Suizid und Rettungsdienst

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Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Touhy
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Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Touhy »

Hallo,
eine Person versucht, sich das Leben zu nehmen.
Rettungspersonal findet die Person noch lebend auf.
Die Person hat einen laminierten Zettel an der Kleidung befestigt,
die handschriftlich die Anweisungen "DNR*, keine lebensrettenden/lebenserhaltenden
Maßnahmen, keine Intubation/künstliche Beatmung" mit Unterschrift des Suizidenten
enthalten.
Was darf das Notdienstpersonal bzw. was darf es nicht?

Hat jemand Erfahrungen mit solchen Situationen?
Muss (man) um jeden Preis gerettet werden, auch wenn man es nicht will?



* do not resuscitate (nicht reanimieren)
Rasiel
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Rasiel »

Bei mir bekannten Fälle wurde reanimiert, weil sie einen Suiziden als nicht zurechnungfähig einstuften.
Aber wie genau die Gesetzeslage ist weiss ich nicht.
Orgeluse
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Orgeluse »

Was Rasiel anmerkte, ist das, das mir durch 2 Ärzte mündlich bestätigt wurde. Außerdem lag meine Patientenverfügung - deren entscheidende Passage: "keine Reanimation!", ich mit Textmarker hervorgehoben hatte, damit sie übersichtlicher sei - neben mir bei einem Versuch. Niemand hat sie offensichtlich zur Kenntnis genommen.

Die Rechtslage sieht vor, dass der Betreffende, der eine Reanimation verweigert (z.B. per Patientenverfügung), 1. an einer vermutlich über kurz oder lang zum Tode führenden, chronischen Erkrankung leiden muss, und 2. prinzipiell "einwilligungsfähig" ist (ein Rechtsterminus, der hier so viel besagt wie 'bei klarem Verstande', was immer das sein soll, und 'geschäftsfähig').
Kurzum: Den Notarzt interessiert Dein Wille im Ernstfall erstmal gar nicht. Solltest Du an einer wahrscheinlich zum Tode führenden Krankheit leiden, kannst Du unter Umständen davon ausgehen, dass Du ernster genommen wirst (allerdings müsste dann jemand den Notarzt über Deine Situation und Deinen Willen informieren - und am besten wäre es, wenn ein Notarzt erst gar nicht auf der Bildfläche erschiene ...)
Touhy
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Touhy »

Eigentlich ist man als Patient - ob man nun sterben will oder nicht (aber vor allem, wenn man es will) - immer der letzte, der gefragt wird.
Das ist meiner Meinung nach schon ein Mangel im System :?
Mediator
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Mediator »

Garantenpflicht

Die Garantenpflicht ist ein in der Debatte um assistierten Suizid wichtiger Begriff. Mit Blick auf eine Rolle als möglicher Helfer beim assistierten Suizid bedeutet Garantenpflicht: Der Arzt ist aufgrund seiner besonderen Stellung und Verantwortung dem Wohl des Opfers verpflichtet. Er kann sich deshalb strafbar machen - nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen.
Die rechtliche Regelung zum assistierten Suizid in Deutschland ist kompliziert. Selbsttötung ist nach deutschem Recht straflos. Das gilt auch für die Beihilfe zum Suizid. Allerdings nur, wenn der Suizident, also der Mensch, der sterben will, den entscheidenden Akt der Selbsttötung selbst ausführt.
Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Arzt auch nach einem Suizid, der zunächst frei verantwortlich begonnen wurde, wegen seiner Garantenpflicht zur Hilfe verpflichtet - so lange dies noch möglich ist. Die Überlegung der Richter: Wenn der Suizident die Möglichkeit der Beeinflussung des Geschehens verloren hat, hängt der Eintritt seines Todes allein vom Verhalten des Garanten ab.
Die Kirchen haben sich eindeutig positioniert.
Dem Arzt als Helfer wäre es also durchaus gestattet, das Tötungsmittel zu besorgen. Er wäre aber zum Einschreiten verpflichtet, sobald der Suizident nicht mehr handlungsfähig ist. Ein Problem, auf das die Befürworter einer Aufhebung der Garantenpflicht bei Diskussionen immer wieder hinweisen. Ihr Argument: In der Praxis käme es zu unwürdigen Umgehungsstrategien. Der Helfer entfernt sich rechtzeitig, um eine drohende Strafe zu vermeiden.
Unabhängig von diesen komplizierten strafrechtlichen Regeln gibt es aber noch das ärztliche Standesrecht. Und das besagt klipp und klar: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos!"

Mediator
Scotti
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Scotti »

Damit wären wir wieder bei diesen "lustigen" Regelungen, du darfst zwar als Deutscher in Holland Haschisch rauchen, aber weder kaufen, noch besitzen... also brauchst du nen Holländer, der dir das Zeug holt, dir den Joint hin hält und du
rauchst ihn.
Damit wärst du nach deutschem Recht straffrei..... So ähnlich scheint es ja auch hier, in diesem Fall, zu sein.
Der Arzt darf das Mittel zwar besorgen, aber sobald der Suizident das Bewusstsein verliert, muss er einschreiten, weil er als Garant sonst in die Haftung kommt. :roll:
Würde es nicht alles vereinfachen, wenn man da endlich mal eine LOGISCHE Regelung reinbringt, die den Ärzten in solchen Situationen mehr Spielraum lässt?
In der sie klar in jedem Fall einzeln entscheiden können "hier kann und muss ich helfen, oder, hier kann ich nichts mehr tun, weil die Schäden zu groß wären, würde ich das Opfer reanimieren"
Ich erinner mich noch gut, als ich vor 20 Jahren meinen Zivildienst machte bei der Feuerwehr.
Dort gab es einen Notarzt, der einen 45jährigen Familienvater 2,5 stunden reanimierte, obwohl klar war, dass er nur als geistiges Gemüse wieder leben würde und so war es auch dann.
Der Mann hatte wieder, mit Unterstützung, Puls und Atmung, kam auf Intensiv und dort stellte man fest, dass das Hirn so geschädigt war, dass er nie wieder aufwachen würde und seine Frau lies ihn dann eine Woche später
friedlich einschlafen...

Da frage ich mich doch als normal denkender Mensch "Wieso kann man solche Fälle nicht verhindern??Warum muss man Opfer dann noch so quälen, bis sie dann doch gehen dürfen?"
Freunde, versteht mich nicht falsch, aber wir reden immer über Menschlichkeit, Würde usw.
Was ist denn bitte daran würdevoll, oder menschlich, wenn ich einen Menschen, der durch Unfall, Suizidversuch, was auch immer, so schwer verletzt wurde, dass sein Ende unmittelbar bevorsteht und ich es nur noch künstlich aufhalten kann???
Wo ist DA bitte der freie Wille des Menschen???
Ich glaube kaum, dass Menschen, die in dieser Lage sind, noch sagen würden "tut alles um meinen Körper noch ein paar Tage am Leben zu halten, von denen ich sowieso nix mitkrieg"
In meinen Augen geht es da ausschließlich um die Angehörigen, die ihr Gewissen beruhigen wollen, sich verabschieden möchten etc.
Dies kann ich zwar verstehen, aber ich finde es ehrlich gesagt nicht richtig.

Wenn ein Mensch zu Lebzeiten ein Schreiben verfasst hat, welches neueren Datums ist, aus dem klar hervorgeht, dass er/sie KEINE Reanimation wünscht, keine Lebensverlängernden-, oder erhaltenden Maßnahmen, so müsste sich, meiner Meinung nach, der behandelnde Arzt auch daran halten.
Wenn er auch aus rechtlichen Gründen nicht im Raum bleiben darf, dann soll er eine rauchen gehen, kaffee trinken und nach 15min wieder kommen und den Exitus bestätigen, aber doch bitte nicht wie ein Wilder alles tun um das Leben eines Menschen zu retten, der klar äußert, dass er dies NICHT wünscht!!!
Dann könnte man sich ja diese Verfügungen auch sparen... ich selber hab auch eine, wohl in dem Wissen, das diese, falls es zum GAU kommt und ich überleben sollte, wohl nur zum Teil beachtet wird, aber es beruhigt MEIN Gewissen, dass ich
alles getan habe um so einen Wahnsinn zu verhindern, dass man meine Hülle dann noch Wochen künstlich, mit hohem Geld- und Arbeitsaufwand am Verwesen hindert, denn NICHTS ANDERES ist es doch!!
Da werden zig tausende Euros verballert nur damit die Hülle weiter beatmet wird und die Seele gehindert wird, aufzusteigen.
Wenn man es bösartig ausdrücken möchte "Dann wundert es mich auch nicht mehr, dass die Kassen chronisch pleite sind, wenn man so einen Wahnsinn betreibt" *Ironie aus*

Versteht mich bitte nicht falsch, mir gehts nich ums Geld, oder um die Arbeit, sondern einzig und allein um die Würde des Menschen, der da liegt und eigentlich tot besser dran wäre.
Balduin
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Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
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Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Balduin »

Man muss sich natürlich konkret die Notfallsituation vor Augen führen: Ein Notarzt kommt zum Einsatzort und wird erst einmal "seinen Job machen". Welche Langzeitwirkungen die Reanimierung haben wird, ob und wo eine Patientenverfügung vorliegt, was da genau drin steht, ob das juristisch einwandfrei ist, ob der Patient zurechnungsfähig ist oder nicht - all das kann man nicht beurteilen, wenn es um Minuten geht.

Anders ausgedrückt, kann man aus meiner Sicht einem Notarzt keinen Vorwurf machen, wenn er erst einmal "auf die sichere Seite geht" und alles tut, um den Notfallpatienten zu retten. Ich denke auch, man kann von keinem Arzt Sterbehilfe verlangen. Viele tun es und bewegen sich in einer juristischen Grauzone, viele lehnen es aus rechtlichen, religiösen oder ethischen Gründen ab. Das muss man akzeptieren. Man wird wohl im Regelfall mit etwas Suche einen Mediziner finden, der für das Thema Sterbehilfe aufgeschlossen ist.

Bizarr sind Fälle, in denen zum Tod Verurteilte kurz vor der Exekution eine Selbsttötung versuchen und "gerettet" werden, nur um kurz danach hingerichtet zu werden. Formaljuristisch sicher okay, vielleicht auch hinnehmbar in Bezug auf die "Philosophie" der Todesstrafe, aber dennoch krass.
Scotti
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Registriert: Donnerstag 3. Juni 2010, 10:34

Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Scotti »

Ganz genau Balduin, darauf wollt ich auch hinaus....
Im Endeffekt ist dies ja fast das Gleiche, als wenn du einen Menschen reanimierst, der dann eine Woche später dann doch erlöst wird, indem man den Stecker zieht....
Neverendingwar

Re: Suizid und Rettungsdienst

Beitrag von Neverendingwar »

Wenn die Patientenverfügung sowieso anscheinend nicht beachtet wird, wozu hat man sie dann?! :evil:
Das kann doch echt nicht angehn!!
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