Mir ergeht es da sehr, sehr ähnlich.

Und zwar mag Thorsten durchaus Recht haben, wenn er sagt, daß Mitleid keine guten Basis für ein Zusammenbleiben ist, aber echte Liebe ergießt sich nun einmal am Ende nicht nur in ein Rinnsal aus Mitleid oder vielleicht sogar in weniger als das. Darum geht es doch. Es geht nicht um Mitleid, es geht um Liebe. Liebe, die in guten wie in schlechten Zeiten Gültigkeit besitzt. Aber in einer Gesellschaft, die Selbstverwirklichung und persönliche Spaßmaximierung als einzig erstrebenswertes Lebensziel definiert, scheint ein derartiges Selbstverständnis oder Versprechen immer mehr zur Makulatur zu avancieren.

Jede Krankheit und jeder Schmerz läßt sich mit Liebe noch immer besser aushalten als allein; und ich wage zu behaupten, daß manche Krankheit sogar schon durch die Kraft der Liebe geheilt oder zumindest gelindert wurde. Nicht umsonst kann man in der Tat auch an gebrochenem Herzen sterben - ganz abgesehen davon, was ein Mangel an Liebe bei Kindern verursacht. Wie ich immer sage: Wir sind nun einmal eine Spezies, die sich durch ihren Sozialzusammenhalt so erfolgreich entwickelt hat und keine Amphibien, die Tausende von Eiern legen und es zum Konzept gehört, daß nun einmal 99 Prozent davon Pech haben werden. Mal rein biologisch gesehen.

Noch dazu kommt, daß man neben dem eigentlichen Problem in einer solchen Situation allein zumeist auch mit den Anforderungen des Alltags überfordert ist; Bürokratiewahn, mangelndes Entgegenkommen von Versicherungen sowie finanzielle Sorgen… Alles Dinge, die sich mit persönlicher Unterstützung und einem liebevollen Drücker doch erheblich besser überwinden lassen…

Diese Zeilen beinhalten leider keinen konstruktiven Rat, aber ich hoffe, daß Dir das Verständnis für Deine Situation vielleicht dennoch ein wenig Trost ist.
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