Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen gehen

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Orgeluse
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Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen gehen

Beitrag von Orgeluse »

Er ist tot. 1 1/4 Jahre erst Darmkrebs (mit 45 damals), dann nach Chemo und alllem Peritonealkarzinose. Wir waren bei einem Heiler in Dauerbehandlung ab irgendwann und nach all dem schulmedizinischen Wahnsinn (meingott, was bilden Ärzte sich ein???!!!), mit gutem Erfolg. Dann, vor nun fast 6 Wochen geschahen Dinge --- ich weiß nichts mehr. Ich weiß nur, dass er seit 11 Tagen tot ist, mit knapp 47 Jahren.
Er hatte noch so viel vor, er hatte so viel Angst - immer so viel mehr Todesangst als ich. Ich war wieder im KH dabei, ich habe nicht begriffen, dass er stirbt, Aufpäppeln, das wars, was er wollte. er starb nach 1 1/2 KH-Tagen in meinen Armen.

Ich bin promoviert wie er, ich bin nicht ganz dumm. ich wußte: ich muss mich entscheiden - wie alle menschen das irgendwann wissen (aber vielleicht nicht tun und nicht tun müssen): ich mußte mich entscheiden für ein spiel auf seine Überlebenskarte oder . Ich habe alles auf die Überlebenskarte gesetzt. Wir haben verloren.
Ich war dumm: ich habe seinem besten freund bescheid gegeben, nachdem er verstorben war. jener hat aus 750 km entfernung mir den notarzt auf den hals gehetzt. nun 'lebe' ich noch immer, wider all unser beider wollen.

habe viel gelesen hier über möglichkeiten, sich zu töten. ich will meinen freitod, alle tabletten sind aufgebraucht. ich will zu uns. ich will keinen zugführer traumatisieren. ich will das leben, das ich hatte, sinnvoll vollenden.

wer immer mir helfen kann, ohne andere zu schädigen (zugführer, lkw-fahrer, menschen, denen ich auf den kopf fallen könnte, wenn ich irgendwo den absprung mach, oder die mich dann einsammeln müssen), der ist mir so willkommen.

ich durfte lieben --- und bin so glücklich darüber und will, muss und kann nur zu ihm
Stefan
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Registriert: Freitag 26. November 2010, 16:42

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von Stefan »

Orgeluse hat geschrieben:Er ist tot. 1 1/4 Jahre erst Darmkrebs (mit 45 damals), dann nach Chemo und alllem Peritonealkarzinose.
(...)
ich durfte lieben --- und bin so glücklich darüber und will, muss und kann nur zu ihm
Ich weiss genau, wie du dich fühlst :cry:

Meine Frau, der einzige Mensch, den ich je wirklich geliebt habe, ist nach über 20 gemeinsamen Jahren auch an Krebs gestorben. Hier Zuhause, und ich war in ihren letzten Stunden bei ihr. Auch, wenn das schon etwas länger her ist: ich heule immer noch jeden Tag, und mein Leben ist zur Hälfte weggebrochen. Was ist tue, indem ich "weitermache", hat keinen Sinn mehr. Und wenn ich die Tiere nicht hätte, für die ich Verantwortung trage (die habe ich aus dem Tierheim geholt, und ihnen versprochen, dass sie niemals mehr dahin zurück müssen), wäre ich schon lange nicht mehr am Leben.

Es ist grausam und fürchterlich, DEN geliebten Menschen so langsam und elendig krepieren zu sehen - und NICHTS, aber auch gar nichts tun zu können. Bei meiner Frau hat es ein Vierteljahr gedauert, und zuletzt wusste sie wegen der hohen Morphium-Dosen kaum noch, wie sie heisst. Gedächtnis weg, Wortschatz weg, allenfalls mal eine Viertelstunde am Stück ansprechbar, Windeln, Blasenkatheter, Pflegefall halt. Sie hat sich so sehr gewünscht, noch einmal mit dem Hund raus zu gehen, und wenn auch im Rollstuhl. Aber das ging nicht mehr, sie hat ihr Bett nicht mehr verlassen.

Was mich immer tröstet, ist das Lied "For Martha" der Smashing Pumpkins:

If you have to go don't say goodbye
If you have to go don't you cry
If you have to go I will get by
Someday I'll follow you and see you on the other side

Ja, "someday" werde ich sie wiedersehen. Aber bei mir muss das im Moment nicht sofort sein. Der Schmerz ist manchmal fast unerträglich. Aber er läßt, langsam aber sicher, etwas nach. Und du bist mit dem Schmerz nicht allein. Mir haben die Hinterbliebenen-Foren bei http://www.krebs-kompass.org sehr geholfen, und tun das immer noch. Da sind massenhaft Menschen unterwegs, die genau so empfinden wie du oder ich.

Viele Grüße,
Stefan
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von Orgeluse »

Immer noch da, es ist nicht auszuhalten --- "nicht leben und nicht sterben können", Ich bin nicht einen Schritt weiter. Nicht im Leben, nicht außerhalb. (Und ich danke für die Hinweise auf die Helium-Meth., aber ... - es geht momentan nicht, unzulässiges Wort.)

Habe versucht, im Schnee zu sterben, da kam ein Rübenbauer - nachts um halb zwei -, um seinen verschissenen, letzten, ewig schon auf dem leeren Feld liegenden Rübenhaufen einzufahren (ich war schon, dank Tavor, weg und auf dem Weg).
Habe dann beim nächsten Versuch dekompensiert und jemanden angerufen ... Ich trau mich nicht mehr, unzulässiges Wort.

War jetzt 3x auf geschlossener Station (lustig ist vor allem, wie schnell man da - gottseidank - wieder rauskommt, sobald man sein bissl Grips wieder beisammen hat - oder: PsychiaterInnen sind ein seltsam Volk) und bin immer noch hier

und nicht bei ihm. Morgen sind es acht Wochen. Es ist nicht wirklich auszuhalten: Ich trau mich nicht mehr ...
schreibe statt dessen lyrics, na toll

Ich trau mich nicht mehr, im Moment, habe das Resochin schon mit Apfelmus angerührt und trau mich ncht mehr ... unzulässiges Wort.
Er fehlt mir so. Und ich finde mich so lächerlich. (Auch jetzt hier das Gejammer: Banal, dumm und lächerlich.)
Er fehlt mir so.
red
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Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von red »

Oh man, orgeluse...

Du bist durch die Hölle gegangen und gehst es immer noch und Du bezeichnest Dein Schreiben als belangloses, dummes Gelaber? Du bist zu hart zu Dir. Wirklich!

Allerdings kann ich gut verstehen, dass Du vollkommen fertig bist, weil Deine Versuche scheiterten.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen - obwohl ich meinen Suizid bis nach dem Tod meiner Mutter, die gesund ist - aufschieben möchten, da wir schon meinen Vater so verloren haben... befürchte ich im entscheidenden Moment trotz totaler Verzweiflung und Entschlossenheit, mich nicht überwinden zu können.

Ich kann Dir nur Kraft wünschen! Ganz viel Kraft!

Red
red
Beiträge: 16
Registriert: Dienstag 28. Dezember 2010, 23:50

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von red »

Auch Dir Stefan möchte ich viel Kraft wünschen. Habe schon einige Beiträge von Dir gelesen und habe höchste Hochachtung vor dem, was Du durchgemacht hast.

Red
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von Orgeluse »

dunkle stunde - dauerzeit.
gestern nacht mit der telephonseelsorge telephoniert.
heute hier.

meingott, das ist alles so jämmerlich und lächerlich. und je mehr zeit vergeht, umso zermürbender wird es.
was gäb ich drum, mit denen hier, die tatsächlich sich getötet haben, sprechen zu können: wie, wie habt ihr das geschafft, diese ruhe, diese festigkeit, diese klarheit?
(hatte sie, zweimal, jetzt ist nur noch sein fehlen und der sog und zermörsernde angst)

dunkle stunde. sorry - euch allen gehts hier ja nicht gut. da brauchts nicht noch solche beiträge. mag aber nicht wieder mit wildfremden telephonieren, mag lieber wildfremden das hier hintippen.

an alle, die es auch schon einmal / mehrmals richtig ernst versuchten: wart ihr da auch so klar, so ruhig, so fest und sicher? oder was habt ihr gefühlt? und: warum geht es jetzt bei euch (einstweilen) nicht?

desolat (sorry),
orgeluse


Späteres Postskriptum:
Ja: wirklich: tut mir leid. Habe hier ein bissl geschwächelt. Soll nicht wieder vorkommen (und jetzt möge dieser Thread wieder in der Versenkung verschwinden!).
FLCL
Beiträge: 16
Registriert: Donnerstag 20. Januar 2011, 17:48

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von FLCL »

Hallo Orgelsuse,

ich habe mir deinen Beitrag schon heute morgen durchgelesen und war irgendwie beeindruckt, "irgendwie" einfach weil ich gerade die passenden Worte auf ziemlich bröckelige Art suchen muss, verzeihung. Das soll nicht abwertend klingen, ganz im Gegenteil.
Ich habe schon ein paar Beiträge von dir mitbekommen und bemerke jedesmal wie du es schaffst das ganze sehr angenehm neutral zu schildern.

Wahrscheinlich verrenne ich mich jetzt und du magst es vielleicht falsch verstehen aber ich wollte einfach nur sagen, dass mir der Schribstil gefällt.

Darf ich fragen, wieso du dir unsicher bist, zu "gehen"? Ich leses es zumindest als unsicher, sollte es nicht so sein.



Gruß
FLCL
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Das liebste Wesen im All ist tot, wir wollten zusammen g

Beitrag von Orgeluse »

Hi, FLCL,

schau mal in die PN, das ist mir hier zu off topic (außerdem: Versenkung!).

Bye
Orgeluse
Gesperrt