Suizidale Kultiviertheit
Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator
Suizidale Kultiviertheit
Was mich schon lange bewegt: Mir fällt auf, daß die Teilnehmer hier sehr kultiviert und intelligent miteinander kommunizieren. Sie haben zumeist ein hohes Maß an Allgemeinbildung, brillieren mit wissenschaftlichen Ansätzen und ausgeklügelten Philosophien, können sich differenziert ausdrücken und fallen angenehm durch einen exzellenten Schreibstil auf. Man findet hier außerdem ein überdurchschnittliches Maß an Selbstreflektiertheit und Herzenswärme. Und selbst den Humor haben viele noch nicht verloren. Irgendwie schade, daß all diese Menschen von dieser Erde gehen möchten...
Re: Suizidale Kultiviertheit
Hätte mich selber nicht besser beschreiben können, da fallen ausnahmsweise Fremd- und Eigenwahrnehmung in einsBlueSky01 hat geschrieben:Was mich schon lange bewegt: Mir fällt auf, daß die Teilnehmer hier sehr kultiviert und intelligent miteinander kommunizieren. Sie haben zumeist ein hohes Maß an Allgemeinbildung, brillieren mit wissenschaftlichen Ansätzen und ausgeklügelten Philosophien, können sich differenziert ausdrücken und fallen angenehm durch einen exzellenten Schreibstil auf. Man findet hier außerdem ein überdurchschnittliches Maß an Selbstreflektiertheit und Herzenswärme. Und selbst den Humor haben viele noch nicht verloren. Irgendwie schade, daß all diese Menschen von dieser Erde gehen möchten...
Re: Suizidale Kultiviertheit
Vielleicht ist das umgekehrt: In der Sterbephase sieht/(be)denkt man das Leben anders.BlueSky01 hat geschrieben:Irgendwie schade, daß all diese Menschen von dieser Erde gehen möchten...
Sterben ist kein wissenschaftlicher Prozess. Und Herzenswärme fehlt mir in diesem Forum sehr oft - aber ich denke, auch das ist die logische Folge des (nirgendwo offiziell genannten) Hauptthemas.BlueSky01 hat geschrieben:[...] sehr kultiviert und intelligent [...] ein hohes Maß an Allgemeinbildung, brillieren mit wissenschaftlichen Ansätzen und ausgeklügelten Philosophien [...] exzellenten Schreibstil [...] überdurchschnittliches Maß an Selbstreflektiertheit und Herzenswärme [...]
Re: Suizidale Kultiviertheit
Richtig: in der Sterbephase sieht man das evtl. anders, aber letztlich weil man keine andere Wahl hat (wie auch einer distanziert-gelassenen Phase in der Regel ganz andere vorangehen dürften). Und wie viele würden ein lebenswertes Leben dem Tod vorziehen?Chron hat geschrieben:Vielleicht ist das umgekehrt: In der Sterbephase sieht/(be)denkt man das Leben anders.BlueSky01 hat geschrieben:Irgendwie schade, daß all diese Menschen von dieser Erde gehen möchten...
Sterben ist kein wissenschaftlicher Prozess. Und Herzenswärme fehlt mir in diesem Forum sehr oft - aber ich denke, auch das ist die logische Folge des (nirgendwo offiziell genannten) Hauptthemas.BlueSky01 hat geschrieben:[...] sehr kultiviert und intelligent [...] ein hohes Maß an Allgemeinbildung, brillieren mit wissenschaftlichen Ansätzen und ausgeklügelten Philosophien [...] exzellenten Schreibstil [...] überdurchschnittliches Maß an Selbstreflektiertheit und Herzenswärme [...]
Sterben ist natürlich auch ein wissenschaftlicher (physiologischer) Prozess. Und selbst der Psychologie kann man sich verstehend zumindest annähern (wie schon früher erwähnt: z.B. die fünf Phasen von Kübler-Ross. Sterbebegleitung (im allgemeinen Sinn) ohne ein solches Verstehen wäre absurd).
Das mit der Herzenswärme ist eine diffizile Sache...und bestimmt nicht (immer) jedermanns Stärke. Jeder hat seine Defizite, der eine hier der andere dort...
Re: Suizidale Kultiviertheit
Resignation, Einsicht, Akzeptanz von Schlechtem als eine Art von (von Manchen bewunderte) Kultur, Weisheit?Deadly Snowflake hat geschrieben:Richtig: in der Sterbephase sieht man das evtl. anders, aber letztlich weil man keine andere Wahl hat (wie auch einer distanziert-gelassenen Phase in der Regel ganz andere vorangehen dürften).
Diese Frage stellt sich in der Sterbephase nicht mehr. Ausserdem ist sie sehr abstrakt-theoretisch, weil diese Wahl ja dann eben nicht mehr besteht.Deadly Snowflake hat geschrieben:Und wie viele würden ein lebenswertes Leben dem Tod vorziehen?
Ich meinte: Sterben ist ein letztlich natürlicher Prozess in jedem Leben (von Menschen, Tieren, Pflanzen, Sternen, ...), der keiner "Wissenschaft" bedarf, und den es längst vor Erfindung der "Wissenschaften" gab und auch weiterhin abseits von jeglichem solchem gibt.Deadly Snowflake hat geschrieben:Sterben ist natürlich auch ein wissenschaftlicher (physiologischer) Prozess. Und selbst der Psychologie kann man sich verstehend zumindest annähern (wie schon früher erwähnt: z.B. die fünf Phasen von Kübler-Ross. Sterbebegleitung (im allgemeinen Sinn) ohne ein solches Verstehen wäre absurd).
Sicher kann man auch das Sterben - aber vielleicht nicht das eigene - in Wissenschaftliches einzuordnen versuchen.
Elisabeth Kübler-Ross war Medizinerin, nicht Psychologin. Und wie so oft bei solchen: Die ersten Bücher fand ich gut und habe ich gelesen (Interviews mit Sterbenden, o. ä.). Dann aber wird versucht, es allgemeingültig zu "verwissenschaftlichen", und das erfasst die Realität des Einzelnen dann nur noch sehr wenig bis gar nicht. So viel ich weiss, hat sich auch ihr Sterben dann nicht an solche vordefinierten "Phasen" gehalten ...
Das mit/wegen der Herzenswärme gilt wohl auch für Sterbebegleitung.Deadly Snowflake hat geschrieben:(wie schon früher erwähnt: z.B. die fünf Phasen von Kübler-Ross. Sterbebegleitung (im allgemeinen Sinn) ohne ein solches Verstehen wäre absurd).
Das mit der Herzenswärme ist eine diffizile Sache...und bestimmt nicht (immer) jedermanns Stärke. Jeder hat seine Defizite, der eine hier der andere dort...
Dennoch tun die vielen Leser/-innen dieses Forums (die Aufrufzahlen von Threads/Themen sind meistens weit höher als die Mitmacher[/-innen]/Schreiber{-innen] darin) genau das (: Sterbegleitung). Unerkannt, vielleicht selbst neugierig, in einer uns nicht bekannten Lebensart (weil ich "Lebensphase" vermeiden will; wer soll sowas einteilen dürfen und warum?) ...
Re: Suizidale Kultiviertheit
Dem kann ich nur beipflichten. In einem gewissen Zusammenhang lernte ich in einem Seminar mit Sterbenden umzugehen. Ich bin meinem schlechten Gedächtnis dankbar, dass ich mich an den Inhalt des Seminars kaum erinnerte, als ich später in der Praxis mit Sterbenden umzugehen hatte. Menschen sind Individuen, und auch sterbende Menschen sind Individuen, soll heißen, sie lassen sich nicht über einen Kamm scheren.Chron hat geschrieben:... Dann aber wird versucht, es allgemeingültig zu "verwissenschaftlichen", und das erfasst die Realität des Einzelnen dann nur noch sehr wenig bis gar nicht. So viel ich weiss, hat sich auch ihr Sterben dann nicht an solche vordefinierten "Phasen" gehalten ...
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Anstatt „wissenschaftliche Erkenntnisse“ sind Empathie und Intuition die besten Lehrmeister in diesem Zusammenhang.
Es grüßt,
Thanatos
Re: Suizidale Kultiviertheit
Die Phasen verstand Kübler-Ross nicht als Dogma. Weder durchlaufen alle diese fünf Phasen noch notwendigerweise in einer offensichtlichen Abgrenzung zueinander. Jede idealtypische Abgrenzung ist notwendigerweise verallgemeinernd und deren Funktion besteht darin Unterscheidungen zu erleichtern und nicht darum jede Erscheinung gewaltsam in ein Muster zu pressen.Thanatos hat geschrieben:Chron hat geschrieben:... Dann aber wird versucht, es allgemeingültig zu "verwissenschaftlichen", und das erfasst die Realität des Einzelnen dann nur noch sehr wenig bis gar nicht. So viel ich weiss, hat sich auch ihr Sterben dann nicht an solche vordefinierten "Phasen" gehalten ...
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Dass jedes idealtypische Schema missverstanden werden kann ist klar...
Re: Suizidale Kultiviertheit
Entscheidend war weder das eine noch das andere. Wenn verstehende Sterbebegleitung eine Sache der "Herzenswärme" ist, so auch die Fähigkeit solche Unterschiede zu erkennen. Wenn ich "Verstehen" sagte dann im Sinne einer Abgrenzung zum "Erklären" (Windelband: der Unterschied von nomothetisch und idiographisch).Chron hat geschrieben: Elisabeth Kübler-Ross war Medizinerin, nicht Psychologin. Und wie so oft bei solchen: Die ersten Bücher fand ich gut und habe ich gelesen (Interviews mit Sterbenden, o. ä.). Dann aber wird versucht, es allgemeingültig zu "verwissenschaftlichen", und das erfasst die Realität des Einzelnen dann nur noch sehr wenig bis gar nicht. So viel ich weiss, hat sich auch ihr Sterben dann nicht an solche vordefinierten "Phasen" gehalten ...
Jede Wissenschaft muss verallgemeinern, abstrahieren, ansonsten liesse sich gar nichts mitteilen. Die fünf Phasen sind ein Hilfsmittel um das Sterbephänomen als Ganzes besser zu verstehen, als auch im Einzelfall die Wahrnehmung zu sensibilisieren. Eine Parallele wäre z.B. die Klassifizierung der NTE-Phänomene durch Moody: das sind idealtypische Beschreibungen, die so in der Realität kaum vorkommen, aber das müssen sie auch gar nicht um ihre Funktion zu erfüllen. Die Kunst besteht dann darin, ob solcher Hilfsmittel den je einzelnen "Fall" nicht willkürlich in ein vorgegebenes Raster zu pressen.
Re: Suizidale Kultiviertheit
Verstehe nicht was du damit sagen willst. Natürlich starb auch vor der Wissenschaft jedes Lebewesen...und ?Chron hat geschrieben: Ich meinte: Sterben ist ein letztlich natürlicher Prozess in jedem Leben (von Menschen, Tieren, Pflanzen, Sternen, ...), der keiner "Wissenschaft" bedarf, und den es längst vor Erfindung der "Wissenschaften" gab und auch weiterhin abseits von jeglichem solchem gibt.
Sicher kann man auch das Sterben - aber vielleicht nicht das eigene - in Wissenschaftliches einzuordnen versuchen.
Re: Suizidale Kultiviertheit
Nein, abstrakt ist das nicht (auch wenn sich diese Frage irgendwann nicht mehr spontan einstellt). Jeder kann sich diese Frage stellen und beantworten, auch dann wenn eine faktische Wahl nicht mehr möglich ist.Chron hat geschrieben:Diese Frage stellt sich in der Sterbephase nicht mehr. Ausserdem ist sie sehr abstrakt-theoretisch, weil diese Wahl ja dann eben nicht mehr besteht.Deadly Snowflake hat geschrieben:Und wie viele würden ein lebenswertes Leben dem Tod vorziehen?
Ich behaupte, dass fast jeder ein lebenswertes Leben dem Suizid vorziehen würde. Man könnte ja auch andere Prämissen haben (dass in jedem auch ein Todestrieb wirkt oder dass nihilistische Überlegungen dazu führen das Leben an sich als wertlos zu betrachten etc.).
Wenn du ein Leben nach deinen Bedürfnissen leben könntest (das bedingt nur erinnerbare oder noch existierende Bedürfnisse und entsprechende Phantasie), würdest du ein solches dem Tode vorziehen? Wünsche oder Vorstellungen ein lebenswertes Leben betreffend können im Einzelfall natürlich kaum mehr vorhanden sein, aber das ist in der Regel Folge langen Leidens (oder schlicht des Alterns) und nicht schon Beweis dafür, dass jemand den Tod dem Leben grundsätzlich vorzieht.