Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

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glycerine

Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von glycerine »

Klar wird nicht jeder Unzufriedene „ums Überleben kämpfen“, zumal mitunter die Ursache von Unzufriedenheit schlicht und ergreifend Langeweile ist. Die Ursache dieser Langeweile kann wiederum sein, dass da jemand den Hintern nicht hoch kriegt. Wenn jemand den Hintern nicht hoch kriegt, wird er sich kaum die Mühe machen, über eine Veränderung nachzudenken oder eine solche gar in Angriff zu nehmen, nein, er oder sie hat schon genug damit zu tun, sich selbst zu bedauern und/oder andere für seine bzw. ihre Unzufriedenheit verantwortlich zu machen...
Solche Leute begegnen mir immer wieder...
Diese Worte haben mir zu denken gegeben, ich habe darin sogar sowas wie eine kleine Motivation gesehen sich nicht so gehen zu lassen. Es motiviert mich nicht so ein Mensch zu werden bzw. zu sein.
Thorsten3210
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thorsten3210 »

Ich bezweifle, dass das immer eine reine Willensache ist. Oft ist eine (verborgene) Depression im Spiel, und die Untätigkeit (und Langeweile) resultiert aus Unvermögen. Man kann sich beim besten Willen nicht aufraffen und ist wie gelähmt. Antriebslosigkeit. Man kann sich eine solche Antriebslosigkeit vorstellen wie eine Auto-Handbremse, die man aber nicht lösen kann. Man möchte die Wohnung aufräumen, schafft es aber nicht. Man möchte spazieren gehen, kann aber nicht.

Es gibt natürlich auch ganz normale Faulheit (und daraus resultiuerende Langeweile), und da hilft ein Tritt in den Allerwertesten ganz bestimmt.
Peterchen
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Peterchen »

Bin der gleichen Meinung wie Thorsten. (Extreme) Antriebsschwäche kommt nicht aus dem Nichts, sondern ist oft das Ergebnis einer Depression oder einer anderen chronischen Krankheit, die sich außerhalb der Kontrolle des Betroffenen befindet.
Thanatos
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thanatos »

Was da oben steht, hört sich so an, als habe ich das geschrieben.
Dass diese Worte zu denken geben, war die Absicht dahinter. :mrgreen:
Mir ist völlig klar, dass ein schwer Depressiver den Hintern gar nicht hoch kriegen kann, selbst wenn er das wollte..... Aber bei krankhafter Antriebsschwäche will man ja wohl nicht wollen...
Das ändert nichts daran, dass mir immer wieder Leute begegnen, die nicht depressiv, sondern einfach zu faul für alles sind und, das Schlimmste daran: Sie machen andere für ihre missliche Lage verantwortlich; am Ende sogar die eigenen Eltern, weil die ja dafür verantwortlich sind, dass Erstere in dieser ach so schrecklich unfairen Welt leben müssen..... Genug, sonst muss ich mich wieder über eine gewisse Person aufregen, die mir da in den Sinn kommt.
Es grüßt,
der Thanatos
glycerine

Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von glycerine »

Thanatos hat geschrieben:Was da oben steht, hört sich so an, als habe ich das geschrieben.
Dass diese Worte zu denken geben, war die Absicht dahinter. :mrgreen:
Mir ist völlig klar, dass ein schwer Depressiver den Hintern gar nicht hoch kriegen kann, selbst wenn er das wollte..... Aber bei krankhafter Antriebsschwäche will man ja wohl nicht wollen...
Das ändert nichts daran, dass mir immer wieder Leute begegnen, die nicht depressiv, sondern einfach zu faul für alles sind und, das Schlimmste daran: Sie machen andere für ihre missliche Lage verantwortlich; am Ende sogar die eigenen Eltern, weil die ja dafür verantwortlich sind, dass Erstere in dieser ach so schrecklich unfairen Welt leben müssen..... Genug, sonst muss ich mich wieder über eine gewisse Person aufregen, die mir da in den Sinn kommt.
Es grüßt,
der Thanatos
Kann es nicht sein dass du die wahren Gründe gar nicht kennst, ist es nicht möglich dass diejenigen eine Depression haben?
Woher bist du dir so sicher in der Sache?
glycerine

Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von glycerine »

Thorsten3210 hat geschrieben:Ich bezweifle, dass das immer eine reine Willensache ist. Oft ist eine (verborgene) Depression im Spiel, und die Untätigkeit (und Langeweile) resultiert aus Unvermögen. Man kann sich beim besten Willen nicht aufraffen und ist wie gelähmt. Antriebslosigkeit. Man kann sich eine solche Antriebslosigkeit vorstellen wie eine Auto-Handbremse, die man aber nicht lösen kann. Man möchte die Wohnung aufräumen, schafft es aber nicht. Man möchte spazieren gehen, kann aber nicht.

Es gibt natürlich auch ganz normale Faulheit (und daraus resultiuerende Langeweile), und da hilft ein Tritt in den Allerwertesten ganz bestimmt.
Meine Krankheiten habe ich schon genug geschildert. Mein Therapeut hat manchmal ganz komische Ansätze, er sagte mal, es gibt keine Faulheit, das kann ich aber nicht glauben.

Ich denke mir es gibt wohl schon eine Faulheit, bei der man sich bewußt und mit freiem Willen, dagegen entscheidet etwas sinnvolles mit seiner Zeit anzufangen.
Leggingshanger
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Leggingshanger »

Ich glaube auch, dass es Faulheit gibt, die es wohl schon bei den Urmenschen gab. Ich denke der Mensch ist generell so "programmiert", dass er den Weg des geringsten Widerstands geht
glycerine

Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von glycerine »

Leggingshanger hat geschrieben:Ich glaube auch, dass es Faulheit gibt, die es wohl schon bei den Urmenschen gab. Ich denke der Mensch ist generell so "programmiert", dass er den Weg des geringsten Widerstands geht
Das ist aber in der heutigen Welt unter Umständen wirklich sehr ungesund, hast du einen Tipp was man dagegen machen kann?

Ich meine jetzt nicht, wie man den Menschen umprogrammiert, irgendwie aber doch, natürlich wird der Mensch seine Uhrzeiteigenschaften beibehalten, aber was man tun kann?
Motivationsbücher, oder einfach selbst motivieren?
Thanatos
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thanatos »

glycerine hat geschrieben:...
Ich meine jetzt nicht, wie man den Menschen umprogrammiert, irgendwie aber doch, natürlich wird der Mensch seine Uhrzeiteigenschaften beibehalten, aber was man tun kann?
Motivationsbücher, oder einfach selbst motivieren?
Da ich deinen Hintergrund nicht kenne, kann ich dir keinen adäquaten Tipp geben. Von Motivationsbüchern bzw. Selbsthilfebüchern halte ich allerdings nicht viel – vom Selbstdenken um so mehr. Da fällt mir eine pensionierte Lehrerin ein, die ganze Regale voll mit (christlichen) Selbsthilfebüchern hat, aber geholfen hat ihr offenbar noch keins. Würde sie ab und zu selbst zu denken versuchen, anstatt „mit dem Heiligen Geist zu reden“, könnte das vielleicht helfen.
Egal, ich wage trotzdem mal zu sagen, was mir gerade einfällt: Finde heraus, was genau dich davon abhält, etwas zu tun, was du gerne tun möchtest bzw. tun müsstest.
Was die nicht-depressiven Menschen betrifft, die den Hintern nicht hoch kriegen: Ein Beispiel ist eine Familie aus meiner Verwandtschaft, die schon in der dritten Generation ganz lustig auf Kosten des Steuerzahlers lebt.
Eine andere Dame hatte ich viele Monate begleitet. Auch sie ist eindeutig vom Stamme Nimm. Sie kann sehr wohl den Hintern hoch kriegen; aber nur, wenn es um Dinge geht, die ihr Spaß machen. Ansonsten gibt sie allem und jedem die Schuld an ihren misslichen Lebensverhältnissen. Nur sich selbst hält sie offenbar für unschuldig.
Schönen Tag,
wünscht Thanatos
Thorsten3210
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thorsten3210 »

Hab hier was passendes zum Thema gefunden, ist also nicht auf meinen Mist gewachsen, sondern von dem Psychotherapeuten Dr. Rolf Merkle.

So gehst du vor, wenn du dich als Opfer fühlen willst:

- Mach all die Enttäuschungen, deine seelischen Wunden und Schmerzen kurzum, deine negativen Erfahrungen der Vergangenheit dafür verantwortlich, dass du heute unglücklich bist und keine Chance hast, je glücklich zu sein.
- Bedaure dich für das, was andere dir angetan haben und rechtfertige damit, dass du nun mal so bist, wie du bist.
- Du hast Beziehungsprobleme? Dann mache deine Eltern, die sich vielleicht getrennt oder häufig gestritten haben, dafür verantwortlich.
- Du hast Alkohol-, Drogen oder andere Abhängigkeitsprobleme? Dann mach deine schwere oder unglückliche Kindheit dafür verantwortlich.
- Du hast wenig Ausdauer? Dann schieb das auf deine geringe Willensstärke.
- Du bist leicht verletzt und gekränkt? Dann weil du nie geliebt worden bist.
- Du hast Probleme mit dem Partner, den Kindern, den Kollegen oder dem Chef? Klarer Fall: das liegt an denen. Die andern sind das Problem.

Mit anderen Worten: Sieh dich als Opfer vergangener Erfahrungen oder anderer Menschen.

Als Entschuldigung für all dein Leiden sag dir immer wieder: "Ich bin nun mal so. Dafür kann ich nichts. Wenn die anderen anders wären, dann ...".

Und hier eine "gesunde" Denkweise:

"Die Vergangenheit ist aus und vorbei. Ich gestalte mein Leben und meine Zukunft. Ich kann alte Wunden heilen lassen, mich verändern. Ich entscheide, wer oder was ich bin und werde. Ich nehme mein Leben in die Hand, statt mich als Opfer zu sehen und zu leiden. Ich kann entscheiden, was ich mit den Fähigkeiten und Talenten anfange, die ich mitbekommen habe. Ich gestalte meine Zukunft, indem ich heute Entscheidungen treffe, die meinen weiteren Lebensweg positiv beeinflussen. Ich kann mich ändern, wenn notwendig, ich kann nachholen, was ich früher nicht gelernt habe. Ich bin der Kapitän meines Lebens und bestimme den Kurs."
Thanatos
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thanatos »

Mit dem ersten Teil bin ich einverstanden.
Die „gesunde Denkweise“ jedoch passt zu dem, was mir schon lange klar ist: Therapeuten bringen einem bei, sich wieder etwas vorzumachen, sobald der natürliche Selbsttäuschungsmechanismus „gestört“ ist. Wenn man's so haben möchte, bitte, aber ich weigere mich, mir selbst ins Hemd zu lügen. Da hätte ich ja gleich bei den fundamentalistischen Christen bleiben können.... :wink:
Aber Dank für den Text, der nicht auf deinem Mist gewachsen ist.
Thorsten3210
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Thorsten3210 »

Thanatos hat geschrieben:Ein Beispiel ist eine Familie aus meiner Verwandtschaft
Ich hab einen Bekannten, der ist ein Extremfall, fast ein zweiter "Arno Dübel". Gymnasium 12. Klasse abgebrochen, 2 Lehren abgebrochen, FH-Studium erst Fach gewechselt, dann abgebrochen. Ab 25. Lebensjahr Bezug von Sozialhilfe/H4 (jetzt ist er Ü50). Er hat noch nie gerabeitet und sich vor jeder Art Tätigkeit, die ihm die Behörden zuwiesen, erfolgreich gedrückt. Er sagt, Sozialhilfe bzw. Hartz 4 reiche ihm, er wäre ja anspruchslos. Schuld an dem verkorksten Leben sind natürlich andere (Lehrer, Eltern, Behörden und und..).
Thanatos hat geschrieben:ich weigere mich, mir selbst ins Hemd zu lügen
Gute Einstellung, Ehrlichkeit zu sich selber ist eine feine Sache, auch wenns manchmal schwer fällt. Einfacher ist es oft, sich was vorzumachen.
romilly
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von romilly »

Thorsten, du hast mir aus dem Herzen gesprochen. Du hast es genau erfasst! Sehr schön beschrieben mit der Handbremse...
Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Faulheit zu tun, obwohl faul sein zwischendurch auch ganz gesund sein kann.
Ich habe das früher so gemacht. Nebst 100% Job plus permanent 30 Überstunden während Jahren plus Sport, plus Freundschaften pflegen,
plus Band, plus alle anderen Verpflichtungen wie Haushalt, Einkaufen usw, habe ich mit immer einen "Hängertag" gegönnt.
Aber irgendwann nützte auch der nichts mehr und ich bin zusammengebrochen, so dass jetzt seit 1 Jahr gar nichts mehr geht.
Bemühe mich immer mal wieder etwas zu unternehmen, hab z.B. letzte Woche eine ehemalige Mitpatientin aus der Burnoutklinik getroffen.
Wir verbrachten viele schöne Stunden, aber ich war so depressiv, dass ich mich nicht mal am schönen See, den Schwänen usw erfreue konnte.
Innerlich TOT!! Auch abends zu Hause total depressiv. Gestern konnte ich mich aufraffen zu einem 2-stündigen Spaziergang im Wald. 2 Std. lang
nur Suizidgedanken und abends auch wieder stockdepressiv. Also, es gibt NICHTS mehr, das ich tun könnte, damit es mir besser geht.
Deshalb die grosse Verzweiflung und den Wunsch zu gehen.... Jeder Tag nur noch eine Qual - keine Kraft mehr. Hab einfach wahnsinnig Angst vor Suizid.....
Romilly
Leggingshanger
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Leggingshanger »

Das ist aber in der heutigen Welt unter Umständen wirklich sehr ungesund, hast du einen Tipp was man dagegen machen kann?

Ich meine jetzt nicht, wie man den Menschen umprogrammiert, irgendwie aber doch, natürlich wird der Mensch seine Uhrzeiteigenschaften beibehalten, aber was man tun kann?
Motivationsbücher, oder einfach selbst motivieren?
Gute Frage, wüsste ich eine sichere Antwort darauf, würde ich wohl auch weniger Suizidgedanken haben, obwohl der Hauptgrund bei mir ein anderer ist
Peterchen
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Re: Langeweile kann tödlich sein, Motivierung nötig

Beitrag von Peterchen »

Ich halte nicht viel von diesem Konzept der Eigenverantwortung. Denn das Handeln eines Menschen ist eigentlich nur die Manifestation der Beschaffenheit seines Gehirns. Für die Beschaffenheit seines Gehirns ist aber niemand verantwortlich. Niemand kann etwas dafür, wenn er zum Beispiel mit einem sehr schwachen Antrieb oder einer schlechten Impulskontrolle ausgestattet wurde.

Es ist außerdem nicht so, als würden charakterliche Defizite nur auf schlechten Erfahrungen mit anderen Menschen beruhen. Die Ungerechtigkeit beginnt ja schon bei der genetischen Lotterie. Es gibt z.B. Gene, die das Risiko auf Depression oder Alkoholismus um das Vielfache erhöhen. Auch Intelligenz ist größtenteils genetisch bedingt.

Neben der Genetik spielt außerdem die Entwicklung des Gehirns in der Schwangerschaft eine große Rolle. Hier gibt es unglaublich viele Dinge, die schiefgehen können und später zu Hirnfunktionsstörungen führen, die nach außen wie Faulheit oder Unzuverlässigkeit wirken. Ein riesiger Teil aller Obdachlosen, Langzeitarbeitslosen, Drogensüchtigen usw. hat vermutlich einfach schlecht konstruierte Gehirne. Ich empfehle hierzu das Buch Wir sind unser Gehirn.

Der Mythos der Eigenverantwortung beruht auf einem naiven Glauben an Willensfreiheit und Chancengleichheit. Man tut so, als würden Menschen sich selbst machen, während in Wirklichkeit jeder nur das kausale Ergebnis seiner biographischen und genetischen Voraussetzungen ist.

Die Heuchelei unserer Gesellschaft besteht darin, dass sie einerseits liberale Eugenik strikt ablehnt, und andererseits jeden Menschen für das, was er ist, verantwortlich macht. Nach der Devise: Wenn du nichts taugst, dann ist das deine Schuld.

Unsere Gesellschaft könnte sehr an Humanität gewinnen, wenn man sich klar machen würde, in welchem Ausmaß das Leben eines Menschen von biologischen Faktoren bestimmt ist, die sich vollkommen außerhalb seiner Kontrolle befinden.
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