Suizid junger Menschen

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Anonymous

Suizid junger Menschen

Beitrag von Anonymous »

Leider ist es für junge Menschen fast unmöglich, einen begleiteten Suizid zu erhalten. Egal ob gesund oder krank, jungen Menschen ab 18 sollte der begleitete Suizid ermöglicht werden. Warum soll jemand zum Leben gezwungen werden, wenn dieser keinen Sinn im weiteren Leben sieht ?

Vielleicht findet sich bei einem physisch kranken jungen Menschen ein Arzt, der die erforderliche Menge Pentobarbital verschreibt, aber bei einem jungen psychisch kranken Menschen ist die Wahrscheinlichkeit gleich Null.

Bei einem gesunden Menschen in jungen Jahren geht es gar nicht.

Wir junge Menschen sind weiterhin darauf angewiesen, den Suizid alleine und mit einem hohen Risiko durchzuführen. Dies ist in meinen Augen ein unhaltbarer Zustand und bedarf der Änderung.
Ludwig A. Minelli
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Beitrag von Ludwig A. Minelli »

DIGNITAS ist zwar der Meinung, es sei das Recht jedes urteilsfähigen Menschen, einen sicheren, schmerz- und risikolosen Suizid machen zu können. Das heisst: Wir bejahen die Möglichkeit des Suizids für den Menschen, um sich einer unerträglichen und unausweichlichen Situation entziehen zu können.

Doch wer sich in einer solchen Situation fühlt, ist selten befähigt, seine Lage objektiv richtig einzuschätzen.

Also sollte man nicht auf Grosse Reise gehen, ohne das "Reisebüro" konsultiert zu haben. Und man geht auch nicht auf Grosse Reise, ohne sich von seinen Angehörigen und Freunden verabschiedet zu haben.

Das bedeutet im Klartext: Wer für sich einen Suizid plant, sollte die Möglichkeit haben, mit anderen Menschen angstfrei über diese Idee reden zu können. Schliesslich hat uns ja die Evolution die Sprache geschenkt, mit der wir mit Anderen Gedanken austauschen können.

Da aber Suizid noch immer als schweres Tabu gilt, haben viele Menschen Mühe, über eine solche Idee mit anderen zu reden, und Andere haben Mühe, mit jemandem, der suizidal geworden ist, über eine solche Frage zu reden. Das führt zusätzlich zu einer gegenseitigen Sprachlosigkeit.

Wer reden möchte, hat auch Angst: Er könnte das Gesicht verlieren. Oder man könnte ihn in die Psychiatrie einweisen, und so würde er die Freiheit verlieren. Diese Angst, so meint DIGNITAS, sollte beseitigt werden.

Es gehört im übrigen zu den normalen Entwicklungen junger Menschen, dass sie während des Heranwachsens immer mal wieder in Lebenskrisen geraten: Probleme mit der Schule, mit Berufswahl, mit Eltern, mit Freundinnen oder Freunden sind oft Auslöser. Meist sieht die Welt dann sehr dunkel aus, und wenn man sich vorstellt, man wäre tot, wäre man das Problem los.

In dieser Lage wäre es eben wichtig, mit anderen reden zu können. Mit DIGNITAS kann man darüber reden. Ohne Angst, ohne Gefahr. Weil man von DIGNITAS weiss, dass zum Suizid geholfen werden kann, wenn sich ein solcher Tod tatsächlich rechtfertigen lässt. Dazu gehört aber eben, dass wir die Frage gemeinsam sorgfältig prüfen und nie vorschnell handeln.

Vorschnell sollte kein Suizid durchgeführt werden. Und vor allem sollte man nicht einen Suizidversuch unternehmen, um auf diese Weise "um Hilfe zu rufen": Manch nicht ernst gemeinter Versuch führte schon entgegen der wirklichen Absicht zum Tode, doch die meisten Versuche sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie in der Regel scheitern, oft aber schwere körperliche Schädigungen herbeiführen. Diese machen dann das Weiterleben zusätzlich schwierig. Die Schweizer Bundesregierung hat einmal dem Parlament gesagt, auf einen gelungenen Suizid müsse man mit 49 gescheiterten Versuchen rechnen. Eine so unfaire Lotterie sollte man beiseite lassen.

ACHTUNG INSBESONDERE AUCH: es gibt heutzutage auf dem Markt keine Schlaftabletten oder andere Medikamente, mit welchen ein sicherer Suizid gemacht werden kann. In Überdosis führen Medikamente aber wieder zu körperlichen Schädigungen, so etwa der Nieren oder der Leber.
Leider liest und hört man immer wieder in Medien, es habe sich jemand das Leben mit einer Überdosis von Medikamenten genommen.

Meist sind solche Meldungen falsch; die Medienschaffenden von Heute wissen es nicht besser und sind sich oft ihrer Verantwortung für derartige Meldungen nicht bewusst.
Anonymous

Fazit

Beitrag von Anonymous »

Fazit : Jungen Menschen in Lebenskrisen kann kein begleiteter Suizid in Aussicht gestellt werden. Diejenigen, die keine Lust am Leben oder auf weitere Lebenskrisen haben, sind weiterhin auf einen einsamen, riskanten Suizid angewiesen.

Eine in meinen Augen furchtbare Tatsache.
misantroph
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Re: Fazit

Beitrag von misantroph »

coloniasummer hat geschrieben:Fazit : Jungen Menschen in Lebenskrisen kann kein begleiteter Suizid in Aussicht gestellt werden. Diejenigen, die keine Lust am Leben oder auf weitere Lebenskrisen haben, sind weiterhin auf einen einsamen, riskanten Suizid angewiesen.
hast du den vorherigen beitrag gelesen? so wie ich das verstehe hast du schon eine aussicht auf einen begleiteten suizid. setzt dich mit dignitas zusammen und besprich deine probleme! wenn du dann nach sechs monaten immer noch der meinung bist, es wäre besser ein ende zu machen, dann stehen deine chancen gut (vorrausgesetzt du kannst das ganze bezahlen).

hier möchte ich dann gleich mal meinen fall schildern, weil er hier wohl recht gut rein passt und ich wissen möchte wie dignitas dazu steht. ich bin 24 und sitze seit fast sieben jahren vom hals ab gelähmt im rollstuhl. am anfang war ich noch ziemlich zuversichtlich, dass ich damit klar kommen würde, aber mitlerweile ist mir meine abhängikeit, mein gepflegt-werden und meine absolute unspontanietät so zuwider, dass ich für mich selber und alle die mich leben sehen wollen nur noch hass empfinde. es vergeht kaum ein tag, an dem ich mir nicht zig mal wünsche tot zu sein.

auch wenn sich meine eltern sehr liebevoll um mich kümmern, merke ich doch, dass ihnen die arbeit, die ich ihnen mit meiner pflegestufe 3 (deutsches gesundheitssystem) mache, sehr an die substanz geht. wenn sie dann mal wohlverdienten urlaub machen, werde ich ins altersheim "abgeschoben", was auch nicht gerade zu meinem selbstwert beiträgt. ich könnte hier noch unendlich dinge anfügen, z.b. dass ich kaum noch freunde geschweige denn eine freundin habe oder, dass ich am pc (meinem einzig denkbaren arbeitsmittel) üble rückenschmerzen bekomme, aber mich interessiert primär wie dignitas zu meinem fall steht, und ob es für mich überhaupt eine möglichkeit gibt in die schweiz zu kommen, da meine eltern mich wohl kaum fahren werden.

grüße
rudi
Ludwig A. Minelli
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Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Die Lage, in welcher Misantroph leben muss, ist DIGNITAS bestens bekannt: Wir haben vor längerer Zeit einen sehr jungen Menschen beim Suizid begleitet, der vom Hals abwärts vollständig gelähmt war und dieses Leben nicht hat weiter führen wollen.

Das war - im Gegensatz zu dem, was häufig in Medien und damit grundsätzlich falsch zu lesen war - keineswegs ein "Schnellschuss". Der junge Mann hatte sich praktisch unmittelbar nach dem Austritt aus der Reha an uns gewandt und hatte uns zusammen mit seinen Eltern besucht.

Wir haben ihm geraten, zuerst einmal in seine Schule zurückzukehren und dort den Versuch zu machen, weiter zu leben. Es sei nicht auszuschliessen, dass er sich mit seiner Situation abfinden könne. Andererseits könne er auch später wieder an DIGNITAS gelangen, wenn er nach dieser Überlegungsphase definitiv zum Schlusse komme, dass er sein Leben beenden möchte.

Für uns wichtig: Wir möchten in solchen Fällen nicht übereilt handeln, bieten aber im Interesse der Entlastung des Mitglieds an, eine Freitod-Begleitung später durchaus durchzuführen, falls dies der Wunsch des Mitglieds bleiben sollte. Das gibt ihm die Möglichkeit, den Versuch der Fortsetzung des Lebens zu unternehmen, und das belässt ihm seine ihm zustehende Wahlmöglichkeit.

A propos bezahlen können: DIGNITAS versteht sich durchaus auch als Gemeinschaft, und es wird nie vorkommen, dass jemand, der die vorgesehenen Mitgliederbeiträge nicht aufzubringen vermag, deswegen von DIGNITAS nicht begleitet würde. Dazu besteht bei DIGNITAS der "Manfred Kuhn und Wolfgang Hopff-Fonds", der in solchen Fällen einspringt. Manfred Kuhn und Wolfgang Hopff waren geschätzte Mitglieder des DIGNITAS-Kuratoriums, welche beim Aufbau der Organisation mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihren Ratschlägen wesentlich dazu beigetragen haben, dass DIGNITAS zu dem geworden ist, was es heute vorstellt.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Ludwig A. Minelli hat geschrieben:DIGNITAS ist zwar der Meinung, es sei das Recht jedes urteilsfähigen Menschen, einen sicheren, schmerz- und risikolosen Suizid machen zu können.
Mir ist die Definition von urteilsfähig nicht ganz klar. Im Falle einer beispielsweise geistigen Behinderung ist mir die Definition schon klar. Aber wie muss ich urteilsfähig im Normalfall verstehen. Ist "nicht urteilsfähig" gleichzusetzen mit unreif, pubertär oder lebensunerfahren? Das man keinen "Begleitsuizid" aufgrund von "schlechten Noten in der Schule" befürworten kann ist mir auch klar. Aber wie sieht es beispielsweise mit einem extremen Trauma nach einer Vergewaltigung aus?
Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Das heisst: Wir bejahen die Möglichkeit des Suizids für den Menschen, um sich einer unerträglichen und unausweichlichen Situation entziehen zu können.
Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Doch wer sich in einer solchen Situation fühlt, ist selten befähigt, seine Lage objektiv richtig einzuschätzen.
Wer beurteilt, wenn nicht die Person selbst, ob eine solche Situation gegeben ist. Und wer kann objektiv als Außenstehender beurteilen, wie die besagte Person ihre Lage empfindet, wenn Empfindungen doch stets subjektiv sind.

Subjektivität
Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Und man geht auch nicht auf Grosse Reise, ohne sich von seinen Angehörigen und Freunden verabschiedet zu haben.
Subjektive Empfindung, würde ich beispielsweise aus persönlichen Gründen anders sehen.
Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Oder man könnte ihn in die Psychiatrie einweisen, und so würde er die Freiheit verlieren. Diese Angst, so meint DIGNITAS, sollte beseitigt werden.
Das ist eine enorme Angst, weil ich selbst mit meinen besten Freunden nicht über sowas reden kann. Ich habe in meinem Bekanntenkreis ein negatives Beispiel dafür. 2 Monate Zwangseinweisung aufgrund von einer "Pulsaderngeschichte". Zwangsmedikation und Fixierung über Nacht am Bett. Wobei ich hier sagen muss, dass mein Bekannter unter der Borderline - Persönlichkeitsstörung leidet.
Ludwig A. Minelli
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Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Laudanum fragt danach, was unter Urteilsfähigkeit zu verstehen sei.

Dazu empfiehlt sich vorerst einmal ein Blick in das Gesetz. Das Schweizerische Zivilgesetzbuch sagt in Artikel 16:

"Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist ein jeder, dem nicht wegen seines Kindesalters oder infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln."

Wichtig dabei: Urteilsfähigkeit ist immer in Bezug auf ein bestimmtes Thema zu beurteilen. Bei der Frage, ob jemand in Bezug auf die Absicht, sein eigenes Leben selbst zu benden, urteilsfähig sei, geht es um die Frage, ob ein Mensch in der Lage sei, im Hinblick auf seinen eigenen Tod die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, und schliesslich danach zu handeln.

In der Psychiatrie wird Gewicht darauf gelegt, abzuklären, ob jemand normalpsychologisch nachvollziehbare Motive für sein Handeln vorbringt. Es kommt auch auf seine Vorstellungen über das Handeln an. Ausserdem prüft man, ob sich jemand in einem Ausnahmezustand befindet, der mit seinem gewöhnlichen Zustand kontrastiert.

Stellt man in diesem Zusammenhang dann fest, dass die Gründe für das beabsichtigte Handeln realitätsfremd oder gar absurd sind, ist an der Urteilsfähigkeit ernsthaft zu zweifeln. Zu beachten wäre auch, wenn jemand in seiner Meinungsbildung plötzlich gewissermassen einen Haken schlägt und eine Kehrtwende vollzieht. Weiss man etwa, was bei einer Person das gewöhnliche Motiv war, und ändert dieses nun abrupt, kann der Verdacht mangelnder Urteilsfähigkeit aufkommen. Es ist dann danach zu forschen, ob allenfalls ein krankhaftes Geschehen dafür verantwortlich ist.

Im Zusammenhang mit Depressionen muss darauf hingewiesen werden, dass eigentlich nur sehr schwere Depressionen zu Urteilsunfähigkeit führen. In der forensischen Psychiatrie achtet man beispielsweise darauf, ob ein sogenannter "Stupor" vorliegt (eine depressive Bewegungsstarre), ob es sich um eine "agitierte Depression" handelt, die mit grosser innerer und äusserer Unruhe verbunden ist; und schliesslich forscht man nach Anzeichen wahnhafter Elemente, also etwa wahnhafte Schuldgefühle, Angst zu verarmen oder Angst, sich zu versündigen.

Schliesslich wird auch zu beurteilen sein, wie die "kognitiven Funktionen" aussehen, also das Gedächtnis, die Merkfähigkeit, die Konzentration. Dazu gehört auch die Frage, ob jemand orientiert ist: weiss er, wer er ist, kennt er Zeit und Ort und die Situation.

Generell ist zu sagen, dass - im Gegensatz zu einer landläufigen Auffassung, der gelegentlich sogar Gerichte irrtümlich zuneigen - psychische Krankheiten nicht von vornherein die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen. Das tun in aller Regel nur sehr schwere psychische Krankheiten. Überdies darf einem Menschen die Urteilsfähigkeit umso weniger abgesprochen werden, je bedeutsamer die Entscheidung ist, die er zu treffen beabsichtigt.

Zusammengefasst ist Urteilsfähigkeit nach den Worten von HANS BINDER in seinem noch heute gültigen Werk "Die Urteilsfähigkeit in psychologischer, psychiatrischer und juristischer Sicht", Zürich 1964, (er war Direktor der Kantonalen Heil- und Pflegeanstalt Rheinau im Kanton Zürich, Professor für Psychiatrie an der Universität Zürich, und er erhielt von der juristischen Fakultät der Universität Zürich die Würde eines Ehredoktors der Rechte als Anerkennung seiner bahnbrechenden Arbeiten an der Nahtstelle zwischen Psychiatrie und Recht) auch einfach als Besinnungsfähigkeit zu umschreiben.
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