Betriebs- und volkswirtschaftliche Gesichtspunkte im Tod ??

Es ist nur ein Lesezugriff möglich.

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Gesperrt
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Betriebs- und volkswirtschaftliche Gesichtspunkte im Tod ??

Beitrag von jonathan »

Hallo Forum,

ich habe am Wochenende die Stellungnahme von DIGNITAS zum Entwurf der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft von <<Richtlinien für die organisierte Sterbehilfe>> gelesen (siehe Link auf der Homepage) und einige Zeit gebraucht, um den umfangreichen Inhalt zu verdauen. Insgesamt hat es mich beeindruckt, wie akribisch dort die einzelnen Punkte der geplanten Richtlinien aufgegriffen, zerpflückt und letztlich in ihrer Gesamtheit abgelehnt worden sind. Ich hoffe sehr, dass hierdurch diese geplanten Richtlinien in ihrer vorliegenden Form abgelehnt werden.

Allerdings finden sich unter dem Punkt 5.5 'Enorme volkswirtschaftliche Kosten' Ausführungen, die meinen persönlichen ethischen und moralischen Vorstellungen vollständig zuwider laufen. Es mag ja sein, dass dies eine spezifisch Schweizer Betrachtungsweise ist ( auch die staatlichen Schweizer Stellen haben im Vorfeld mehrfach die durch Freitodbegleitung - insbesondere von Nicht-Schweizern - entstehenden Kosten moniert ). Ich bin aber der festen Überzeugung, dass menschliches Leben unter gar keinen Umständen - weder in der einen noch in der anderen Richtung - unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Der Wert des Lebens ist nicht mit Geld zu bemessen!

Wenn es darum geht, die Auswirkungen eines Freitodes - ob vollzogen oder gescheitert - zu beschreiben, darf man ausschließlich auf das daraus entstehende menschliche Leid abstellen. Der Lokomotivführer, welcher bei einem Eisenbahnsuizid auch zum Leidtragenden wird, der Suizident, der nach einem gescheiterten Risiko-Suizid zu einem qualvollen Weiterleben gezwungen wird, das ist für mich die einzig zulässige Betrachtungsweise. Es darf ausschliesslich und allein um die Würde des Menschen gehen, um nichts Anderes!

Abgesehen von meinen eigenen ethischen und moralischen Vorstellungen sehe ich auch ein Problem für die in Deutschland laufende Debatte, welche ja zu einer Gesetzgebung führen soll, die eine Regelung der Freitodbegleitung nach Schweizer Modell ermöglicht. Ein von Gegnern einer legalen Freitodbegleitung häufig vorgetragenes Argument ist doch gerade die Unterstellung, es ginge um Einsparung von Pflegekosten, schnelleren Zugang zum Erbe oder ähnlich Menschenverachtendem. Dem kann nach meiner Auffassung nur entgegen gewirkt werden, wenn allein die freie Entscheidung des Betroffenen in den Focus gerückt wird, wenn einem schwer pflegededürftigen Menschen, der dennoch Freude am Leben empfindet, nicht die gesellschaftlichen Kosten seiner Pflege vorgerechnet werden. Ebensowenig darf Menschen, die einen geliebten Angehörigen auf dessen eigenen Wunsch gehen lassen, ein unlauteres und eigensüchtiges Motiv unterstell werden. Das Kostenargument muss demzufolge völlig aussen vor bleiben.

Wie denkt denn das Forum darüber?

fragt jonathan
Ludwig A. Minelli
Site Admin
Beiträge: 216
Registriert: Samstag 3. Februar 2007, 23:27
Wohnort: 8127 Forch, Schweiz

Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Jonathans Beitrag sei verdankt; er irrt allerdings, wenn er meint, in diesem Zusammenhang dürften keine derartigen Überlegungen gemacht werden.

Man beachte bitte auf der DIGNITAS-Homepage die Studie von PETER HOLENSTEIN, Der Preis der Verzweiflung (http://www.dignitas.ch/WeitereTexte/Stu ... kosten.pdf).

Wenn man sieht, welch gewaltiges Elend darin besteht, dass unsere Gesellschaften die Suizid-Situation einfach so hinnehmen, obwohl diese die Volkswirtschaft stark belastet, muss man eigentlich zum Schluss kommen, es sei notwendig, die hohe Zahl von Suiziden und vor allem die bis zu 50 Mal höheren Zahlen der Suizidversuche zu verringern. Dies könnte eben dadurch geschehen, indem der begleitete Suizid angeboten wird. Dieser setzt aber eben voraus, dass man sich vorher ausführlich über die Idee der Beendigung des Lebens mit der betroffenen Person unterhält, ohne sie in die Psychiatrie einzuweisen: Das Gespräch muss in einer angstfreien Atmosphäre erfolgen können.

Würde man dann nur einen kleinen Teil der volkswirtschaftlichen Kosten in einem staatlichen Budget zur Verfügung stellen, um Probleme von Personen, die suizidale Ideen hegen, allenfalls wirtschaftlich lösen zu können, würde ein Vielfaches eingespart werden können.

Betrachtet man das Problem also von dieser Seite her, sieht man, wie wichtig auch diese wirtschaftlichen Überlegungen sein können - ganz im Sinne des Lebensschutzes.
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Kostenargument als Begründung für Freitodbegleitung ??

Beitrag von jonathan »

"[quote="Ludwig A. Minelli"]Jonathans Beitrag sei verdankt; er irrt allerdings, wenn er meint, in diesem Zusammenhang dürften keine derartigen Überlegungen gemacht werden......

.....Wenn man sieht, welch gewaltiges Elend darin besteht, dass unsere Gesellschaften die Suizid-Situation einfach so hinnehmen, obwohl diese die Volkswirtschaft stark belastet, muss man eigentlich zum Schluss kommen, es sei notwendig, die hohe Zahl von Suiziden und vor allem die bis zu 50 Mal höheren Zahlen der Suizidversuche zu verringern. ...."

Lieber Herr Minelli,

aus Ihrem Beitrag ist mir deutlich geworden, dass wir möglicherweise eine unterschiedliche Sprache sprechen, obwohl wir uns beide auf Deutsch verständigen. Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen lassen, will ich meine Position noch einmal verdeutlichen:

1. Ich bin Verfechter der Naturrechtslehre und käme überhaupt nicht auf die Idee, etwas nicht aussprechen zu 'dürfen', es sei denn, dass ich damit in die Rechte und die Freiheit Anderer unzulässig eingreife. Ich habe diese Formulierung als moralischen Impetus gewählt, um deutlich zu machen, dass ich selbst menschliches Leben in keinerlei Beziehung zu irgendeinem Geldeswert sehen möchte.

2. Um in Deutschland Regelungen zu ermöglichen, die denen in der Schweiz entsprechen, ist die Zustimmung der Menschen in diesem Land zwingend erforderlich. Ich halte es daher für dringend notwendig, den Gegnern solcher zu schaffender Gesetzesgrundlagen nicht einmal ansatzweise die Möglichkeit zu geben, Bestrebungen in dieser Richtung mit unzutreffenden Unterstellungen zu torpedieren.

3. Allerdings verstehe ich unter 'gewaltigem Elend' (in Bezug auf die Menschlichkeit) etwas Anderes als die 'starke Belastung der Volkswirtschaft'.

4. Erst, wenn es gelungen sein wird, in Deutschland die Voraussetzungen für Einrichtungen zu schaffen, die in der Art von DIGNITAS oder EXIT Menschen ergebnisoffen (also auch mit der Folge vonSuizidprophylaxe) in schwierigen Lebenslagen begleiten können, ist der Zeitpunkt der Debatte über Finanzierungsfragen gekommen. Dann stimme ich Ihnen allerdings zu, dass bei der finanziellen Ausstattung der entsprechenden Einrichtungen auch die volkswirtschaftlichen Kosten gelungener oder gescheiterter Suizide Berücksichtigung finden müssen.

Die Entscheidung jedoch, ob es zu solchen Einrichtungen überhaupt kommen sollte, ist ist für mich eine ausschließlich ethisch-moralische, keine fiskalische. Nun würde mich aber doch interessieren, wie andere Forumsmitglieder darüber denken.

Freundliche Grüße
jonathan
Anonymous

Re: Betriebs- und volkswirtschaftliche Gesichtspunkte im Tod

Beitrag von Anonymous »

jonathan hat geschrieben:Allerdings finden sich unter dem Punkt 5.5 'Enorme volkswirtschaftliche Kosten' Ausführungen, die meinen persönlichen ethischen und moralischen Vorstellungen vollständig zuwider laufen. Es mag ja sein, dass dies eine spezifisch Schweizer Betrachtungsweise ist ( auch die staatlichen Schweizer Stellen haben im Vorfeld mehrfach die durch Freitodbegleitung - insbesondere von Nicht-Schweizern - entstehenden Kosten moniert ). Ich bin aber der festen Überzeugung, dass menschliches Leben unter gar keinen Umständen - weder in der einen noch in der anderen Richtung - unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Der Wert des Lebens ist nicht mit Geld zu bemessen!

Wie denkt denn das Forum darüber?

Hallo jonathan, in einigen Dingen muss ich Dir teilweise zustimmen, u.a. Punkt 2 u. 3 vom 29.10.07,

aber vielleicht habe ich vorstehendes ja auch nicht richtig verstanden, aber als Nicht- Schweizer kann ich dazu nur sagen, das man selbst für alle Kosten einer Freitodbegleitung durch Dignitas in der Schweiz vorsorgen und aufkommen sollte.

Man kann der Schweiz und ihren Bürgern doch nicht zumuten, für Nicht-Schweizer die Kosten einer Freitodbegleitung in Höhe von ca. 3000 bis 5000 Franken (siehe Studie von PETER HOLENSTEIN) zu übernehmen. Auch in Deutschland muss ich für den Fall meines Ablebens finanzielle Vorsorge treffen, wenn ich nicht möchte das Hinterbliebene oder der Staat damit belastet werden.

Das ändert aber nichts daran, das auch ich der Auffassung bin, das der Wert des LEBENS nicht mit Geld zu bemessen ist.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ging es ja auch u.a. um die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Kosten des ABLEBENS durch Suizid.

Ich bin der Meinung das solche Studien oder Betrachtungsweisen, ethischen und moralischen Vorstellungen nicht zuwider laufen. Den Ausführungen von Herrn Ludwig A. Minelli (u.a. ganz im Sinne des Lebensschutzes....) kann ich mich daher nur anschließen.

Mit freundlichen Grüßen

Simon
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

@ simon

Beitrag von jonathan »

Hallo Simon,

ich will mal versuchen, meine Ausführungen zu präzisieren und und auch meinen gedanklichen Hintergrund dazu zu formulieren. Natürlich bin ich damit einverstanden, dass im Rahmen einer Freitodbegleitung anfallende Kosten ebenso getragen werden müssen, wie im Fall eines natürlichen Ablebens auch.

Das von Herrn Minelli vorgetragene Argument von gesellschaftlich entstehenden Kosten durch GESCHEITERTE SUIZIDE, die nur durch das Nichtvorhandensein einer legalen Freitodbegleitung anfallen, erscheint mir aber insbesondere im Hinblick auf die in Deutschland laufende Debatte als kontraproduktiv. Ich glaube, wenn man die an dieser Stelle mögliche Kostenersparnis bei einer Legalisierung der Freitodbegleitung vorträgt, öffnet man böswilligen Unterstellungen von seiten der Gegner - und davon gibt es ja genügend - Tür und Tor. Dadurch scheinen mir Gegenrechnungen möglich, wie die anfallenden Pflegekosten von unheilbar Kranken, die entstehende Drucksituation durch ungeduldige Erben und Ähnliches. Mir geht es allein darum, dass jeder Betroffene frei und selbstbestimmt über die Menschenwürdigkeit seines eigenen Lebens oder seines Ablebens bestimmen darf. Im Rahmen dieser Freiheit, die ich für mich in Deutschland auch gern hätte, würde ich gern über die fiskalischen Auswirkungen keinerlei Betrachtungen anstellen, um unzutreffenden Unterstellungen von Anfang an die Basis zu entziehen. Der Weg zu einer Liberalisierung hier in Deutschland ist ohnehin schwierig genug.

Einen schönen Abend
wünscht jonathan
Ludwig A. Minelli
Site Admin
Beiträge: 216
Registriert: Samstag 3. Februar 2007, 23:27
Wohnort: 8127 Forch, Schweiz

Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Es scheint offenbar durchaus schwierig zu sein, einen durchaus einfachen Sachverhalt so zu schildern, dass alle die Schilderung in gleicher Weise verstehen. Ich versuche es deshalb nochmals; vielleicht geht es gewissermassen "tabellarisch" besser.

1. Die Schweizer Bundesregierung hat offiziell auf eine Frage im Parlament geantwortet und erklärt, in der Schweiz würden sich jährlich etwa 1'350 Suizide ereignen, und man müsse jedes Jahr mit bis zu 67'000 Suizidversuchen rechnen. Mit anderen Worten: auf einen einzigen erfolgten Suizid muss man mit bis zu 49 gescheiterten Suiziden rechnen. Diese haben für die Betroffenen häufig schwerwiegende Folgen (Verstümmelungen, Verletzungen, Verlust des Bewusstseins etc.), und deren Behandlung in der Medizin erfordert einen beträchtlichen Anteil am Gesundheitsbudget einer Nation.

2. PETER HOLENSTEIN hat in einer sorgfältigen Studie - auf unserer Homepage zu lesen - ausgerechnet, dass diese Vorgänge ausser dem dadurch bewirkten menschlichen Elend auch noch Aufwendungen in der Volkswirtschaft in der Höhe von etwa 2,4 Milliarden CHR (etwa 1,8 Milliarden EURO) jährlich verursachen. Der Grossteil entfällt auf die misslungenen Suizidversuche und ihre Konsequenzen.

3. Diese gewaltigen Kosten könnten verringert werden, wenn es gelänge, die Zahl der Suizide und die Zahl der Suizidversuche wesentlich zu senken.

4. Von den eingesparten Kosten könnte ein Teil eingesetzt werden, um eben dieses Ziel der Verringerung der nicht assistierten Suizidversuche und damit der Suizide zu fördern; das Ergebnis wäre wiederum eine Verringerung der Zahl der Suizide und Suizidversuche.

5. Ein probates Mittel, unbegleitete Suizidversuche zu verringern, ist das Angebot des begleiteten Suizids, aber selbstverständlich in der Weise, wie es bei DIGNITAS (und bei anderen in der Schweiz tätigen Organisationen) gehandhabt wird: Vorerst wird mit der Person, die eigentlich sterben möchte, darüber geredet, ob es nicht eine Lösung ihres Problems gäbe, ohne dass sie ihr Leben beenden muss. Weil diese Gespräche vom sterbewilligen Menschen geführt werden können, ohne dass er Angst haben muss, wegen seines Todeswunsches in die Psychiatrie eingesperrt zu werden, hat er die Möglichkeit, offen über seinen Wunsch zu reden, und das ist schon "die halbe Miete" auf dem Weg zurück zur Bejahung des Lebens. Es kann dann nämlich nachgedacht werden, wie ihm bei der Bewältigung seines Problems, das ihn suizidal hat werden lassen, geholfen werden kann.

6. Es ist deshalb so befremdlich, feststellen zu müssen, dass sich Medien und Politiker über begleitete Suizide aufregen - nota bene die Politiker selten auf der Grundlage von Wissen, meist bloss auf der Grundlage von "Information" auf BILD-Zeitungs-Niveau -, es aber klaglos hinnehmen, dass unsere Volkswirtschaften diese Auslagen für jene Suizide und Suizidversuche tragen müssen, denen sie überhaupt kein Augenmerk widmen. Dass Medien sensationsgesteuert sind, ist systemimmanent. Dass aber Politiker nicht besser nachzudenken vermögen, wie es den Anschein macht, ist bedenklich: Wem vertrauen wir die Steuerung unserer Politik denn eigentlich an?

7. Es ist diese ungeheure Heuchelei - insbesondere sogenannter "christlicher" - Politiker (wie etwa Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, der an zwei christliche Grosskirchen Kirchensteuern zahlt und wohl eher die Mitgliedschaft in der SPD als jene in seiner Kirche aufgäbe), die in diesem Bereich zum Ausdruck kommt. Würden sie sich wirklich für das Gut des Lebens der Bürgerinnen und Bürger einsetzen, wie sie vorgeben, dann müssten sie auf dem Gebiet der Suizidprophylaxe ganz anders tätig werden, als dies bisher der Fall ist.

8. In der Schweiz lässt sich feststellen, dass die Gesamtzahl der Suizide seit einer Reihe von Jahren abnimmt, obwohl die Gesamtzahl der begleiteten Suizide stark zugenommen hat. Dies deutet eigentlich darauf hin, dass das möglich Machen des begleiteten Suizids einen suizidprophylaktiven Aspekt aufweist. Man würde sich wünschen, die Wissenschaft nähme sich der Frage an, ob hier wirklich ein Konnex besteht.

9. Ich meine, dass - in dieser Weise betrachtet - die Fragen im Zusammenhang mit Suiziden und Suizidversuchen durchaus auch im Konnex mit der Volkswirtschaft diskutiert werden darf, ja sogar muss.

10. Selbstverständlich kann es nicht in Frage kommen, den Konnex "anders herum" zu verwenden: Um Kosten zu sparen, sollen die Leute Suizid begehen. Das wird auch nirgends gefordert, und dagegen schützt im Übrigen auch Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem darf man die wahren Verhältnisse nicht aus den Augen verlieren: Nur ganz verschwindende bis kleinste Minderheiten machen vom Angebot des begleiteten Suizids, da wo es besteht, überhaupt Gebrauch. Die Minderheit schwankt zwischen 67 von 100'000 bei Menschen, die an Herz-, Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen sterben, bis zu 45 von 1'000, die an Multipler Sklerose sterben (Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich).

Ist es jetzt klar?
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Beitrag von jonathan »

Lieber Herr Minelli,
guten Morgen Forum.

durch den letzten von Prixa gestern im Forum eingestellten Beitrag, sowie durch die Vorgänge in Deutschland, die sich um die Journalistin Eva Herman ranken, fühle ich mich in meiner Auffassung bestätigt. Wenn man sich bei heiklen Themen nicht peinlich genau bereits im Vorfeld die eigenen Argumentationsschienen überlegt, ist man in großer Gefahr, auf Journalisten zu treffen - übrigens gelegentlich auch auf Juristen - die sich auf einen missverständlichen Halbsatz stürzen, ihn verdrehen und damit ihre eigenen Geschäfte betreiben.

Seit über einem Jahr bin ich Mitglied bei Dignitas Deutschland und führe seither auch im privaten Umfeld immer wieder Gespräche zu dieser Thematik. Es ist bemerkenswert, wie viele eigentlich gutwillige Menschen immer wieder auf das Thema gesellschaftlicher Kostenersparnis bei vorzeitigem Ableben kommen. Ich sehe die Gefahr, dass bei einem in diese Richtung zielenden medialen Einsatz die Bereitschaft von Menschen, sich mit den erforderlichen Gesetzesänderungen einverstanden zu erkären, zurückgehen könnte. Genau das möchte ich vermeiden. Alle mir bekannten Umfragen deuten darauf hin, das zur Zeit etwa drei Viertel der Deutschen durchaus mit einer Möglichkeit des selbstbestimmten Freitodes einverstanden sind. Dies muss zur Einflussnahme auf die entscheidenden Politiker genutzt werden, auch wenn es noch ein längerer Prozess sein wird. Diese Akzeptanz der Bürger sehe ich aber in Gefahr, wenn es den Medien, Kirchen, Politikern und Anderen gelingt, die Absichten von Dignitas zu diskreditieren. Ohne diese Akzeptanz scheint mir jedoch eine gesellschaftliche Veränderung im Bewusstsein der Menschen und den gesetzlichen Regelungen nicht erreichbar. Genau das ist jedoch mein Anliegen.

Lieber Herr Minelli, ich glaube, dass sie die deutschen Befindlichkeiten, die sich sich aus unserer unseligen Geschichte ergeben, unter- und die Möglichkeiten, die sich vielleicht irgendwann aus einer europäischen Rechtsprechung ergeben, überschätzen. Ich bin überzeugt, dass allein der Bezug auf Freiheit und Menschenwürde Betroffener geeignet ist, den Souverän in diesem Land zu einer Veränderung der rechtlichen Verhältnisse zu bewegen, jedes nur im Ansatz böswillig missverstehbare Motiv scheint mir hier eher schädlich. Die im Moment wieder in den deutschen Medien laufende Berichterstattung über die 'umstrittene' Organisation Dignitas, welche 'Menschen auf Autobahnparkplätzen zum Sterben ablegt', zeigt mir, dass es genügend 'Missversteher' gibt, die hier tätig sind und auch künftig tätig werden wollen.

Ich habe es bereits an anderer Stelle ausgeführt und will es hier um der Klarheit willen noch einmal darstellen. Die Studie von PETER HOLENSTEIN ist ja sehr sachgerecht und sollte in ihren Ergebnissen auch Berücksichtigung finden. Wenn es irgendwann gelungen sein wird, die rechtlichen Voraussetzungen für die Arbeit von Dignitas Deutschland entsprechend den Schweizer Möglichkeiten zu schaffen, ist der Zeitpunkt gekommen, im Zusammenhang mit der finanziellen Ausstattung der notwendigen Beratungseinrichtungen auch über Geld zu sprechen. Dabei würde ich aber in erster Linie die sich aus der Tätigkeit von Dignitas ergebende Suizidprophylaxe mit ihren auch volkswirtschaftlich positiven Ergebnissen in den Vordergrund stellen. Dieser Aspekt wird ja zur Zeit von der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen und hier scheint mir ein wichtiges Handlungsfeld in der Zukunft zu liegen. Erst dann wäre in meine Augen der Ersparniseffekt durch Vermeidung gescheiterter Suizidversuche zu betrachten, und das alles auf dem Hintergrund des Mottos von Dignitas :'Menschenwürdig leben'. (Und nur, wenn das nicht mehr geht, 'Menschenwürdig sterben')

Allen einen nachdenklichen Sonntag
wünsch jonathan
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Mein Danke für die sehr ausführlichen und verständlichen Erklärungen an Herrn Minelli und an jonathan.

Mit freundlichen Grüßen

Simon
Gesperrt