Das Dignitas-Motto

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Deadly Snowflake

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Deadly Snowflake »

Chron hat geschrieben: 1) Auch wenn eine solche Zelle bzw. ein Zellklümpchen meiner Meinung nach schon ein Mensch ist (wenn es die Vorstufe zu Menschen und nicht z. B. zu Tieren ist - und ich bin übrigens KEIN Abtreibungsgegner, d. h. dennoch gilt für mich für Frauen "mein Bauch gehört mir", das Zell-Zeug/Menschlein ist noch im Körper eines andern Menschen, nicht unabhängig davon lebensfähig, und hat deshalb kein eigenes Lebensrecht unabhängig von der [Gebär-]Mutter, sondern ist von der Mutter vollkommen abhängig), so denke ich doch, dass so etwas/jemand (also das "Zellklümpchen") mit "menschenwürdig" als Begriffsdefinition nichts zu tun hat, denn das ist ist in einem solchen Frühstadium Mensch noch Jahre von (seinem) Bewusstsein, Denken, und Wörtern wie "würdig" entfernt.

2) Für mich weniger eine Frage von (Universitäts-)Philosophie, sondern von schlichten Wort-Definitionen und -Zuordnungen. Weil wir uns ja über Sprache verständigen - und also gleiche Wörter (auch z. B. im Dignitas-Motto) gleich auffassen (können) sollten, sonst funktioniert dieses Prinzip/System nicht.

I3) ch meine, ein Hirntoter (worunter ich verstehe: Im Gegensatz zu "Toter" ist das jemand/etwas, bei dem Herz/Atmung noch funktionieren, und sei es mit Maschinen, bei dem aber keine Hirnströme mehr gemessen werden können) ist noch ein lebender Organismus, und kenne keine Gegenmeinung dazu. Ob das aber noch ein MENSCH ist, ist wohl eher umstritten.

4)"Leben" bzw. Lebewesen wurde mir in der Schule (Biologie) definiert als "etwas mit einem eigenen Stoffwechsel". Was hiess, Viren sind so eine Art "Halblebewesen" (kein eigener Stoffwechsel, sondern brauchen dazu den ihres "Wirtes"). Über "Zygoten" wurde nicht geredet ...

5)Ist es das? Oder ist nicht vielmehr eben "(Menschen-)Würde" die höchstgestellte Definition?
Ausserdem ordne ich "Würde" nicht ausschliesslich Demokratien zu. Auch wenn es ein deutsches Wort ist und ich die Übersetzung in andere Sprachen (arabisch, chinesisch, ...) nicht kenne, so gehe ich doch davon aus, dass es etwas allgemein-Menschliches (unabhängig von Religion und Politik-Systemen) benennen soll.
Zu 1) Auch ein Baby, Kleinkinder, Demente etc. etc. sind völlig abhängig von anderen...insofern finde ich dein Argument der Abhängigkeit nicht sehr treffend (auch weil Föten im 6. Monat, also mit ausgebildetem Hirn darunter fallen würden). Eine Zygote kann sich noch zu Zwillingen teilen (spätere Teilungsstadien zu Mehrlingen) was gegen eine Beschreibung als individuelles Lebewesen spricht. Das Potentialitäts-Argument wird heute kaum mehr gebraucht (es fusst u.a. auch auf einem durchaus streitbaren Begriff des Möglichen...möglich ist nur was wirklich ist, wäre die nicht unplausible Gegendthese). Ich tendiere dazu Leben ans Phänomen des Bewusstseins zu binden (was implizieren würde Pflanzen, sofern sie kein Bewusstsein haben, "nur" funktionierende Organismen wären...aber völlige Klarheit habe ich diesbezüglich nicht. Deine vollumfänglich der Mutter zugesprochene Entscheidungsbefugnis ist absurd, da bräuchte es als Ergänzung definitiv eine Fristenlösung.

Zu 2) Bei diesem Verständnis greift aber dein Kriterium der Fähigkeit unabhängig leben zu können gar nicht. Der Mensch (um das Wort Leben zu vermeiden) definiert sich doch am ehesten über sein mentales Dasein. Angenommen das phänomenale Bewusstsein ist irreversibel erloschen: würdest du dich, trotz (evtl. mit künstlicher Beatmung)funktionierendem Organismus noch als lebend bezeichnen? Würdest du im 6. Monat (also bei existierender Empfindungsfähigkeit) abgetrieben werden wollen? Im faktischen Leben bestimmen auch unanschauliche Definitionen über die Praxis (Hirntod als bestes Beispiel)...das hast nichts mit elitärem, für die Praxis irrelevantem Definieren zu tun.

Zu 3) Das ist nicht die Frage, obwohl du unrecht hast. Genau genommen müsste/könnte lediglich von funktionierendem Organismus gesprochen werden...ansonsten man ja sagen müsste: das Individuum ist gestorben (mit dem irreversiblen Erlöschen des Bewusstseins), aber lebt als Organismus weiter (man müsste ihm also zwei Sorten Leben zusprechen). Manche würden auch durchaus bestreiten, dass ein mit Maschinen am Funktionieren erhaltener Organismus noch funktioniert (was du selber merkwürdiger Weise auch selbst tust, wenn du Föten als abhängiges "Leben" kein Lebensrecht einräumen tust).
Übrigens impliziert das Kriterium des "Hirntodes" eine Definition des (menschlichen) Lebens über seine mentalen Eigenschaften. Auch interessant: der Hirntod wird nicht in allen Ländern gleich interpretiert: einerseits ist der Ausfall des Stammhirns massgebend, in anderen nur jener des Cortex).

Zu 4) Wissenschaftler definieren oftmals gerade ihre Grundbegriffe nicht präzis, so auch in der Biologie. Da gibt es x Definitionen, weshalb ich auch nur das menschliche Leben zu definieren für angebracht halte. Je nach Definition wären Viren lebendig oder auch nicht.

Zu 5)Falls ein demokratischer Staat in seiner Existenz gefährdet wäre durch das Handeln gewisser Personen(gruppen), dann würde dies die Ausserkraftsetzung ihres Anspruchs auf Würde mit sich bringen (gerade dann wenn Würde nur sinnvoll innerhalb einer Demokratie gelebt werden kann). Es ist das selbe Problem wie mit dem Begriff der Toleranz...ein nicht relativierter Toleranzbegriff müsste auch jede Intoleranz akzeptieren, was unvermeidlich ihren Untergang mit sich brächte. Allenfalls könnte man sagen: auch Angreifer der Demokratie können ihre Würde nicht verlieren, aber ihr Anrecht darauf als solche behandelt zu werden. Und wie ist es im Krieg...hatten die Nazis Würde oder nicht (ist Würde etwas was man auch verlieren kann?)
Würde kann sich durchaus auf Ansehen, Ämter, Kaste, Klasse beschränken...aber unsere Vorstellung davon impliziert etwas allen Menschen (mit Ausnahmen) Zukommendes, deshalb ist unser Gebrauch auch nur zutreffend auf Demokratien anwendbar (ein Land wie China kennt eine so definierte Würde mit Sicherheit nicht...mehrmals wurde von offizieller Seite gesagt, die Menschenrechte seien eine westliche Erfindung...womit sie auch nicht ganz Unrecht haben).
Zuletzt geändert von Deadly Snowflake am Mittwoch 20. November 2013, 02:27, insgesamt 1-mal geändert.
Deadly Snowflake

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Deadly Snowflake »

Chron hat geschrieben:
Deadly Snowflake hat geschrieben:Jeder Mensch kann natürlich seine Würde definieren wie er will: mit Rechten welcher Art auch immer (auch das Recht zu Morden z.B.).
Das finde ich eine wichtige Ergänzung. Todesstrafe z. B. (USA und andere Länder): Dient der Würde der weiter Lebenden, und deklassiert den/die Mörder/-in als lebensunwürdig/gesellschaftsunwürdig. Islamische "Ehrenmorde": Ehre der einen Menschen höher als Würde/Lebendigkeit der anderen Menschen? Damit bin ich dann wiederum nicht einverstanden. Aber eben: Da gibt es sehr verschiedene Definitionen.
Da vermischst du etliche Begriffe die genauer einzugrenzen wären. Ehrenmorde haben wohl unterschiedliche Wurzeln: in Länder ohne staatliche Gerichtsbarkeit wurde das Recht in die eigene Hand genommen (bzw. blieb dort). Das absurde ist, dass z.B. Blutrache endlos weitergeht, die Rache erfordert eine Gegenrache ad infinitum (wie heute noch in Teilen Albaniens unter dem Gesetz des Kanun).
Ehre hat aber nichts mit Würde wie wir es verstehen zu tun, zumindest kann man die Ehre verlieren, ob das auch bei der Würde der Fall ist, ist eben umstritten, bzw. wird tendenziell verneint. Andere Wurzeln: die Idee, dass ein Getöteter erst durch Sühnung der Tat seine Seelenruhe findet, dass die Gruppenseele durch den Tod geschwächt wurde etc.
Die Todesstrafe hat juristisch wohl unterschiedliche Begründungen (einerseits Vergeltung, darin der Rache ähnlich aber auch der Generalprävention, also der Abschreckung...wobei dies wohl faktisch gar nicht abschreckend wirkt).
Man kann auch sagen: der Würde des zum Tode Verurteilte wird gerade durch die Bestrafung genüge getan (da man ihn dadurch als autonom handelndes Subjekt ernst nimmt). Dies ist nicht auf meinem Mist gewachsen...zumindest Hegel bemühte solche Argumentation. Dass die Würde aber immer über dem Leben steht ist auch für unser Verständnis falsch: Krieg, Notwehr, Abtreibung...da stellst du ja auch die Autonomie/Würde der Mutter über den empfindungsfähigen und dadurch doch lebenden Fötus, wobei du das wohl nicht gar so extrem meintest) um nur ein paar zu nennen (wie gesagt: man könnte töten, foltern ohne die Würde der Betroffenen als solche zu negieren).
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Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Chron »

Töten Ja - Foltern Nein.
Chron
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Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Chron »

Deadly Snowflake hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:Auch wenn eine solche Zelle bzw. ein Zellklümpchen meiner Meinung nach schon ein Mensch ist (wenn es die Vorstufe zu Menschen und nicht z. B. zu Tieren ist - und ich bin übrigens KEIN Abtreibungsgegner, d. h. dennoch gilt für mich für Frauen "mein Bauch gehört mir", das Zell-Zeug/Menschlein ist noch im Körper eines andern Menschen, nicht unabhängig davon lebensfähig, und hat deshalb kein eigenes Lebensrecht unabhängig von der [Gebär-]Mutter, sondern ist von der Mutter vollkommen abhängig), so denke ich doch, dass so etwas/jemand (also das "Zellklümpchen") mit "menschenwürdig" als Begriffsdefinition nichts zu tun hat, denn das ist ist in einem solchen Frühstadium Mensch noch Jahre von (seinem) Bewusstsein, Denken, und Wörtern wie "würdig" entfernt.
Auch ein Baby, Kleinkinder, Demente etc. etc. sind völlig abhängig von anderen...insofern finde ich dein Argument der Abhängigkeit nicht sehr treffend (auch weil Föten im 6. Monat, also mit ausgebildetem Hirn darunter fallen würden). Eine Zygote kann sich noch zu Zwillingen teilen (spätere Teilungsstadien zu Mehrlingen) was gegen eine Beschreibung als individuelles Lebewesen spricht. Das Potentialitäts-Argument wird heute kaum mehr gebraucht (es fusst u.a. auch auf einem durchaus streitbaren Begriff des Möglichen...möglich ist nur was wirklich ist, wäre die nicht unplausible Gegendthese). Ich tendiere dazu Leben ans Phänomen des Bewusstseins zu binden (was implizieren würde Pflanzen, sofern sie kein Bewusstsein haben, "nur" funktionierende Organismen wären...aber völlige Klarheit habe ich diesbezüglich nicht. Deine vollumfänglich der Mutter zugesprochene Entscheidungsbefugnis ist absurd, da bräuchte es als Ergänzung definitiv eine Fristenlösung.
Deadly Snowflake hat geschrieben:auch weil Föten im 6. Monat, also mit ausgebildetem Hirn darunter fallen würden
Ja, auch ein Fötus im 6. Monat ist für mich noch ein (mutter-)körperabhängiges, körperlich unselbständiges (menschliches) Lebewesen. Über das seine es tragende Mutter entscheiden darf/soll, weil und wie es sie als Mensch/Körper betrifft. So lange es im Mutterkörper drin ist. Wenn es aus dem Mutterkörper heraus gekommen ist bzw. genommen worden ist (Frühgeburt) und selbständig (allenfalls mit einigen Hilfsmitteln in einer Frühgeborenen-Station oder so) lebensfähig ist, dann jedoch hat es ein eigenes Lebensrecht, und das zu torpedieren (wenn es leben will), wäre für mich Mord. Es ist aber kein Mord, "die Maschinen abzustellen".

"Ausgebildetes Hirn" kann ich so nicht bestätigen. Zwar hat so ein Wesen in dem Stadium ein Hirn, aber das ist noch nicht ein Hirn mit der Denkfähigkeit/Sprachfähigkeit späterer Jahre.

Altersdemente sind nicht körperlich völlig (symbiotisch) abhängig von Anderen. Nur in einem Gesellschaftssystem, in dem sie nicht mehr funktionieren. Rein körperlich aber sind sie noch lange selbständig; können/wollen essen, trinken, schlafen usw..
Natur ist, dass sie sterben, wenn sie ohne Hilfe nicht mehr zum Lebensnotwendigen kommen.
Deadly Snowflake hat geschrieben:Eine Zygote kann sich noch zu Zwillingen teilen (spätere Teilungsstadien zu Mehrlingen) was gegen eine Beschreibung als individuelles Lebewesen spricht.
Ich weiss nicht, wann genau sich ein Zellklümpchen in Mehrlinge aufteilt bzw. noch aufteilen kann (Spezialfall siamesische Zwillinge usw. ...). Vielleicht ist also ein Frühstadium von Zellklümpchen noch kein definitiv einzigartiges Lebewesen. Dennoch ist es ein Mensch - oder ein "Multipack Mensch", meinetwegen.
Deadly Snowflake hat geschrieben:Ich tendiere dazu Leben ans Phänomen des Bewusstseins zu binden (was implizieren würde Pflanzen, sofern sie kein Bewusstsein haben, "nur" funktionierende Organismen wären...aber völlige Klarheit habe ich diesbezüglich nicht.
Ich tendiere dazu überhaupt nicht. Das "Bewusstsein" (menschliches Denken) wird für mich viel zu oft überschätzt. Es mag angenehm sein, sowas zu haben, als Mensch - aber es ist auch Mensch, was kein Bewusstsein hat (extrem geistig Behinderte bzw. Menschen im "Wachkoma" usw.), und natürlich sind auch Tiere und Pflanzen Lebewesen, ohne dass ich deswegen nach deren Hirn und Sprache/Bewusstsein/Denken fahnden müsste (und so viel ich weiss, entspricht das der allgemeinen naturwissenschaftlichen Definition davon - wenn nicht, bleibe ich trotzdem bei meiner).

Funktionierende Organismen sind alle "lebenden" Lebewesen. Wenn aber ein Mensch NUR noch das ist ("funktionierend" beim Lebensnotwendigen wie Atmung, Stoffwechsel), ist das für mich "eine lebende Leiche".
Deadly Snowflake hat geschrieben:Deine vollumfänglich der Mutter zugesprochene Entscheidungsbefugnis ist absurd, da bräuchte es als Ergänzung definitiv eine Fristenlösung.
Absurd ist nichts, was nur nicht deiner Meinung entspricht. ICH fände es völlig absurd, einem Körperteil eines Menschen (dazu gehört auch Embryo/Fötus) mehr Rechte zuzugestehen als dem Menschen (der Mutter) insgesamt.


Deadly Snowflake hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:Für mich weniger eine Frage von (Universitäts-)Philosophie, sondern von schlichten Wort-Definitionen und -Zuordnungen. Weil wir uns ja über Sprache verständigen - und also gleiche Wörter (auch z. B. im Dignitas-Motto) gleich auffassen (können) sollten, sonst funktioniert dieses Prinzip/System nicht.
Bei diesem Verständnis greift aber dein Kriterium der Fähigkeit unabhängig leben zu können gar nicht. Der Mensch (um das Wort Leben zu vermeiden) definiert sich doch am ehesten über sein mentales Dasein. Angenommen das phänomenale Bewusstsein ist irreversibel erloschen: würdest du dich, trotz (evtl. mit künstlicher Beatmung)funktionierendem Organismus noch als lebend bezeichnen? Würdest du im 6. Monat (also bei existierender Empfindungsfähigkeit) abgetrieben werden wollen? Im faktischen Leben bestimmen auch unanschauliche Definitionen über die Praxis (Hirntod als bestes Beispiel)...das hast nichts mit elitärem, für die Praxis irrelevantem Definieren zu tun.
"Der Mensch definiert sich"? Das Wort "Mensch" ist eine allgemeine (sprachliche) Definition für alle Menschen. Und das hat nichts mit Bewusstsein der betreffenden Menschen zu tun. Spontan würde ich sagen "etwas mit zwei Beinen und zwei Armen" - dann fallen mir die Behinderten ein, und natürlich ist auch jemand ohne Arme und Beine immer noch ein Mensch (und klar erkennbar kein Affe oder Zebra - aber ich habe nun wirklich keine Lust, diese Definitionskriterien zu ergründen; das Wort "Mensch" ist allgemeinverständlich).

Etwas anderes ist "Leben" oder "lebend". Naturwissenschaftlich-technisch ist auch dann (noch) (menschliches, bei einem menschlichen Körper) Leben, wenn noch etwas funktioniert wie Atmung oder Herzschlag, Stoffwechsel. Davon abzugrenzen dann wiederum die Hirntoten (die punkto Hirn tot sind, punkto andere Organvorgänge lebend/funktionierend).
Das ist aber etwas völlig anderes als bewusstes, gewolltes Leben (eines Menschen).
Daraus entstand für mich der Ausdruck "lebende Leiche". Lebend bei manchen Organfunktionen, tot/Leiche bezüglich Bewusstsein, Willen, Empfindungen usw.. Medizinisch entsprich das dem "Wachkoma" (auch ein Zwitter-Ausdruck: Koma oder wach?).

Ob ich im 6. Monat hätte abgetrieben (getötet) werden wollen: Rückblickend gesehen Ja - wie viel wäre mir erspart geblieben ... Damals aber: Da gab es nichts zu wollen. Diese Entscheidung stand mir nicht zu, sondern trafen Andere!


Deadly Snowflake hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:Ich meine, ein Hirntoter (worunter ich verstehe: Im Gegensatz zu "Toter" ist das jemand/etwas, bei dem Herz/Atmung noch funktionieren, und sei es mit Maschinen, bei dem aber keine Hirnströme mehr gemessen werden können) ist noch ein lebender Organismus, und kenne keine Gegenmeinung dazu. Ob das aber noch ein MENSCH ist, ist wohl eher umstritten.
Das ist nicht die Frage, obwohl du unrecht hast.
Hääh?
Deadly Snowflake hat geschrieben:Genau genommen müsste/könnte lediglich von funktionierendem Organismus gesprochen werden...ansonsten man ja sagen müsste: das Individuum ist gestorben (mit dem irreversiblen Erlöschen des Bewusstseins), aber lebt als Organismus weiter (man müsste ihm also zwei Sorten Leben zusprechen).
Tut man ja auch: Hirn-Toter, aber sonst noch Lebender, heisst doch die Auflösung dieser (nicht von mir stammenden) Wort-Definition.
Deadly Snowflake hat geschrieben:Manche würden auch durchaus bestreiten, dass ein mit Maschinen am Funktionieren erhaltener Organismus noch funktioniert (was du selber merkwürdiger Weise auch selbst tust, wenn du Föten als abhängiges "Leben" kein Lebensrecht einräumen tust).
Ein noch funktionierender Organismus funktioniert nicht? Was für ein Blödsinn, und Widerspruch in sich (rein sprachlich/wörtlich)!
Nein, ein eigenständiges Lebensrecht hat ein abhängiger Organismus nicht - weil er eben nicht unabhängig/selbständig lebensfähig ist. Das gilt für menschliche "Zellklumpen", Parasiten und vieles mehr. Nicht von irgendwelchen Theorien her, sondern von der Natur her.
Deadly Snowflake hat geschrieben:Übrigens impliziert das Kriterium des "Hirntodes" eine Definition des (menschlichen) Lebens über seine mentalen Eigenschaften. Auch interessant: der Hirntod wird nicht in allen Ländern gleich interpretiert: einerseits ist der Ausfall des Stammhirns massgebend, in anderen nur jener des Cortex).
"Hirntote/-r" ist ein Kunstbegriff bzw. ein zusammengesetztes Wort, der/das eher das nicht Wissen (Wollen) über Lebend/Tot, Mensch/Leichnam verschleiert als klarstellt.

Wann ist für mich ein Mensch tot? Wenn ich nichts mehr von ihm wahrnehmen/empfangen kann. Das ist einige Tage nach seinem offiziellen (Gesamt-Körper-)Tod. War er davor, im Zwischenstadium zwischen normalem Menschen und Leichnam (Wachkoma, Leichenaufbewahrungshalle), lebend oder tot, Mensch oder nur noch Organismus, ...? Weiss ich nicht. Ist nicht definiert.


Deadly Snowflake hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:"Leben" bzw. Lebewesen wurde mir in der Schule (Biologie) definiert als "etwas mit einem eigenen Stoffwechsel". Was hiess, Viren sind so eine Art "Halblebewesen" (kein eigener Stoffwechsel, sondern brauchen dazu den ihres "Wirtes"). Über "Zygoten" wurde nicht geredet ...
Wissenschaftler definieren oftmals gerade ihre Grundbegriffe nicht präzis, so auch in der Biologie. Da gibt es x Definitionen, weshalb ich auch nur das menschliche Leben zu definieren für angebracht halte. Je nach Definition wären Viren lebendig oder auch nicht.
Für mich sind Viren Lebewesen. Ebenso, wie auch andere Lebewesen nicht ohne wiederum andere Lebewesen lebensfähig sind/wären (Raubfische ohne ihre Beute kleinere Fische, usw. usw.). Weil sie (z. B. Viren, Föten) aber nicht selbständig (allein, ohne Verbindung mit anderen Lebewesen/Organismen) lebensfähig sind, entscheiden sie auch nicht selbständig über ihr Leben/Sterben. Sondern es hängt von ihren "Wirten" ab, ob sie weiter leben/funktionieren können/sollen oder nicht.


Deadly Snowflake hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:Ist es das? Oder ist nicht vielmehr eben "(Menschen-)Würde" die höchstgestellte Definition?
Ausserdem ordne ich "Würde" nicht ausschliesslich Demokratien zu. Auch wenn es ein deutsches Wort ist und ich die Übersetzung in andere Sprachen (arabisch, chinesisch, ...) nicht kenne, so gehe ich doch davon aus, dass es etwas allgemein-Menschliches (unabhängig von Religion und Politik-Systemen) benennen soll.
Allenfalls könnte man sagen: auch Angreifer der Demokratie können ihre Würde nicht verlieren, aber ihr Anrecht darauf als solche behandelt zu werden.
Als solche ... was?
Deadly Snowflake hat geschrieben:Und wie ist es im Krieg...hatten die Nazis Würde oder nicht (ist Würde etwas was man auch verlieren kann?)
Wenn die menschliche Würde "unantastbar" ist, gilt/galt das auch für die Nazis.
Auch spontan würde ich jedem Nazi eine menschliche Würde/Existenz zugestehen.
Was sie aber taten, war (menschen-)unwürdig.
Deadly Snowflake hat geschrieben:Würde kann sich durchaus auf Ansehen, Ämter, Kaste, Klasse beschränken...aber unsere Vorstellung davon impliziert etwas allen Menschen (mit Ausnahmen) Zukommendes, deshalb ist unser Gebrauch auch nur zutreffend auf Demokratien anwendbar (ein Land wie China kennt eine so definierte Würde mit Sicherheit nicht...mehrmals wurde von offizieller Seite gesagt, die Menschenrechte seien eine westliche Erfindung...womit sie auch nicht ganz Unrecht haben).
Nein, meine Vorstellung davon "impliziert" eben gar nichts. Und keinesfalls darf das auf bestimmte politische Systeme beschränkt sein, wenn es (jeden einzelnen) MENSCHEN betreffen sollte.
Deadly Snowflake

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Deadly Snowflake »

Chron hat geschrieben:Töten Ja - Foltern Nein.
Und wenn das Foltern mit an Sicheheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tod Tausender retten würde? Man braucht nur mit den potentiellen Opferzahlen raufzugehen und irgendwann wird noch der vehementeste Gegner solcher Praktiken einknicken.
Deadly Snowflake

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Deadly Snowflake »

[quote="Chron"]
1) Ja, auch ein Fötus im 6. Monat ist für mich noch ein (mutter-)körperabhängiges, körperlich unselbständiges (menschliches) Lebewesen. Über das seine es tragende Mutter entscheiden darf/soll, weil und wie es sie als Mensch/Körper betrifft. So lange es im Mutterkörper drin ist. Wenn es aus dem Mutterkörper heraus gekommen ist bzw. genommen worden ist (Frühgeburt) und selbständig (allenfalls mit einigen Hilfsmitteln in einer Frühgeborenen-Station oder so) lebensfähig ist, dann jedoch hat es ein eigenes Lebensrecht, und das zu torpedieren (wenn es leben will), wäre für mich Mord. Es ist aber kein Mord, "die Maschinen abzustellen".

2) "Ausgebildetes Hirn" kann ich so nicht bestätigen. Zwar hat so ein Wesen in dem Stadium ein Hirn, aber das ist noch nicht ein Hirn mit der Denkfähigkeit/Sprachfähigkeit späterer Jahre.

3) Altersdemente sind nicht körperlich völlig (symbiotisch) abhängig von Anderen. Nur in einem Gesellschaftssystem, in dem sie nicht mehr funktionieren. Rein körperlich aber sind sie noch lange selbständig; können/wollen essen, trinken, schlafen usw..
Natur ist, dass sie sterben, wenn sie ohne Hilfe nicht mehr zum Lebensnotwendigen kommen.

4)Ich weiss nicht, wann genau sich ein Zellklümpchen in Mehrlinge aufteilt bzw. noch aufteilen kann (Spezialfall siamesische Zwillinge usw. ...). Vielleicht ist also ein Frühstadium von Zellklümpchen noch kein definitiv einzigartiges Lebewesen. Dennoch ist es ein Mensch - oder ein "Multipack Mensch", meinetwegen.

5) Ich tendiere dazu überhaupt nicht. Das "Bewusstsein" (menschliches Denken) wird für mich viel zu oft überschätzt. Es mag angenehm sein, sowas zu haben, als Mensch - aber es ist auch Mensch, was kein Bewusstsein hat (extrem geistig Behinderte bzw. Menschen im "Wachkoma" usw.), und natürlich sind auch Tiere und Pflanzen Lebewesen, ohne dass ich deswegen nach deren Hirn und Sprache/Bewusstsein/Denken fahnden müsste (und so viel ich weiss, entspricht das der allgemeinen naturwissenschaftlichen Definition davon - wenn nicht, bleibe ich trotzdem bei meiner).
Funktionierende Organismen sind alle "lebenden" Lebewesen. Wenn aber ein Mensch NUR noch das ist ("funktionierend" beim Lebensnotwendigen wie Atmung, Stoffwechsel), ist das für mich "eine lebende Leiche".

6 Absurd ist nichts, was nur nicht deiner Meinung entspricht. ICH fände es völlig absurd, einem Körperteil eines Menschen (dazu gehört auch Embryo/Fötus) mehr Rechte zuzugestehen als dem Menschen (der Mutter) insgesamt.

7 Ob ich im 6. Monat hätte abgetrieben (getötet) werden wollen: Rückblickend gesehen Ja - wie viel wäre mir erspart geblieben ... Damals aber: Da gab es nichts zu wollen. Diese Entscheidung stand mir nicht zu, sondern trafen Andere!

8 Tut man ja auch: Hirn-Toter, aber sonst noch Lebender, heisst doch die Auflösung dieser (nicht von mir stammenden) Wort-Definition.

9) Ein noch funktionierender Organismus funktioniert nicht? Was für ein Blödsinn, und Widerspruch in sich (rein sprachlich/wörtlich)!
Nein, ein eigenständiges Lebensrecht hat ein abhängiger Organismus nicht - weil er eben nicht unabhängig/selbständig lebensfähig ist. Das gilt für menschliche "Zellklumpen", Parasiten und vieles mehr. Nicht von irgendwelchen Theorien her, sondern von der Natur her.

10) Wann ist für mich ein Mensch tot? Wenn ich nichts mehr von ihm wahrnehmen/empfangen kann. Das ist einige Tage nach seinem offiziellen (Gesamt-Körper-)Tod. War er davor, im Zwischenstadium zwischen normalem Menschen und Leichnam (Wachkoma, Leichenaufbewahrungshalle), lebend oder tot, Mensch oder nur noch Organismus, ...? Weiss ich nicht. Ist nicht definiert.

11) Für mich sind Viren Lebewesen. Ebenso, wie auch andere Lebewesen nicht ohne wiederum andere Lebewesen lebensfähig sind/wären (Raubfische ohne ihre Beute kleinere Fische, usw. usw.). Weil sie (z. B. Viren, Föten) aber nicht selbständig (allein, ohne Verbindung mit anderen Lebewesen/Organismen) lebensfähig sind, entscheiden sie auch nicht selbständig über ihr Leben/Sterben. Sondern es hängt von ihren "Wirten" ab, ob sie weiter leben/funktionieren können/sollen oder nicht.

12) Auch spontan würde ich jedem Nazi eine menschliche Würde/Existenz zugestehen.
Was sie aber taten, war (menschen-)unwürdig.






ANTWORT:

Zu 1) Finde ich völlig falsch. Spätestens wo klar ist, dass ein Wesen über Empfindungen verfügt, ist die Grenze zu ziehen...alles andere ist bestialisch und wäre nur schon der Sozialmoral wenig dienlich, wie auch einer abtreibenden Mutter und den Ärzten (man hielte immerhin ein Wesen fast so gross wie ein Neugeborenes in den Händen). Eine Frau die sich nach 7 oder 9 (!) Monaten dazu entscheidet abzutreiben nur weil sie keine Lust hat...wie absurd. Für eine solche Würde (welche?) müsste ein fast "geburtsreifes" Wesen sterben?! Mir scheint dein Autonomiebestreben bezüglich den eigenen Tod selbst bestimmen zu können, führt dich da auf völlig unreflektierte Ideen.
Zu 2) Was ich meine ist klar: ein Hirn welches weit genug ausgebildet ist um Schmerzen erleiden zu können. Dass das Hirn nie fertig ausgebildet ist (Neubildung von Synapsen), ist klar.
Zu 3) Warum sich um Demente etc. kümmern? Gemäss deiner Logik ist die Autonomie dermassen weit gefasst, dass nur wer unbedingt will (und das wären weit zu wenige)dazu genötigt werden könnte, Demente etc. zu pflegen.
Zu 4) Du musst dich entscheiden: einerseits Abtreibung bis vor der Geburt, dann aber eine Zygote als Mensch bezeichnen (und jeder Mensch hat Würde=Lebensrecht)...zugleich aber einen Hirntoten als tot zu bezeichnen (oder doch nicht?)...was für ein Durcheinander.
Zu 5) Da hast du mich falsch verstanden: mit Bewusstsein meine ich mentale Phänomene nicht das Denken...dass Tiere und Pflanzen selbstverständlich auch Lebewesen sind, ist nur dann selbstverständlich wenn du nicht erkennst wie Definitionen gemacht sind/werden. Und ich betone: wer das Hirntodkriterium akzeptiert, akzeptiert zumindest beim Menschen eine mentalistische Lebensdefinition, was du nicht tust. Was soll ich da noch argumentieren?!
Zu 6) Siehe Kommentar zu 1): einfach inhuman und zudem wenig durchdacht. Ein Fötus im 8. Monat würde der Mutter einen Monat ihres Lebens in die Pflicht nehmen (dann könnte sie es zur Adoption freigeben). Die Mutter soll sich schwängern lassen und ohne Begründung nach 8 Monaten abtreiben lassen können...ohne irgendeine Verantwortung zu übernehmen? (Irgendwie kapierst du nicht, dass es nicht nur Menschenrechte sondern auch Menschenpflichten gibt. Du scheinst Würde mit Egoismus zu verwechseln).
Zu 7) Meine Vermutung: du argumentierst über Abtreibung von deinen unbefriedigten Autonomie-Ansprüchen her...und vertrittst einen völligen inhumanen und argumentativ nicht zu begründenden Autonomiewahn.
Zu 8 Soviel zu deiner begrifflichen Klarheit: genau solche "Wursteleien" behindern eine Klarheit bei solchen Problemen. Ein Hirntoter: ein Zombie, halb lebend, halb tot. In der Praxis sind aber Antworten gefragt...und da hilft nur ein klares Denken welches darum bemüht ist plausible Kriterien und Definitionen zu finden.
Zu 9) Ich schrieb: ein (künstlich) am Funktionieren erhaltener Organismus sei kein funktionierender Organismus. Nur ein ohne externe Unterstützung funktionierender sei als solcher zu bezeichnen. Da beide Fälle vorkommen, ist die Unterscheidung in der Sache begründet.
Zu 10) Ich rede von Hirntod als Kriterium. Natürlich ist es definiert!
Zu 11) Aha...Viren sind Lebewesen. Aber dir ist unklar wann ein Mensch als tot zu bezeichnen ist...übrigens leben in jedem Menschen Myriaden von lebensermöglichenden Bakterien. Soviel zu deinem Problem abhängiges von nicht-abhängigem Leben zu unterscheiden.
Zu 12) Ach, das ist doch reinstes Blabla. Man kann also morden wie man will und behält seine Würde...ja, worin besteht die dann, in einem Potential? Der Nazi der einer Hochschwangeren bei lebendem Leib das Baby aus den Bauch schneidet, hat Würde, und Anspruch auf Leben, der herausgeschnittene Fötus aber nicht (von wem und aus welchem Grund er abgetrieben wird, dürfte ihm reichlich egal sein, aber ein Verbrechen wäre es dennoch nur an der Mutter)...interessant. Ich kann das nur als Trotz interpretieren, ansonsten ich nicht genau wüsste, wie ich dich einzuschätzen hätte. (Übrigens hast du oben den "Zellklumpen" als Mensch bezeichnet...meinst aber, dass der Nazi auf Grund der allgemeinen Menschenwürde auch eine Würde habe und damit ein Lebensrecht, der Zellklumpen aber nicht...soviel zu Widersprüchen, die mir aber angesichts deiner recht eigenartigen Überzeugungen reichlich nebensächlich erscheinen).

Sorry, aber mit deinen Ansichten zu Punkt 1) und 12) hast du mich echt ins "Grübeln" gebracht (Mit deinen Worten: "Mir fehlen die Worte, etwas entsetzt"). Dass du das nicht selber absurd findest...aber wie heisst es so schön: credo, quia absurdum est...oder doch eher (wie Nietzsche meinte): credo, quia absurdum sum.(Die einzige Frage wäre, ob vorübergehend aus Trotz, oder doch endgültig: und damit ein Exempel abgebend, wie partiell gerechtfertigte Forderungen nach Autonomie durch Verabsolutierung ins Inhumane und in die Verblendung führen...ja, ich kenne deine Antwort, nur was ich für Richtig halte etc., verschon mich bitte mit solchen Manövern).

ps: Falls du antwortest, bitte nur auf Punkte 1), 6) und 12). Der Rest scheint mir angesichts dessen recht unwesentlich. (Dein ganzes Denken ist zudem, das Thema betreffend, durchsetzt von Widersprüchen und mangelnder begrifflicher Reflexion, so dass es sehr schwer fällt überhaupt zu antworten, da der rote Faden einfach nicht auffindbar ist. Ja, ich weiss: nur weil ich ihn nicht finden kann etc, aber wie schon erbeten: verschon mich bitte damit).
Erklär mir einfach: Warum wiegt das Recht auf Leben eines Fötus im 9. Monat weniger, als der absolute Autonomieanspruch der Mutter, welche nicht einmal die Pflicht hätte, einen Monat, oder auch nur einen Tag, für das von ihr gezeugte Leben (wofür sie mit verantwortlich ist) gerade zu stehen (es nach der Geburt zur Adoption freizugeben, stünde ihr ja frei)? Oder anders: Was gibt einer Schwangeren das Recht ihren 9 Monate alten Fötus nach Lust oder Laune, also ohne irgendetwas rechtfertigen zu müssen, abtreiben zu lassen?
Ich bin zumindest verdammt froh nicht in einer Gesellschaft leben zu müssen wo solches als richtig erachtet würde...
Chron
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Re: Das Dignitas-Motto

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Deadly Snowflake hat geschrieben:(Dein ganzes Denken ist zudem, das Thema betreffend, durchsetzt von Widersprüchen und mangelnder begrifflicher Reflexion, so dass es sehr schwer fällt überhaupt zu antworten, da der rote Faden einfach nicht auffindbar ist. Ja, ich weiss: nur weil ich ihn nicht finden kann etc, aber wie schon erbeten: verschon mich bitte damit).
Der "rote Faden" ist nach wie vor das Dignitas-Motto bzw. der Thread-Titel.
Also: Was bedeutet das Dignitas-Motto, was verstehen wir/ich/du darunter, was ist "menschenwürdig" bzw. "menschenwürdig leben, menschenwürdig sterben", was/wie sollte es sein, gemäß unseren/meinen/deinen Wünschen/Vorstellungen/Erfahrungen, was assoziiert das (was immer links oben auf den Forumsseiten steht und uns damit begleitet) dir, mir, ...

Widersprüche: Mittlerweile habe ich bemerkt, dass man den Begriff "Menschenwürde" ganz verschieden auffassen kann: Für die Einen (Sterbehilfe-Befürworter) gehört dazu ein gutes (bequemes, nicht leidvolles) Sterben/Ende jedes Menschen und auch Sterbehilfe (durch andere, gesündere Menschen), wenn jemand (Sterbender/Kranker/Behinderter) das wünscht, und für die Andern (Sterbehilfe-Gegner) ist "(Menschen-)Würde" ein "Retten" und Erhalten von Leben, auch Leiden, auf jeden Fall und um jeden Preis, auch gegen den Willen derer, die da noch weiter leben/leiden sollen.

Was also ist "würdig", "menschenwürdig" - und für welche Menschen in welchem Sinne "würdig"? Gilt das nur für ihr jeweiliges Glaubenssystem, in das sie alle anderen Menschen mit einbeziehen wollen (auch wenn andere Menschen das überhaupt nicht wollen, nicht gutheissen, ja wohl oft nicht einmal kennen) - oder soll das für jeden Einzelnen gelten, im Sinne von "ich will ... menschenwürdig leben, menschenwürdig sterben" (und was genau ist das nun?)?

Thanatos meinte, wenn man "[...-]würdig" nicht definieren kann, sollte man "menschen[-...]" definieren.
Für mich ist "Mensch" aber eine klare Definition (im Gegensatz zu Wörtern/Begriffen wie Affe, Zebra, Stern, Stuhl, ...).
Und dennoch: "Wann ist man ein Mensch" (entlehnt aus Herbert Grönemeyer's "wann ist man ein Mann") - bzw. wo/wann/wie genau beginnt es, und wo/wann/wie genau endet es?

Eine Abtreibung im oder nach dem 9. Monat gibt es meines Wissens nicht. Sondern das ist dann eben eine Geburt - und anschliessend sind es zwei von einander unabhängige Menschen.

Und mehr fällt mir dazu nun gerade nicht mehr ein.
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Orgeluse »

Ich habe hier jetzt nicht mehr vieles gelesen, doch in den letzten postings ist mir eine Verbissenheit aufgefallen, die sicherlich "sachbedingt" ist, die mich aber schmerzt.

"Menschenwürde" - das also, lieber Chron, ist das Wort, an dem Du Dich reibst. Noch dazu, wenn es, wie im Dignitasmotto, zusammenmit den Verben "leben" und "sterben" verwendet wird.

Warum aber beißt Du Dich nach so vielen Seiten hier immer noch an der Idee fest, dass dieses Motto "definiert" werden könnte, dass es also begrifflich eindeutig festgelegt werden könnte?
Jedes Wort jeder menschlichen Sprache ist nur verständlich wegen historischer 'Vereinbarungen' über dieses Wort, jedes Wort ist also nur verständlich, weil über seinen Gebrauch ein Konsens herrscht. Jeder Wortgebrauch ist also konventionell. (In der Dichtung ist das oft anders.)
Daraus folgt auch, dass Wörter sich nur sehr bedingt "definieren" lassen, dass sie gebraucht werden, um innerhalb eines gewissen Bedeutungsfeldes etwas zu meinen, also nicht 'punktgenau'.
Es gibt gewiss Wörter, die punktgenauer sind als andere: "Regen" ist punktgenauer als "Würde", "Baum" punktgenauer als "Ehre", "Auto" punktgenauer als "Liebe" und "Biene" punktgenauer als "Trauer".
Wörter, die Gegenstände und Dinge bezeichnen, sind punktgenauer als Wörter, die Emotionen oder Aspekte der Ethik bezeichnen.
Menschenwürde ist ein Begriff der Ethik.
Über den gibt es - grob über alle 'ideologischen Lager' hinweg - eine konsensuelle Verständigung. Dazu gehören (hierzulande) unter anderem:
- keine Folter,
- keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Ethnie, relig. Glauben, physischer oder psychischer Verfassung,
- Freiheit des Aufenthaltes (sofern nicht delinquent oder selbst/fremdgefährlich),
- Freiheit der Berufsausübung (sofern nicht selbst/fremdgefährlich),
u.s.w.

Wenn man dann aber mal genauer guckt - landet man in genau Deinem Problem, lieber Chron.
Es sind nur Worte.

Doch was wären wir ohne sie?

Und Dein Nachbohren find ich gut! Nur: Definiere doch jetzt langsam mal für DICH, was "Menschenwürde" sein soll, und was "Leben" und was "Sterben". Und wenn Du dafür Definitionen gefunden hast, dann stelle die doch hier zur Diskussion. (So funktioniert Sprachentwicklung übrigens in gewisser Weise ...)
Der Weg, den Du hier beschreitest (es genau andersrum zu versuchen und nach Definitionen zu fragen), führt doch nur dazu, dass die Diskussion über den Gehalt dieser Begriffe sich so verzettelt, wie es hier geschehen ist.

Lieben Gruß von müder
Orgel
Chron
Beiträge: 642
Registriert: Samstag 10. Juli 2010, 20:56

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Chron »

Für mich kann ich das nicht definieren, weil das ja nicht von mir stammt und nicht zu meinem normalen Sprachgebrauch gehört.
Und ich will es auch nicht definieren, denn das gälte ja dann nur für mich, so ein Motto aber soll ja allgemein(verständlich) sein.
Die "Verzettelung" stört mich überhaupt nicht - sondern es zeigt, was ausgehend von diesen Wörtern so alles vorkommt, in menschlichen Gedanken.
Orgeluse hat geschrieben:Menschenwürde ist ein Begriff der Ethik.
Über den gibt es - grob über alle 'ideologischen Lager' hinweg - eine konsensuelle Verständigung. Dazu gehören (hierzulande) unter anderem:
- keine Folter,
- keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Ethnie, relig. Glauben, physischer oder psychischer Verfassung,
- Freiheit des Aufenthaltes (sofern nicht delinquent oder selbst/fremdgefährlich),
- Freiheit der Berufsausübung (sofern nicht selbst/fremdgefährlich),
u.s.w.
Damit bin ich schon mal überhaupt nicht einverstanden, bzw. hätte dazu gern eine Erklärung:
Was hat es mit Ethik oder Würde zu tun, Menschen einzusperren, die nur sich (angeblich oder wirklich, und wie auch immer) "gefährden"? Und was heisst denn "sich"? Ihr Wohlsein (niemand wird was tun, womit er absichtlich unwohler ist; das mag nur Andern so scheinen; Beispiel Selbstverletzungen, bei denen physischer Schmerz den seelischen überdecken kann, der schlimmer war) - oder ihr Leben? Wer sich umbringen will, verliert seine Würde, wird eingesperrt, ...?
Auch beim Beruf hat Jeder das Recht, sich selber zu gefährden (Abenteurer, Sportler usw.).
Solche Definitionen (wie von dir zitiert/geschrieben) sind für mich Abwertungen, Würdelosigkeiten (von Menschen über Menschen) - wobei ich bei "Freiheit des Aufenthaltes" nicht bestreite, dass es dazu solche Einschränkungen in Gesetzen/Verfassungen gibt (beim Beruf hingegen ist mir nichts Solches bekannt).
Chron
Beiträge: 642
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Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Chron »

Zu einer möglichen Definition fiel mir jetzt gerade doch noch was ein:

Würde = Freiheit, Entscheidungsfreiheit/Entscheidungsmöglichkeit (und diese Entscheidung dann auch umsetzen können und dürfen), Handlungsfreiheit/Handlungsfähigkeit (das Dahinvegetieren in völlig gelähmtem Zustand wird wohl allgemein eher als würdelos empfunden).

Aber bei "menschenwürdig" stellt sich mir weiterhin die Frage: Für welche Menschen (sich und/oder andere) würdig?
Chron
Beiträge: 642
Registriert: Samstag 10. Juli 2010, 20:56

Re: Das Dignitas-Motto

Beitrag von Chron »

Sonntag, 24.11.2013 TV SRF 1, 11:00-11:55

Wiederholungen:
Dienstag, 26. November 2013, 12:00 Uhr, SRF info
Mittwoch, 27. November 2013, 5:30 Uhr, SRF 1
Samstag, 30. November 2013, 9:00 Uhr, SRF 1
Teletext hat geschrieben:
 Sternstunde Philosophie: Peter Bieri
 über ein würdevolles Leben

 Kultur - 2013

Hinter dem Romancier Pascal Mercier
("Nachtzug nach Lissabon") steckt der
Philosoph Peter Bieri, der sich inten-
siv mit der menschlichen Würde ausein-
andersetzt. Im Gespräch mit Juri Stei-
ner erläutert Bieri, wie man existenzi-
ellen Herausforderungen mit Haltung und
moralischer Integrität begegnen kann.
Selbständigkeit, Begegnung, Wahrhaftig-
keit und Selbstachtung - das sind die
Felder, die Peter Bieri auf seiner
jüngsten Recherche nach der "Würde als
Lebensform" absteckt. Mit reichen Bezü-
gen zur Weltliteratur bringt der in

Berlin lebende Berner begriffliches
Licht in die komplexen Erfahrungen im
Umgang mit der menschlichen Würde.
Bieri vertritt die Meinung, dass die
Menschen den verschiedensten Verletzun-
gen der Würde in Form von Demütigung,
Abhängigkeit oder Ohnmacht nicht nur
passiv ausgesetzt sind. Sie hätten es
meist selbst in der Hand, ob ihnen ein
Leben in Würde gelingt oder nicht.
http://www.srf.ch/sendungen/sternstunde ... lles-leben
Gesperrt