Gibt es eine objektive Entscheidung, wann jemand gehen darf?

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Hydra

Gibt es eine objektive Entscheidung, wann jemand gehen darf?

Beitrag von Hydra »

Hallo an Alle,

Dignitas sagt:
Im Fall von ärztlich diagnostizierten hoffnungslosen oder unheilbaren Krankheiten, unerträglichen Schmerzen oder unzumutbaren Behinderungen bietet DIGNITAS seinen Mitgliedern einen begleiteten Freitod an.


Daß, es diese Möglichkeit gibt, ist mehr wie hoch zu bewerten.
Es mangelt jedoch für nicht wenige Menschen daran, jemals eine solche Entscheidung treffen zu können, bzw. eine solche Unterstützung überhaupt zu erhalten.

Sicherlich gibt es Krankheiten, wo es unübersehbar ist, daß ein Weiterleben eines Menschen absolut unzumutbar ist.

Körperlich unerträgliche Schmerzen über eine sehr langen Zeitraum werden als Diagnose von Ärzten dermaßen unterschiedlich bewertet.
Ebenso, die Diagnose, was nun hoffnungslos ist.
Es gibt Ärzte, die excellent ausgebildet sind u. sich eine Beurteilung eines Krankheitsbildes erlauben können u. jegliche Hilfsmöglichkeiten anbieten. Andererseits gibt die Sorte von Ärzten, die fällen eine Diagnose/Entscheidung, die für den kranken Menschen lebenslang negative Folgen nach sich zieht.

Warum frage ich das?
Weil ich leider die Erfahrung einer Kaffeesatz-Leserei bzgl. der Diagnosen von Spezialisten machen mußte. Eins hatten sie gemeinsam: Geld abkassieren u. fehlerfrei sein., Mir wurde jegliche Lebensqualität (damit meine ich atmen u. schlucken, selbstständig sein) geraubt.

Gibt es einen Maßstab?

Diese Frage stelle ich mir seit langem.

Ganz liebe Grüße von

Hydra
against-life
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Registriert: Sonntag 11. April 2010, 18:54

Beitrag von against-life »

Was psychische Erkrankungen angeht, denke ich so:

Wer alles ausprobiert hat (ambulante Therapie, stationärer Klinikaufenthalt, Medikamente, Selbsthilfegruppe, Beratungsstellen, etc), ohne dass einem geholfen werden konnte, kann / "darf" gehen. Wozu weiterleben, wenn man anscheinend ein hoffnungsloser Fall ist? Ich glaube aber nicht, dass man das wirklich als Maßstab werden kann.

Eigentlich wollte ich noch viel mehr schreiben, aber jetzt habe ich den Faden verloren und bin zu nachdenklich. Sorry :-/
against-life
Beiträge: 49
Registriert: Sonntag 11. April 2010, 18:54

Beitrag von against-life »

Schwierige Frage. Kann man glaube ich auch nicht wirklich beantworten^^

Ich hab inzwischen 17 unterschiedliche Antidepressiva / Neuroleptika ausprobiert, dazu noch Benzos und so. Nichts wirkt. Außer dass ich nun in einer Diazepam-Abhängigkeit stecke (bin aber z.Zt. clean).

Therapie hatte ich erst 2,5 Jahre...
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Beitrag von Thanatos »

Hi Leute,
ich denke, dass letztendlich das Selbstbestimmungsrecht zu entscheiden haben sollte, also meine rein subjektive Meinung, was für mich persönlich als unzumutbar, unerträglich oder würdelos gilt. Dieser Maßstab sollte am Ende entscheidend sein, nicht ein von wem auch immer festgelegter.
Nur eine Bedingung stelle ich mir selbst: Diese meine Meinung muss über einen längeren Zeitraum konstant geblieben sein, also nicht aus einer momentanen Stimmung heraus entstanden vielleicht morgen wieder anders.
Ich weiß, dass mein Standpunkt, den ich hier vertrete, gegenüber Ärzten, Sterbehelfern oder gar Gesetzgebern schwer durchsetzbar sein wird. Was mich allerdings nicht davon abhält, ihn zu verteidigen. Und wenn mir keiner hilft, muss ich das Ende eben durch eigene Hand herbeiführen.
Euer Thanatos
seneca2010
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Beitrag von seneca2010 »

Hallo,

ich bin da scheints viel "radikaler" als ihr: Niemand von uns wurde gefragt, ob wir leben wollen, also muß jeder entscheiden dürfen, ob er gehen will und wann. Und das gilt nicht nur für den Freitod, sondern ich bin sogar dafür, daß es eine staatliche Institution geben muß, bei der man um Tötung ansuchen kann. Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber ich stelle mir das etwa so vor, wie bei einer Geschlechtsumwandlung. Da wird, glaube ich, auch vorher geprüft, ob man es wirklich will und dann wird es gemacht. So sollte es auch beim Sterben sein.

Liebe Grüße,
Petra
Thanatos
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Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Beitrag von Thanatos »

Hi,
ich kann dir einen Buchtipp geben, worin schon vor 30 Jahren über etwas ähnliches wie die von dir gennannte staatliche Institution nachgedacht wurde, nämlich Sterbehäuser. Der Originaltitel ist sogar "Exit House".
Das ist ein wirklich lohnenswertes Buch zum Thema. Die deutsche Version heißt "Freiwillig aus dem Leben", Autor: Jo Roman.
Im Buchladen bekommst du es zwar nicht, aber antiquarisch sind noch sehr viele Exemplare davon zu erwerben, zum Beispiel bei booklooker schon ab 25 Cent.
Beste Grüße,
Thanatos
And
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Beitrag von And »

Thanatos hat geschrieben:Hi Leute,
ich denke, dass letztendlich das Selbstbestimmungsrecht zu entscheiden haben sollte, also meine rein subjektive Meinung, was für mich persönlich als unzumutbar, unerträglich oder würdelos gilt. Dieser Maßstab sollte am Ende entscheidend sein, nicht ein von wem auch immer festgelegter.
Euer Thanatos
dem habe ich nichts hinzuzufügen...
Thanatos
Beiträge: 1580
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Beitrag von Thanatos »

Thanatos hat geschrieben:Hi,
ich kann dir einen Buchtipp geben, worin schon vor 30 Jahren über etwas ähnliches wie die von dir genannte staatliche Institution nachgedacht wurde, nämlich Sterbehäuser. Der Originaltitel ist sogar "Exit House".
Das ist ein wirklich lohnenswertes Buch zum Thema. Die deutsche Version heißt "Freiwillig aus dem Leben", Autor: Jo Roman.
Im Buchladen bekommst du es zwar nicht, aber antiquarisch sind noch sehr viele Exemplare davon zu erwerben, zum Beispiel bei booklooker schon ab 25 Cent.
Beste Grüße,
Thanatos
Hydra

Beitrag von Hydra »

Hallo an Alle,

besten Dank für Eure Antworten.

Zunächst war meine Frage auf körperliche Krankheiten bezogen u. wie Dignitas dann entscheiden würde/könnte, ob man ein Anrecht auf einen begleiteten Freitod bekommt.

Vielleicht hätte hier jemand mal mitbekommen, wie so ein Fall abläuft bzw. es selber auf diese Art versucht.

Zum jetzigen Zeitpunkt nimmt kein Arzt mehr meinen Fall an u. mir ist auch so gut wie gar nicht mehr möglich, meine Wohnung zu verlassen. Aber die Ärzte, die mich in den letzten Jahren noch behandelt haben, haben zwar den aus ihrer Sichtweise vorliegenden Ist-Zustand bewertet, aber immer noch so, daß sie an mir auch noch jede Menge Geld verdienen konnten. Kurze Zeit später brachen sie die Behandlung ab, da sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stießen. Fakt ist, daß ich sehr viele Arztberichte vorliegen habe, die zwar alle auf eine Diagnose aufbauen, aber in ganz verschiedene Richtungen laufen.
Somit habe ich überhaupt nichts objektives vorliegen.

Psychische Krankheiten können genau so unterschiedlich bewertet werden. Habe hier im Forum schon von einigen Leuten gelesen, die sich in ihrer Therapie nicht gut aufgehoben fühlten.

Meine Meinung ist, daß man keinem Menschen eine für sich selber festgestellte Leidensüberforderung absprechen kann, um daraus seine Konsequenzen zu ziehen.

Da es eben keine Sterbehäuser o.ä. gibt, ist selbst die Ausführung dieser Konsequenz mit vielen Risiken verbunden. Oft ohne die letzte Sicherheit zu dem gewünschten Resultat zu kommen.

Im Tierreich dagegen gestaltet sich das ganze anders. Nur der Stärkere überlebt. Kranke oder schwache Tiere werden durch die natürliche Auslese eliminiert. Da kann die Natur durchaus grausam sein. Aber ein krankes, schwaches Tier wird normalerweise niemals Jahre oder Jahrzehnte vor sich hinvegetieren, es sei denn der Mensch hat die Hand im Spiel.

Aber wer fragt, wie grausam das Leid eines Menschen sein kann?

Nochmals vielen Dank für Eure Antworten u.
ganz liebe Grüße von

Hyda
Sadness
Beiträge: 209
Registriert: Donnerstag 29. April 2010, 10:26

Beitrag von Sadness »

Ich muss hier Peter zustimmen. Natürlich bleibt es dem einzelnen überlassen, zu entscheiden, wann es nicht mehr lebenswert ist auf dieser Welt. Aber gerade bei psychischen Krankheiten ist Suizid oft kein freier Wille mehr sondern der Todeswunsch ist ein Symptom der Krankheit, er gehört quasi mit dazu. das ist für mich kein "Frei-Tod" sondern ein fremdbestimmter Tod, den die Krankheit gefordert hat, nicht der freie Wille.

Ich habe bereits zwei nahe Freunde verloren, die mir definitv geäußert haben, dass sie leben wollen....sie wurden überrollt von der Suizidalität durch die psychische Erkrankung. Diese Fälle machen mich sehr sehr traurig und nachdenklich, wie freiwillig ein freitod in so manchem Fall tatsächlich erfolgt...

Sadness
Hydra

Beitrag von Hydra »

@ Sadness,

es ist bestimmt nicht einfach, 2 nahestehende Menschen, auf diese Art u. Weise verloren zu haben, zumal Du wußtest, daß sie leben wollten.

Mit psychischen Krankheiten kenne ich mich nicht so gut aus (sicherlich schlägt meine körperliche Verfassung auch auf die Psyche).
Wenn der Todeswunsch auch ein Symptom der Krankheit ist, kann es dann nicht auch vorkommen, daß dieses Symptom bei einigen Menschen ein Dauerzustand ist? Und der Wunsch zu einem Freitod doch nicht fremdbestimmt ist? Sondern ein absolut inneres Anliegen?


@Peters,

Du gehst schon einen Schritt weiter. Sicherlich kann eine psychische Krankheit die Entscheidungsfähigkeit außer Kraft setzten.
Entscheiden nicht im Normalfall erst mal die Angehörigen, bevor ein Richter hinzugezogen werden muß?

Du schreibst hier über die Staatsgewalten. Oder gehst Du schon von einen ausgeübten Suizidversuch aus?

Ich hatte ja die Frage in den Raum geworfen, nach welchen Kriterien man eine Krankheit als unzumutbar einordnen kann?
(Und nach Dignitas Regeln gehen darf)

Ganz lieben Dank an Alle und nette Grüße von

Hydra
And
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Beitrag von And »

Sadness hat geschrieben: Aber gerade bei psychischen Krankheiten ist Suizid oft kein freier Wille mehr sondern der Todeswunsch ist ein Symptom der Krankheit, er gehört quasi mit dazu. das ist für mich kein "Frei-Tod" sondern ein fremdbestimmter Tod, den die Krankheit gefordert hat, nicht der freie Wille.
Sadness
sehe ich etwas anders - die krankheit, d.h. das FÜHLEN - nicht das denken bestimmt m.m.n. den freien willen. und wenn das fühlen so grauenvoll ist, dass ein mensch jahre- oder jahrzehntelang nur mit medis überlebt und diese welt nicht verlassen DARF, ist das in meinem empfinden quälerei.

ich stimme zu, dass man alle möglichkeiten der hilfe ausnutzen müsste, bevor jemand den "freifahrtschein" erhält, doch wenn jemand über lange zeit den wunsch äussert, egal aus welchem psychisch diagnostizierten grund...


die gefahr der legalisierung sehe ich im missbrauch - da auf dieser welt alles möglich ist, wäre dies auch ein weg, menschen suizidwünsche unterschreiben zu lassen, die dies nicht ganz freiwillig tun... das muss den staat zwangsläufig in die zwickmühle bringen.
seneca2010
Beiträge: 38
Registriert: Donnerstag 27. Mai 2010, 22:04
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Beitrag von seneca2010 »

Hallo,

ich sehe das mit dem "Nicht-Entscheiden-Können" auch etwas problematisch. Ich glaube auch, dass man immer zuerst versuchen sollte, ob man das Leben nicht soweit verbessern kann, dass man es wieder gern lebt, aber woher weiß man, was zu einer Krankheit gehört und was nicht? Ich meine es gibt Menschen, die so tun, als ob der Todeswunsch selbst schon eine Krankheit wäre und es gibt andere, die das nicht so sehen. Wer hat dann recht? Wie definiert man eine Krankheit überhaupt?

Außerdem: wenn wir davon ausgehen, daß ein Mensch aufgrund einer psychischen Krankheit suizidal ist und jahrelang alles versucht, um gesund zu werden und es funktioniert nicht: wieso soll er dann nicht gehen dürfen? Am Ende zählt meiner Meinung nach nur eines: das, was der Mensch fühlt, egal warum. Und wenn er fühlt, daß es besser ist zu gehen, dann darf man ihm das nicht verwehren.

Liebe Grüße,
Petra
Scotti
Beiträge: 917
Registriert: Donnerstag 3. Juni 2010, 10:34

Beitrag von Scotti »

Hallo Petra,
ich kann dir wirklich nur Recht geben.
Ich leide seit Jahren versteckt an manischen Depressionen, die zuerst nur durch Hochphasen und leichte Täler auffiel.
Doch seit 2 Jahren bin ich massiv down und bis jetzt hat man nichts gefunden, was mir wirklich hilft.
Klar Medis probier ich haufenweise, doch die bringen entweder ne Verschlechterung, oder wirken so euphorisierend, dass ich Pläne mache, die nie wahr werden können.

Egal wie man es dreht: Der Wille eines Menschen ist sein höchstes Gut im Leben und er sollte selbst entscheiden dürfen, ob, wann und wie er diese Welt verlassen will um in eine andere zu gelangen, oder dahin, woran er/sie glaubt!!!
Scotti
Beiträge: 917
Registriert: Donnerstag 3. Juni 2010, 10:34

Beitrag von Scotti »

Bis jetzt noch nicht, aber danke für den tipp^^
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