Gutachten, die Zweite

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Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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jonathan
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Gutachten, die Zweite

Beitrag von jonathan »

Hallo Forumsgemeinde,

danke an diejenigen, die sich bereits bei mir gemeldet haben. Mir ist allerdings aufgefallen, dass ich mein Anliegen wohl noch präziser formulieren muss.

Zur Klärung der Voraussetzungen für die Verschreibung des bewussten Medikaments ist beim Vorliegen einer seelischen Erkrankung ein vertieftes Fachgutachten erforderlich, welches den 'selbst bestimmten, wohlerwogenen und dauerhaften Entscheid einer urteilsfähigen Person' attestiert (so die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts). Nach meinem Verständnis ist die Setzung einer solchen Bedingung durchaus akzeptabel, um der Gefahr von 'Kurzschlusshandlungen' vorzubeugen. Auch kann ich zustimmen, wenn Gutachten und Verschreibung personell getrennt werden, um größtmögliche Sicherheit in der Entscheidung herzustellen.

Nun stellt sich aber für einen Betroffenen ein ganz praktisches Problem, um die durch das Gericht gesetzten Voraussetzungen zu erfüllen. Ich bin seit Jahrzehnten von einer solchen Erkrankung betroffen, die mittlerweile auch von einer der größten deutschen Universitätskliniken als 'therapieresistent' beschrieben wird. Dennoch wird keiner der dort handelnden Ärzte mir die 'Urteilsfähigkeit' - welche ansonsten keinesfalls bestritten würde - bestätigen, wenn ihnen die Zielrichtung bekannt ist. Was nun??

Ich bin mir sicher, dass viele Menschen in vergleichbarer Lage vor derselben Schwierigkeit stehen und suche nach Möglichkeiten, diese aus dem Weg zu räumen.

Gruß
jonathan
Ludwig A. Minelli
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Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Jonathan hat den Finger auf die wunde Stelle gelegt: Mit der Anerkennung des Rechts des Psychischkranken auf Suizid und gleichzeitiger Aufstellung der Bedingung, dass dafür aber ein vertieftes Fachgutachten eines Psychiaters darüber vorzulegen ist, dass der Sterbewunsch der Person nicht etwa akutes Symptom einer Krankheit, sondern wohl überlegtes Ergebnis einer Bilanzbeurteilung sei und dass die Person urteilsfähig ist, ist es eben noch nicht getan, sofern sich Psychiater weigern, diese Feststellungen zu treffen und schriftlich abzugeben. Alle Fachorganisationen der Psychiater der Schweiz haben nach dem Ergehen des Bundesgerichtsurteils vom 3. November 2006 erklärt, diese Mitwirkung von vornherein abzulehnen. Sie haben sich damit als kollektive Barriere einem Menschenrecht in den Weg gelegt. Der emeritierte Berner Strafrechtlicher Prof. Dr. Gunther Arzt hat in seinem Referat "Standesrechtliche Bestimmungen der Ärzteschaft zur Sterbehilfe im Lichte der Gesamtrechtsordnung" (in FRANK TH. PETERMANN (Hrsg.)., Sterbehilfe - Grundsätzliche und praktische Fragen - Ein interdisziplinärer Diskurs, Band 38 der Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis IRP-HSG der Hochschule St. Gallen) wörtlich ausgeführt: "Bei Sterbehilfe allgemein und beim Suizid speziell ist die Anzweiflung der Urteilsfähigkeit des Patienten ein Weg, der die Vernunfthoheit des Arztes über den Patienten wiederherstellt." Genau darum geht es diesen Psychiatern. Man dürfte auch nicht fehlgehen, in der Arroganz, mit welcher sie selbst anderen Ärzten die Fähigkeit absprechen, bei einem Menschen dessen Urteilsfähigkeit zur Frage des eigenen Sterbens beurteilen zu können, und im Anspruch, nur sie selber seien dazu in der Lage, eine wahnhafte Störung zu erblicken. Auf diese Weise versuchen Psychiater, sich zu Herren des Weltalls aufzuschwingen. Das ist gerde angesichts des Umstandes, dass die Suizidrate unter Psychiatern mit die höchste überhaupt ist (sic!), geradezu abstrus.

Nun ist in einer Veranstaltung zum Thema Sterbehilfe dem Psychiater Dr. Gerhard Ebner, damals Chef der Psychiatrischen Anstalt Breitenau in Schaffhausen und nun Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel, die maliziöse Frage gestellt worden, ob er einen Unterschied zwischen der Beurteilung eines Todeswunsches und der Beurteilung eines Wunsches auf Verehelichung sehe. Darauf hat er wie folgt geantwortet: "Ich sehe sehr viele Gemeinsamkeiten, weil Sie ja natürlich in dem Sinne wissen, dass Urteilsfähigkeit entweder aufgehoben oder gegeben ist. Es gibt keine Abstufung wie bei der Zurechnungsfähigkeit. Sie ist entweder aufgehoben oder gegeben. Allerdings ist sie abhängig von der Art des Rechtsgeschäftes, das heisst bei sehr einschneidenden komplexen Entscheidungen setzt man höhere Ansprüche an die Urteilsfähigkeit als beim Entscheid, sagen wir als Beispiel, ein Päckchen Zigaretten zu kaufen. Das ganze Vermögen aufzulösen ist ein anderes Rechtsgeschäft, ein komplexeres, das es zu überblicken gilt, als eine einfache Rechtshandlung. Und insofern gibt es eine Gemeinsamkeit, beide sind sehr lebensentscheidende Rechtsgeschäfte, wenn man so will, und insofern sehr komplex, und damit sind höhere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit zu stellen."

Dies von Dr. Ebner gesagt, und mir dabei gedacht: Man bestelle demzufolge doch Gutachten zur Frage, ob man trotz seiner Depression oder anderweitigen psychischen Störung urteilsfähig ist, um sich zu verehelichen . . .
Ludwig A. Minelli
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Beitrag von Ludwig A. Minelli »

Hier nachzutragen ist noch, dass es der österreichische Psychiater Prof. Dr. med. Reinhard Haller war, der in der Sendung "Im Zentrum" vom 14. Oktober 2007 im ORF2 erklärt hatte, es genüge nicht, dass irgendein Arzt die Urteilsfähigkeit von (nicht-psychiatrischen) Patienten beurteile, da brauche es immer jemand, der Psychiater sei. Eine derartige Aussage ist an Arroganz nicht zu übertreffen. Die wahnhafte Gottgleichheit strömt bei jemand, der eine solche Aussage macht, aus allen Poren.
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Wie heilt man wunde Stellen ??

Beitrag von jonathan »

Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Jonathan hat den Finger auf die wunde Stelle gelegt: Mit der Anerkennung des Rechts des Psychischkranken auf Suizid und gleichzeitiger Aufstellung der Bedingung, dass dafür aber ein vertieftes Fachgutachten eines Psychiaters darüber vorzulegen ist, dass der Sterbewunsch der Person nicht etwa akutes Symptom einer Krankheit, sondern wohl überlegtes Ergebnis einer Bilanzbeurteilung sei und dass die Person urteilsfähig ist, ist es eben noch nicht getan, sofern sich Psychiater weigern, diese Feststellungen zu treffen und schriftlich abzugeben. Alle Fachorganisationen der Psychiater der Schweiz haben nach dem Ergehen des Bundesgerichtsurteils vom 3. November 2006 erklärt, diese Mitwirkung von vornherein abzulehnen. Sie haben sich damit als kollektive Barriere einem Menschenrecht in den Weg gelegt. Der emeritierte Berner Strafrechtlicher Prof. Dr. Gunther Arzt hat in seinem Referat "Standesrechtliche Bestimmungen der Ärzteschaft zur Sterbehilfe im Lichte der Gesamtrechtsordnung" (in FRANK TH. PETERMANN (Hrsg.)., Sterbehilfe - Grundsätzliche und praktische Fragen - Ein interdisziplinärer Diskurs, Band 38 der Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis IRP-HSG der Hochschule St. Gallen) wörtlich ausgeführt: "Bei Sterbehilfe allgemein und beim Suizid speziell ist die Anzweiflung der Urteilsfähigkeit des Patienten ein Weg, der die Vernunfthoheit des Arztes über den Patienten wiederherstellt." Genau darum geht es diesen Psychiatern. Man dürfte auch nicht fehlgehen, in der Arroganz, mit welcher sie selbst anderen Ärzten die Fähigkeit absprechen, bei einem Menschen dessen Urteilsfähigkeit zur Frage des eigenen Sterbens beurteilen zu können, und im Anspruch, nur sie selber seien dazu in der Lage, eine wahnhafte Störung zu erblicken. Auf diese Weise versuchen Psychiater, sich zu Herren des Weltalls aufzuschwingen. Das ist gerde angesichts des Umstandes, dass die Suizidrate unter Psychiatern mit die höchste überhaupt ist (sic!), geradezu abstrus.

Nun ist in einer Veranstaltung zum Thema Sterbehilfe dem Psychiater Dr. Gerhard Ebner, damals Chef der Psychiatrischen Anstalt Breitenau in Schaffhausen und nun Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel, die maliziöse Frage gestellt worden, ob er einen Unterschied zwischen der Beurteilung eines Todeswunsches und der Beurteilung eines Wunsches auf Verehelichung sehe. Darauf hat er wie folgt geantwortet: "Ich sehe sehr viele Gemeinsamkeiten, weil Sie ja natürlich in dem Sinne wissen, dass Urteilsfähigkeit entweder aufgehoben oder gegeben ist. Es gibt keine Abstufung wie bei der Zurechnungsfähigkeit. Sie ist entweder aufgehoben oder gegeben. Allerdings ist sie abhängig von der Art des Rechtsgeschäftes, das heisst bei sehr einschneidenden komplexen Entscheidungen setzt man höhere Ansprüche an die Urteilsfähigkeit als beim Entscheid, sagen wir als Beispiel, ein Päckchen Zigaretten zu kaufen. Das ganze Vermögen aufzulösen ist ein anderes Rechtsgeschäft, ein komplexeres, das es zu überblicken gilt, als eine einfache Rechtshandlung. Und insofern gibt es eine Gemeinsamkeit, beide sind sehr lebensentscheidende Rechtsgeschäfte, wenn man so will, und insofern sehr komplex, und damit sind höhere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit zu stellen."

Dies von Dr. Ebner gesagt, und mir dabei gedacht: Man bestelle demzufolge doch Gutachten zur Frage, ob man trotz seiner Depression oder anderweitigen psychischen Störung urteilsfähig ist, um sich zu verehelichen . . .
Lieber Herr Minelli,

es reicht mir nicht, zu wissen, dass ich ein vorliegendes Problem in seiner Gänze erkenne, ich will es lösen. Dass Verbandsvertreter Entscheidungen, die zu treffen wären, fürchten wie der Teufel das Weihwasser, ist nicht nur bei Psychatern so. Es geht mir um ein ganz lebensnahes, praktisches Problem, nämlich die Frage, wie ich als Betroffener einen Fachmann/-frau finde, der bereit ist eine von mir ja durchaus akzeptierte Vorbedingung zu erfüllen, um im Bedarfsfall über mein Leben frei selbst entscheiden zu können. Hier sehe ich Handlungsbedarf und bin auch bereit, selbst aktiv mitzuarbeiten. Ich würde mich freuen, wenn sich hier im Forum Andere fänden, die auch an diesem Punkt mitarbeiten wollen.

Freundliche Grüße
jonathan
ameisenbär
Beiträge: 154
Registriert: Freitag 1. Juni 2007, 15:30

Beitrag von ameisenbär »

Ja, die Ärzte haben Angst ihre Macht zu verlieren.

Ich hatte schon überlegt, ein Gutachter in Ländern zu suchen, die aktive Sterbehilfe erlauben, in Belgien ist aktive Sterbehilfe bei seelischen Krankheiten erlaubt, doch wer guckt dort ob der Todewunsch ein Symptom ist oder eben Bilanz?

Gruß
ameisenbär
Medical Expert
Beiträge: 11
Registriert: Montag 26. November 2007, 00:11

Beitrag von Medical Expert »

Ludwig A. Minelli hat geschrieben:Eine derartige Aussage ist an Arroganz nicht zu übertreffen. Die wahnhafte Gottgleichheit strömt bei jemand, der eine solche Aussage macht, aus allen Poren.
Treffender hätte man es gar nicht formulieren können!
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