Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr es?

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Chron
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Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr es?

Beitrag von Chron »

Das Dignitas-Motto heisst zwar nicht ganz gleich, sondern "Menschenwürdig leben", "Menschenwürdig sterben". Und bei einem würdevollen Leben wird's meiner Meinung nach uferlos - Hunger z. B., an dem Millionen oder gar Milliarden Menschen leiden, ist wohl kaum "würdig"; warum speziell "menschen"würdig (im Gegensatz zu vielleicht z. B. tierwürdig - wobei Tiere eingeschläfert werden, wenn sie sehr leiden, Menschen aber nicht) müsste erörtert werden usw.; man würde vielleicht irgendwo bei den abstrakten "Menschenrechten" (Wunschvorstellungen offenbar von manchen Leuten, aber wohl in keinem Land garantiert oder garantierbar) landen usw..

Aber ein würdiger Tod, egal nach was für einem Leben, bzw. ein würdiges Sterben, am Ende egal welchen Lebens, was ist das?

Auf dieses Thema bzw. diese Frage gebracht hat mich die Waadtländer Abstimmung letzten Sonntag (s. z. B. http://www.dignitas.ch/for/viewtopic.ph ... 788#p74788).


Ich denke, man sollte das schon gelebte Leben des Sterbenden/Sterbenwollenden/Sterbenmüssenden und alles von ihm/ihr erlittene Leid (das zum Sterben/Sterbenwollen/Sterbenmüssen führte) anerkennen, und alle letzten Entscheidungen über das wann, wie usw. den Sterbenden/Sterbenwollenden überlassen und möglichst gut erfüllen.

Und jetzt bin ich selbst überrascht, dass das so kurz wurde - ob das verständlich war? Oder habe ich noch was vergessen, übersehen, ...?
suizidal
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von suizidal »

Aus der Schweizer Gesetzgebung ergibt sich für mich keinerlei Einschränkung.
(Korrektur ist willkommen!)
Demnach müsste es also jedem offen stehen nicht nur selber aus dem Fenster zu springen, ohne zu befürchten das unten die Feuerwehr steht, sondern auch sich dabei helfen zu lassen. Und letzteres ohne jegliches "Veto-Recht" von Ärzten oder Ärztekontrollgremien oder Gerichten oder Heimangestellten. Es kann nicht angehen das der Schutz des Lebens, der nichts Anderes ist als ein Versorgungsauftrag, derart pervertiert wird das aus Schutz eine Verpflichtung wird.

Zur Würde gehört natürlich auch das Sterbehilfeorganisationen derzeitige Möglichkeiten nutzen und nicht sich selbst auch noch Grenzen auferlegen. Damit veralbern sie nämlich Betroffene schlicht und einfach. Und das ist geschmacklos!
Es ist ausserdem Ärzten jederzeit zuzumuten das sie sich im Interesse des Patienten gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen zur Wehr setzen.
Chron
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Chron »

suizidal hat geschrieben:Aus der Schweizer Gesetzgebung ergibt sich für mich keinerlei Einschränkung.
(Korrektur ist willkommen!)
Demnach müsste es also jedem offen stehen nicht nur selber aus dem Fenster zu springen, ohne zu befürchten das unten die Feuerwehr steht, sondern auch sich dabei helfen zu lassen. Und letzteres ohne jegliches "Veto-Recht" von Ärzten oder Ärztekontrollgremien oder Gerichten oder Heimangestellten. Es kann nicht angehen das der Schutz des Lebens, der nichts Anderes ist als ein Versorgungsauftrag, derart pervertiert wird das aus Schutz eine Verpflichtung wird.
Ich bin kein Jurist, aber mir fällt dazu so ein:

Es gibt noch den "fürsorgerischen Freiheitsentzug".

Es gibt die Möglichkeit, Leute zu entmündigen (und wenn schon zum Vornherein deren "Urteilsfähigkeit" angezweifelt wird, ...?).

Es gibt die ärztliche Rezeptpflicht fürs Sterbemittel Natriumpentobarbital (wogegen sich jemand erfolglos bis übers Bundesgericht und eine europäische Rechtsinstanz gewehrt hat).

Es gibt auch in der CH die "unterlassene Hilfeleistung", und Meinungen (aus den Google-Treffern) wie z. B. http://www.sosteam.ch/index.php?page=0100.

Und es kann heikel sein, aktive Sterbehilfe (verboten/strafbar) von Beihilfe zum Suizid (erlaubt, wenn es nicht aus eigennützigen/gewinnsüchtigen Motiven geschieht) zu unterscheiden. Jemandem aufs Fensterbrett zu helfen, von dem er sich runterfallen lassen will (mal abgesehen davon, dass Altenheime wohl selten hoch genug sind für einen tödlichen Sturz), ist - was?

Und beim Sterben in Alten-/Pflegeheimen, Krankenhäusern u. Ä. (worum es in der Waadtländer Abstimmung ging, wenn ich das richtig verstanden habe) kann ja wohl der Patient eben selber nicht mehr Vieles tun. Auch wenn er das strafrechtlich dürfte und rein vom Strafrecht her auch jemand dabei sein dürfte. Er braucht dann Hilfe zum Sterben - ob er die bekommt, sollen aber Andere entscheiden, nicht er selber. Was für mich extrem unwürdig ist, jemanden am Ende des Lebens so zu bevormunden, ÜBER jemanden zu entscheiden, Leiden zu bewerten (ob es sterbe-/todeswürdig sei oder nicht) und all so Sachen, die sich meiner Meinung nach irgendwo aus den Grauzonen und Widersprüchlichkeiten der Gesetze oder auch gar nicht gesetzlich rechtfertigen lassen.
Und wobei ich finde, dass man Gesetze ändern sollte, wenn jemand aufgrund von denen durch andere Leute als (sterbe-)unwürdig beurteilt werden kann.
suizidal
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von suizidal »

Schade ich hab immer noch das secure.bidvertiser Problem und kann deine Links nicht durchlesen.
Aber bei dem Artikel hats komischer Weise geklappt.

Aber ich fang mal bei der Rezeptpflicht an:
Der Typ wollte gegen die Rezeptpflicht vorgehen. Dafür gibts doch aber gar keinen Grund.
Ich denke er hätte mehr Erfolg gehabt, wenn er dafür gekämpft hätte das ein Arzt verdonnert wird eins auszustellen.
Als Begründung nehm ich meine Interpretation von unterlassener Hilfeleistung.

Was die vorsorgliche Einweisung angeht, so hängt das auch bisschen von einem selbst ab.
Es ist doch ein Unterschied ob man sagt: so ich springe jetzt oder ob man das mit einem Vertrauensarzt bespricht.

Aktive Sterbehilfe heisst ein Anderer übernimmt das Töten, weil mans selbst nicht mehr tun kann.
Ich weiss nicht was daran heikel sein soll.
Chron
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Chron »

suizidal hat geschrieben:Schade ich hab immer noch das secure.bidvertiser Problem und kann deine Links nicht durchlesen.
Aber bei dem Artikel hats komischer Weise geklappt.
Vielleicht funktioniert es, wenn du Google direkt eingibst (http://www.google.ch, http://www.google.de oder so), "Erweiterte Suche" auf "Land: Schweiz" stellen, und die Suchbegriffe waren "fürsorgerischer freiheitsentzug" (ohne Gänsefüßchen) und "unterlassene hilfeleistung" (dito).

bidvertiser ist so viel ich weiss Werbe-/Spam-Zeug, wie auch immer das bei dir dazukomme: Je nach Browser könntest du es vielleicht ausschliessen (firefox-Addons u. ä.) oder in der hosts-Datei (Windows XP: C:\WINDOWS\system32\drivers\etc\hosts) auf lokal (127.0.0.1) = nicht gefunden umdirigieren, dann klappt es vielleicht.
suizidal hat geschrieben:Aber ich fang mal bei der Rezeptpflicht an:
Der Typ wollte gegen die Rezeptpflicht vorgehen. Dafür gibts doch aber gar keinen Grund.
Ich denke er hätte mehr Erfolg gehabt, wenn er dafür gekämpft hätte das ein Arzt verdonnert wird eins auszustellen.
Als Begründung nehm ich meine Interpretation von unterlassener Hilfeleistung.
Das finde ich eine gute Idee! Hoffentlich macht/prozessiert das (bald) mal jemand.
Wenn schon die Verantwortung/Entscheidung den Medizindoktoren aufgebürdet wird, dann müssten sie auch entsprechende Handlungsanweisungen erhalten; Ja, ganz einverstanden.

Wobei es für mich aber nach wie vor möglich sein muss, einen Tod ganz ausserhalb moderner Schulmedizin zu haben. Allerdings interessiert mich Papierkram im Hintergrund nicht, so lange er funktionieren würde und nicht von den Sterbenden erwartet wird, sie müssten noch viel Besonderes dazu tun (was Gesunde, Lebenwollende nie müssen), um ihr Leben würdevoll zu beenden.
suizidal hat geschrieben:Aktive Sterbehilfe heisst ein Anderer übernimmt das Töten, weil mans selbst nicht mehr tun kann.
Ich weiss nicht was daran heikel sein soll.
Für mich wäre das überhaupt nicht heikel, sondern sollte voll erlaubt sein und praktiziert werden. Aber du hattest nach Gesetzlichem gefragt, und diesbezüglich kann die Unterscheidung zwischen aktiver Sterbehilfe und Hilfe beim Suizid eben schwierig/heikel sein, weshalb sich Manche zum Helfen dann nicht mehr getrauen.
suizidal
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von suizidal »

Chron hat geschrieben: Allerdings interessiert mich Papierkram im Hintergrund nicht,
Genau das ist der Punkt!
Mich nämlich auch nicht.
Ich will nur hören: Sie wollen das? Wir machen das!
Chron
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Chron »

suizidal hat geschrieben:Ich will nur hören: Sie wollen das? Wir machen das!
:)
Das wäre für mich nicht nur würdiges, sondern sogar freudiges Sterben!
Versucherle
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Versucherle »

Chron hat geschrieben:
Aber ein würdiger Tod, egal nach was für einem Leben, bzw. ein würdiges Sterben, am Ende egal welchen Lebens, was ist das?
Würdiges Sterben heißt für mich: Ein sicheres, schmerzfreies und nicht-asoziales [1] Ende, das ich einleiten kann, wann immer ich will.

Die Flasche Natriumpentobarbital im Schrank wäre mir würdig genug. Am besten ohne Umwege über Ärzte oder sonst jemanden.

---------
[1] z.B. kein Schienensuizid
Lena-Marie
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Lena-Marie »

Versucherle hat geschrieben:
Chron hat geschrieben:
Aber ein würdiger Tod, egal nach was für einem Leben, bzw. ein würdiges Sterben, am Ende egal welchen Lebens, was ist das?
Würdiges Sterben heißt für mich: Ein sicheres, schmerzfreies und nicht-asoziales [1] Ende, das ich einleiten kann, wann immer ich will.

Die Flasche Natriumpentobarbital im Schrank wäre mir würdig genug. Am besten ohne Umwege über Ärzte oder sonst jemanden.

---------
[1] z.B. kein Schienensuizid
Genauso sehe ich es auch, genauso würde ich es mir wünschen.

Und ich würde noch ergänzen:

"das ich einleiten kann, wann immer ich will. "Und wo ich will.

Ich möchte nicht hunderte von Kilometern irgendwo in die Fremde fahren um dann in einer fremden Umgebung mit fremden Menschen an meiner Seite sterben müssen, nur weil mir etwas anderes nicht erlaubt ist. :(
Chron
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Chron »

Versucherle hat geschrieben:Würdiges Sterben heißt für mich: Ein sicheres, schmerzfreies und nicht-asoziales [1] Ende, das ich einleiten kann, wann immer ich will.
---------
[1] z.B. kein Schienensuizid
Ein würdiges Sterben für dich oder für Andere? Letzteres interessiert mich ehrlich geschrieben nicht mehr (hätten die Anderen eben mithelfen sollen zu einem anderen/würdigeren Tod :evil:).

Wann man will, und wo man will:
Lena-Marie hat geschrieben:Genauso sehe ich es auch, genauso würde ich es mir wünschen.

Und ich würde noch ergänzen:

"das ich einleiten kann, wann immer ich will. "Und wo ich will.
Ich vermute mal: Das ergäbe eine ganz andere Qualität - eine gewollte, selbstbestimmte - des Lebens vor dem Tod. Es würden nur die leben, die das wirklich wollen. Was gäbe das als Veränderung der Menschenwelt insgesamt? Das kann ich mir gar nicht ausmalen ...
Versucherle
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Re: Was versteht ihr unter "würdig sterben"; wie möchtet ihr

Beitrag von Versucherle »

Chron hat geschrieben:
Versucherle hat geschrieben:Würdiges Sterben heißt für mich: Ein sicheres, schmerzfreies und nicht-asoziales [1] Ende, das ich einleiten kann, wann immer ich will.
---------
[1] z.B. kein Schienensuizid
Ein würdiges Sterben für dich oder für Andere? Letzteres interessiert mich ehrlich geschrieben nicht mehr (hätten die Anderen eben mithelfen sollen zu einem anderen/würdigeren Tod :evil:).
Wenn möglich, würde ich Aktionen wie Schienensuizid gerne vermeiden. Ich will niemanden traumatisieren und ich will auch nicht so eine "Sauerei" hinterlassen.

Natürlich kann man Schienensuizide als blutigen Protest gegen den herrschenden Lebenszwang-Faschismus ansehen. Allerdings trifft es die falschen. Im Gegensatz zu Politikern, Psychiatern, Bischöfen etc. können Zugführer nichts für den in Deutschland immer noch herrschenden Anti-Suizid-Paternalismus.
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