Es tut alles so weh

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Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Seit Jahren
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Es tut alles so weh

Beitrag von Seit Jahren »

Niemand versteht mich. Ich bin so furchtbar einsam. Jeden Tag stochern Leute in meinen Wunden herum. Ich bin ehrlich, erzähle von meinen Gedanken, Gefühle, Probleme. Aber an manchen Kommentaren merke ich dann, dass wir anscheinend 100km aneinander vorbeigeredet haben. Denn häufig mache ich mir zuerst vor, der/die Andere würde mich verstehen. Die Reaktionen der Anderen treffen mich immer wieder und es tut noch stundenlang nachher weh. Ich kann das nicht abstellen, dass es mich trifft. Die Strategie die ich vorher angewendet hatte, kompletter sozialer Rückzug, scheint die Richtige gewesen zu sein. Hab übrigens einen "offiziellen" Suizidversuch überlebt, drei Tage Intensivstation. Vielleicht zwar auch nicht und ich bin in der Hölle gelandet :wink:
Agnetha
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Agnetha »

Was hast Du an therapeutischer unterstützung bisher erhalten bzw. gesucht?

Mir hat mal eine Mitpatientin den rat gegeben, dass man manchmal 25 therapeuten ausprobieren muss, bis es für einen passt. Ich habe bestimmt zehn versuche gestartet und gelitten, mich gestritten und fast aufgegeben - bis ich die für mich passende Klinik und Therapeutin fand.
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Agnetha hat geschrieben:Mir hat mal eine Mitpatientin den rat gegeben, dass man manchmal 25 therapeuten ausprobieren muss, bis es für einen passt.
:shock:

Also ich hab nach 20 aufgehört...
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Seit Jahren hat geschrieben:Niemand versteht mich. Ich bin so furchtbar einsam. Jeden Tag stochern Leute in meinen Wunden herum. Ich bin ehrlich, erzähle von meinen Gedanken, Gefühle, Probleme. Aber an manchen Kommentaren merke ich dann, dass wir anscheinend 100km aneinander vorbeigeredet haben. Denn häufig mache ich mir zuerst vor, der/die Andere würde mich verstehen. Die Reaktionen der Anderen treffen mich immer wieder und es tut noch stundenlang nachher weh. Ich kann das nicht abstellen, dass es mich trifft. Die Strategie die ich vorher angewendet hatte, kompletter sozialer Rückzug, scheint die Richtige gewesen zu sein.
Seufz. Das kenne ich nur allzu gut... Das Problem ist einfach, daß Menschen mit einem anderen Erfahrungshintergrund bestimmte Dinge schlicht nicht nachvollziehen können, selbst wenn sie sich einigermaßen Mühe geben und meinen, zu verstehen. Meine Erfahrung ist immer wieder, daß nur Menschen, die ähnliches erlebt haben, wirklich verstehen können. Sowie eine verschwindend geringe Gruppe derer, die mit einer außergewöhnlichen Feinfühligkeit und Empathie gesegnet sind. Nur solche Menschen trifft man leider nicht alle Tage. Aber wenn, dann können sie durchaus einen Therapeuten ersetzen. Und dennoch trifft es einen jedesmal ungemein, wenn der Rest der Welt aus Unbeholfenheit oder Ignoranz "unqualifizierte" Meinungen zum Besten gibt...

Kürzlich meinte jemand zu mir, ich würde stets so auffällig wenig über mich erzählen. Kein Wunder, habe ich mir da gedacht... Die meisten wären von dem, was ich über mich und mein Leben zu erzählen hätte, ja leider ohnehin komplett überfordert... Und dadurch, daß man auf diese Weise so unzulänglich wirkt, wird man am Ende noch einsamer, weil man auf andere wie ein seltsamer Kauz wirkt...
lunar-x7
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von lunar-x7 »

Abendstern hat geschrieben: Kürzlich meinte jemand zu mir, ich würde stets so auffällig wenig über mich erzählen. Kein Wunder, habe ich mir da gedacht... Die meisten wären von dem, was ich über mich und mein Leben zu erzählen hätte, ja leider ohnehin komplett überfordert... Und dadurch, daß man auf diese Weise so unzulänglich wirkt, wird man am Ende noch einsamer, weil man auf andere wie ein seltsamer Kauz wirkt...
Hm ... das macht mich nachdenklich. Ja, sie sind überfordert damit, sehr sogar. Ich werde immer schweigsamer über das was mich wirklich bewegt. Es tut weh immer der seltsame Kauz zu sein. Aber ich bin nun mal wie ich bin ... auch wenn es mich, wie dich Abendstern, einsam macht.

Ich kann nur bedingt auf einer oberflächlichen Ebene mit Anderen mitschwimmen. Wenn dazu noch platter grenzdebiler "Humor" kommt, bin ich auch wiederum ganz froh, keinen weiteren Kontakt mit diesen Menschen haben zu müssen.
Outoftheway
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Outoftheway »

Was man dann braucht, ist kein Thera, sondern einen Freund, der einen bedingungslos annimmt....
Agnetha
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Agnetha »

Outoftheway hat geschrieben:Was man dann braucht, ist kein Thera, sondern einen Freund, der einen bedingungslos annimmt....
Das eine muss das andere nicht ausschließen.

Ich denke aber auch, dass es Freunde, die einen bedingungslos annehmen, eher nicht gibt, denn jeder geht mit einem eigenen Bedürfnis in eine Freundschaft. Auch jeder von uns. Bedingungslos kann ich ebenfalls niemandem eine Freundschaft anbieten. Ich glaube auch, so uneigennützig ist niemand.
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Outoftheway hat geschrieben:Was man dann braucht, ist kein Thera, sondern einen Freund, der einen bedingungslos annimmt....
Ein wahres Wort ...
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Agnetha hat geschrieben:
Outoftheway hat geschrieben:Was man dann braucht, ist kein Thera, sondern einen Freund, der einen bedingungslos annimmt....
Das eine muss das andere nicht ausschließen.

Ich denke aber auch, dass es Freunde, die einen bedingungslos annehmen, eher nicht gibt, denn jeder geht mit einem eigenen Bedürfnis in eine Freundschaft. Auch jeder von uns. Bedingungslos kann ich ebenfalls niemandem eine Freundschaft anbieten. Ich glaube auch, so uneigennützig ist niemand.
Hm, ausschließen muß das eine das andere nicht. Aber ein wirklich guter Freund ist m. E. immer mehr Wert als selbst der beste Therapeut. Immerhin verdient letzten Endes auch ein Therapeut seine Brötchen mit dem Job. Geld leihen, ein Dach über dem Kopf im eigenen Haus anbieten oder nachts 50 km fahren, um den anderen in den Arm zu nehmen, würde er wohl eher nicht. Man darf nicht vergessen, daß Therapeuten eine moderne Erfindung sind, Freundschaften und echte Beziehungen jedoch nicht. Es mag sein, daß eine Freundschaft oder Beziehung nie als rein altruistisches Modell daherkommt, aber manche davon wenigstens weit mehr als andere. Und immerhin hat gerade der soziale Zusammenhalt die Erfolgsgeschichte des Menschen ganz erheblich mitbeeinflußt. Schließlich sind wir auch keine Amphibien, die lediglich ihre Eier ablegen und die nachfolgende Generation an Individuen dem eigenen Schicksal überlassen...

In unseren modernen Zeiten jedoch, in denen die vermeintliche Sicherheit und der vermeintliche Wohlstand zu einem geradezu globalen Egotrip geführt haben, mag es in der Tat so sein, daß leider viele zuerst nur noch daran denken, was es ihnen selbst bringt und nicht, was es der Gemeinschaft als Ganzes bringt (dem Partner, dem Freund, der Großfamilie, der Dorfgemeinschaft etc.). Vielleicht ist die Schwemme an Therapeuten und die noch größere Schwemme derer, die einen solchen benötigen, insofern vielmehr Ausdruck einer degenerierten und lieblosen Gesellschaft.

An dieser Stelle möchte ich deshalb noch einmal diesen wunderbaren Ausschnitt des HUMAN Projects von Yann Arthus-Bertrand einfügen: http://www.youtube.com/watch?v=JeVBt536w_U&t=34s


"Some of the most generous people I know have no money.
And that's how it should be.
When we have no money, it's a different lifestyle.

When you see the old people ...

In our language, we have no such word
as 'please' or 'thank you',
because what is expected of us
is that we share and we give what we have.

Today, we have to say 'please' and 'thank you', we have to beg for things.
In the old days, it was a given thing that we would share things.
That was a part of who we are.

And not only for Aboriginal people,
I expect people all around the world
would do the same things before money.

But nowadays, it's 'mine'.
There are words like 'mine'.
We don't share our things anymore.

And it's become ...

It kills us as human beings,
as a society, as a race.
When I say 'race',
I'm talking about the human race.

But we deny other people shelter,
we deny other people food,
we deny other people their survival,
purely because of money."

- Stephen -
Outoftheway
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Outoftheway »

Seit Jahren hat geschrieben:Niemand versteht mich. Ich bin so furchtbar einsam. Jeden Tag stochern Leute in meinen Wunden herum. Ich bin ehrlich, erzähle von meinen Gedanken, Gefühle, Probleme. Aber an manchen Kommentaren merke ich dann, dass wir anscheinend 100km aneinander vorbeigeredet haben. Denn häufig mache ich mir zuerst vor, der/die Andere würde mich verstehen. Die Reaktionen der Anderen treffen mich immer wieder und es tut noch stundenlang nachher weh. Ich kann das nicht abstellen, dass es mich trifft. Die Strategie die ich vorher angewendet hatte, kompletter sozialer Rückzug, scheint die Richtige gewesen zu sein. Hab übrigens einen "offiziellen" Suizidversuch überlebt, drei Tage Intensivstation. Vielleicht zwar auch nicht und ich bin in der Hölle gelandet :wink:

Genau diese Schei*** erlebe ich auch immer und immer wieder....... :oops: Insofern: Vielleicht verstehe ich dich doch....
Da öffnet man sich - und alle wissen "besser", was man zu tun, zu lassen und zu machen hat.... Und wehe, man tuts NICHT in deren (!) Sinne - dann ist man schnell weg vom Fenster....
Freunde? Kannste in der Pfeife rauchen. Denn sie sind nur SOlange "Freunde", wie man IHREM Willen folgt..... Und wehe, wenn nicht.....

Ich erzähle schon lange nichts mehr von mir. Weils eh niemand wissen will und weil ich keinen Nerv mehr habe, mich irgendwelchen sinnlosen Zuschreibungen auszusetzen....

Umbringen ist für mich im Moment kein Thema, weil ich noch einen kleinen, wunderbaren Hund habe, der es einfach verdient, dass ich durchhalte, bis er nicht mehr lebt.
Aber sobald er gegangen ist, gehe ich auch.
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Outoftheway hat geschrieben:Umbringen ist für mich im Moment kein Thema, weil ich noch einen kleinen, wunderbaren Hund habe, der es einfach verdient, dass ich durchhalte, bis er nicht mehr lebt.
Agnetha
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Agnetha »

Ich denke immer noch über die Bedeutung von Freundschaften nach. Die ist für jeden von uns anders.

Ich habe Freundschaften, sehr gute sogar. Aber ich fürchte oder habe Angst davor, Freundschaften ungesund zu belasten. Wer kann denn unsere last, die uns immer wieder an den Rand des Lebens bringt, tragen oder ertragen? Überfordern wir Freunde nicht, wenn wir erwarten, dass sie uns mit unserer lebenslast tragen?

Da sehe ich für mich Therapeuten als diejenigen, die das aushalten können, weil sie jeden Tag in solche Abgründe schauen und sich auch persönlich nicht in der Verantwortung für mich fühlen. Ich brauche dann auch die Distanz, die da ist, weil ich mir dann umgekehrt auch keine sorgen machen muss, wie es dem Therapeuten mit meinem Problem geht. Bei freunden fühle ich mich verantwortlich für die last, die ich ihnen auflege.
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Agnetha hat geschrieben:Aber ich fürchte oder habe Angst davor, Freundschaften ungesund zu belasten. Wer kann denn unsere last, die uns immer wieder an den Rand des Lebens bringt, tragen oder ertragen? Überfordern wir Freunde nicht, wenn wir erwarten, dass sie uns mit unserer lebenslast tragen?
Wie heißt es so schön...?
"Der eine trage des anderen Last."

Aber ich verstehe, was Du meinst. Mir geht es teilweise genauso.
Outoftheway
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Outoftheway »

Ja, das sind Jesu Worte. Aber nicht mal in Gemeinden funktioniert es. Ich bin hier von 8 (!!) Gemeinden abgewiesen worden, nur weil ich darum bat, mich die ersten für mich so schwierigen Male abzuholen....
WIE oft hab ICH Geschwister zur Gemeinde abgeholt..... :cry: Aber als ich nun das selbst brauchte, war niemand da, nirgendwo....
Bitter. Aber nun ists egal. Ich warte auf den Tod meines Hundes, der auch mein Tod sein wird.
Abendstern
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Re: Es tut alles so weh

Beitrag von Abendstern »

Outoftheway hat geschrieben:WIE oft hab ICH Geschwister zur Gemeinde abgeholt..... :cry: Aber als ich nun das selbst brauchte, war niemand da, nirgendwo.... Bitter.
Seufz, ja, diese Bigotterie der Welt ist auch für mich unerträglich geworden... Dieselbe Erfahrung habe ich ebenso gemacht... Immer anderen geholfen, gerade in Notsituationen - und dann, als es mich traf, waren sie alle weg... Wie vom Erdboden verschluckt... Und das Schlimmste ist in der Tat, daß man offenbar noch nicht einmal Hilfe von den Stellen erwarten darf, die offiziell eigentlich für so etwas da sein sollten... # Depressive Realism
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