Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
@MS40
Wenn dies Dein Hintergedanke war bei der Analogiebildung, dann - ja!
Das bigotte öffentliche Reden und de facto Tun all dieser GesetzesbürokratInnen und Medizin-TechnokratInnen kotzt mich auch nur noch an, und es gehört immer wieder neu ins Bewusstsein gerufen!
Wir, Du und ich (sorry, bin zwar physisch leidlich beieinander, doch der Krebs meines Mannes war nie nur seiner), haben offenbar am eigenen Leib diese faschistoide neue-alte "Denke" bei VertreterInnen der o.g. Berufsgruppen erlebt. - Die dergleichen implizite Aussagen ("nu sterben Se mal bald") ihres explizit natürlich getarnten Tuns und Sagens in einer Bewusstlosigkeit vollstrecken, dass ich ihnen allen unsere Krankheiten an den Hals wünschte und wünsche - wenn ich nicht so ein zivilisierter, dialektisch aufgeklärter Mensch wär ...
Einen Gruß aus der Wut und dem Leid,
Orgeluse
Wenn dies Dein Hintergedanke war bei der Analogiebildung, dann - ja!
Das bigotte öffentliche Reden und de facto Tun all dieser GesetzesbürokratInnen und Medizin-TechnokratInnen kotzt mich auch nur noch an, und es gehört immer wieder neu ins Bewusstsein gerufen!
Wir, Du und ich (sorry, bin zwar physisch leidlich beieinander, doch der Krebs meines Mannes war nie nur seiner), haben offenbar am eigenen Leib diese faschistoide neue-alte "Denke" bei VertreterInnen der o.g. Berufsgruppen erlebt. - Die dergleichen implizite Aussagen ("nu sterben Se mal bald") ihres explizit natürlich getarnten Tuns und Sagens in einer Bewusstlosigkeit vollstrecken, dass ich ihnen allen unsere Krankheiten an den Hals wünschte und wünsche - wenn ich nicht so ein zivilisierter, dialektisch aufgeklärter Mensch wär ...
Einen Gruß aus der Wut und dem Leid,
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
@Orgeluse: Unsere Gedanken gehen in etwa in dieselbe Richtung.
Bei aller Wut über das scheinbar kaum Veränderbare trifft einen das 'Glück' manchmal aus heiterem Himmel. Man kann sich fast nicht vorstellen, dass es solche Menschen noch gibt, aber es gibt sie. Über ein Hobby habe ich einen älteren Arzt kennengelernt, der mich fortan von der Wiege (ähm ne, das ist ja lange her ) bis zur Bahre begleiten wird, also in der von mir gewünschten Art und Weise. Das hat mir die Angst genommen und auch wieder Vertrauen und Zuversicht gebracht. Er ist der erste Arzt, dem ich vertraue. Dies nur so am Rande erwähnt.
Zurück zum Thema: Die Argumentation zur Suizidprävention ist etwas naiv. Wenn ein erfahrener Psychiater bemerkt, dass er sich sehr betroffen fühle, wenn einer seiner Patienten sein Leben (und damit auch die Geschäftsbeziehung abrupt beendet) beendet und er dies möglichst verhindern will, gleichzeitig aber nicht einsehen will, dass auch die Psychiatrie ihre Grenzen hat, die nicht mit noch so viel finanziellen Mitteln nach oben verschoben werden können, dann müssen andere Gründe dahinterstecken, die gegen eine Suizidhilfe sprechen. Dies ist Ausdruck des Streiks der Psychiater, den Psychischkranken die Urteilsfähigkeit zu bescheinigen, um ihnen einen selbstbestimmten und damit zugleich würdevollen Tod zu ermöglichen. Das Urteil des Strassburger Gerichtshofes hat am Status quo nichts geändert. Die Psychischkranken werden weiterhin im Regen stehengelassen und müssen sich nach anderen Methoden umsehen. Auch dies ist der Ausdruck davon, den Menschen vorschreiben zu wollen, wie und wann sie sterben sollen. Das kann beim besten Willen nur ein Betroffene, denn er/sie muss schliesslich damit leben, die anderen leben allenfalls davon. Es kann niemand so naiv sein zu glauben, dass das Leben nur Bacardi-Feeling ist. Wie täglich Menschen ungefragt geboren werden, so sterben täglich viele Menschen, manche unnötig und künstlich verlängert sowie gegen ihren Willen. Die Katze oder der Kanarienvogel können ihren Willen im Gegensatz zum Menschen nicht äussern, so dass der Besitzer und Tierfreund die Entscheidung mit dem Tierarzt treffen muss. Der Besitzer steht hier vor einer sehr heiklen Situation, schliesslich will er sein geliebtes Haustier nicht hergeben, sieht aber, dass das Tier Schmerzen hat und muss eine Abwägung treffen. Das tut weh, sehr sogar. Man stelle sich die Situation vor, wo fundamentalistische Kreise öffentlich gegen den Einsatz von NaP in Tierkliniken protestieren würden und wie unsere geliebten EVP-Vertreter einen Gesetzesvorstoss zur Verbietung von Tiereinschläferungen lancieren würden. Das wäre vergleichbar mit dem dämlichen Theater, den diese Gruppierungen um die Sterbehilfe beim Menschen veranstalten. Die Schweizer Bevölkerung ist diesbezüglich im Durchschnitt wesentlich liberaler, so dass kürzlich der EVP-Vorstoss im Zürcher Kantonsparlament abgeschossen wurde.
Bei aller Wut über das scheinbar kaum Veränderbare trifft einen das 'Glück' manchmal aus heiterem Himmel. Man kann sich fast nicht vorstellen, dass es solche Menschen noch gibt, aber es gibt sie. Über ein Hobby habe ich einen älteren Arzt kennengelernt, der mich fortan von der Wiege (ähm ne, das ist ja lange her ) bis zur Bahre begleiten wird, also in der von mir gewünschten Art und Weise. Das hat mir die Angst genommen und auch wieder Vertrauen und Zuversicht gebracht. Er ist der erste Arzt, dem ich vertraue. Dies nur so am Rande erwähnt.
Zurück zum Thema: Die Argumentation zur Suizidprävention ist etwas naiv. Wenn ein erfahrener Psychiater bemerkt, dass er sich sehr betroffen fühle, wenn einer seiner Patienten sein Leben (und damit auch die Geschäftsbeziehung abrupt beendet) beendet und er dies möglichst verhindern will, gleichzeitig aber nicht einsehen will, dass auch die Psychiatrie ihre Grenzen hat, die nicht mit noch so viel finanziellen Mitteln nach oben verschoben werden können, dann müssen andere Gründe dahinterstecken, die gegen eine Suizidhilfe sprechen. Dies ist Ausdruck des Streiks der Psychiater, den Psychischkranken die Urteilsfähigkeit zu bescheinigen, um ihnen einen selbstbestimmten und damit zugleich würdevollen Tod zu ermöglichen. Das Urteil des Strassburger Gerichtshofes hat am Status quo nichts geändert. Die Psychischkranken werden weiterhin im Regen stehengelassen und müssen sich nach anderen Methoden umsehen. Auch dies ist der Ausdruck davon, den Menschen vorschreiben zu wollen, wie und wann sie sterben sollen. Das kann beim besten Willen nur ein Betroffene, denn er/sie muss schliesslich damit leben, die anderen leben allenfalls davon. Es kann niemand so naiv sein zu glauben, dass das Leben nur Bacardi-Feeling ist. Wie täglich Menschen ungefragt geboren werden, so sterben täglich viele Menschen, manche unnötig und künstlich verlängert sowie gegen ihren Willen. Die Katze oder der Kanarienvogel können ihren Willen im Gegensatz zum Menschen nicht äussern, so dass der Besitzer und Tierfreund die Entscheidung mit dem Tierarzt treffen muss. Der Besitzer steht hier vor einer sehr heiklen Situation, schliesslich will er sein geliebtes Haustier nicht hergeben, sieht aber, dass das Tier Schmerzen hat und muss eine Abwägung treffen. Das tut weh, sehr sogar. Man stelle sich die Situation vor, wo fundamentalistische Kreise öffentlich gegen den Einsatz von NaP in Tierkliniken protestieren würden und wie unsere geliebten EVP-Vertreter einen Gesetzesvorstoss zur Verbietung von Tiereinschläferungen lancieren würden. Das wäre vergleichbar mit dem dämlichen Theater, den diese Gruppierungen um die Sterbehilfe beim Menschen veranstalten. Die Schweizer Bevölkerung ist diesbezüglich im Durchschnitt wesentlich liberaler, so dass kürzlich der EVP-Vorstoss im Zürcher Kantonsparlament abgeschossen wurde.
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
@MS40
Zunächst: Ich bin hocherfreut, von Deinem Doc zu lesen (ja: wenn man genug gelitten hat, dann scheint man irgendwann einer/m VertreterIn der so selten gewordenen Spezies der/des empathischen Ärztin/Arztes zu begegnen ...)!
Dann: Ich glaube, ich bin zu müde, jedenfalls verstehe ich Deinen point nicht:
In Deiner folgenden Argumentation sprichst Du davon, dass es letztlich darum ginge, den Menschen etwas "vorschreiben" zu wollen, sie also am selbst-bestimmten Leben hindern zu wollen. Meinst Du das damit?
Aber warum ist das in diesem, unserem, speziellen Falle auch so? - Ich begreife das den Menschen-ihr-Leben-vorschreiben-Wollen ja noch, wenn es um jene die Welt bis heute bestimmenden Faktoren wie Markt, Produktion und Kapital geht, aber wenn es darum geht, Menschen, die sich diesen 'Regelkreisen' ohnehin weitgehend entzogen haben oder ihnen entzogen worden sind, dann weiß ich nicht, warum diese Lebens-Vorschreib-Mentalität da auch noch greifen soll. - Aber sie greift, das ist zweifelsohne ein Faktum.
Leben als "Bacardi-Feeling". Räusper. Ähm. Sorry. Aber: War das jemals so bei Dir?!
Und zum Schluss noch eine Frage: Was heißt "EVP"? (Und was für ein Vorstoß ist in Zürich dazu gelaufen - sorry, ich lese seit 10 Wochen keine Zeitung mehr.)
Einen lieben Gruß
Orgeluse (nunmehr den Computer ausschaltend für heut, gute Nacht!)
Zunächst: Ich bin hocherfreut, von Deinem Doc zu lesen (ja: wenn man genug gelitten hat, dann scheint man irgendwann einer/m VertreterIn der so selten gewordenen Spezies der/des empathischen Ärztin/Arztes zu begegnen ...)!
Dann: Ich glaube, ich bin zu müde, jedenfalls verstehe ich Deinen point nicht:
Was sind das Deiner Meinung nach für "andere Gründe", die dahinterstecken?ms40 hat geschrieben:Zurück zum Thema: Die Argumentation zur Suizidprävention ist etwas naiv. Wenn ein erfahrener Psychiater bemerkt, dass er sich sehr betroffen fühle, wenn einer seiner Patienten sein Leben (und damit auch die Geschäftsbeziehung abrupt beendet) beendet und er dies möglichst verhindern will, gleichzeitig aber nicht einsehen will, dass auch die Psychiatrie ihre Grenzen hat, die nicht mit noch so viel finanziellen Mitteln nach oben verschoben werden können, dann müssen andere Gründe dahinterstecken, die gegen eine Suizidhilfe sprechen.
In Deiner folgenden Argumentation sprichst Du davon, dass es letztlich darum ginge, den Menschen etwas "vorschreiben" zu wollen, sie also am selbst-bestimmten Leben hindern zu wollen. Meinst Du das damit?
Aber warum ist das in diesem, unserem, speziellen Falle auch so? - Ich begreife das den Menschen-ihr-Leben-vorschreiben-Wollen ja noch, wenn es um jene die Welt bis heute bestimmenden Faktoren wie Markt, Produktion und Kapital geht, aber wenn es darum geht, Menschen, die sich diesen 'Regelkreisen' ohnehin weitgehend entzogen haben oder ihnen entzogen worden sind, dann weiß ich nicht, warum diese Lebens-Vorschreib-Mentalität da auch noch greifen soll. - Aber sie greift, das ist zweifelsohne ein Faktum.
Leben als "Bacardi-Feeling". Räusper. Ähm. Sorry. Aber: War das jemals so bei Dir?!
Und zum Schluss noch eine Frage: Was heißt "EVP"? (Und was für ein Vorstoß ist in Zürich dazu gelaufen - sorry, ich lese seit 10 Wochen keine Zeitung mehr.)
Einen lieben Gruß
Orgeluse (nunmehr den Computer ausschaltend für heut, gute Nacht!)
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Das Urteil lautet kurz und knapp:Ludwig A. Minelli hat geschrieben:(..)
Deshalb hier der Link zum Originaltext des Urteils in französischer Sprache:
http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view. ... n=hudoc-en
Dit qu’il n’y a pas eu violation de l’article 8 de la Convention
(Es liegt keine Verletzung von Artikel 8 der Europaeischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor):
Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Ich habe mich da nicht klar ausgedrückt. Ich meinte, dass der Psychiater andere Gründe habe, sich gegen eine Suizidhilfe aussprechen. Das können Gewissensbisse, ethische oder fundamentalistische Gründe sein.Orgeluse hat geschrieben:Was sind das Deiner Meinung nach für "andere Gründe", die dahinterstecken?ms40 hat geschrieben:Zurück zum Thema: Die Argumentation zur Suizidprävention ist etwas naiv. Wenn ein erfahrener Psychiater bemerkt, dass er sich sehr betroffen fühle, wenn einer seiner Patienten sein Leben (und damit auch die Geschäftsbeziehung abrupt beendet) beendet und er dies möglichst verhindern will, gleichzeitig aber nicht einsehen will, dass auch die Psychiatrie ihre Grenzen hat, die nicht mit noch so viel finanziellen Mitteln nach oben verschoben werden können, dann müssen andere Gründe dahinterstecken, die gegen eine Suizidhilfe sprechen.
Manche meinen, sie müssten sich überall einmischen. Ich bin der Meinung, dass sich nirgens einmischen , sondern sich um ihren eigenen Kram kümmern sollten. Aber wie will man Menschen, die den Tod oder eine graumsame Krankheit verdrängen, verständlich machen, dass sich Menschen das Ende eines Leidens und damit in letzter Konsequenz den Tod, wünschen können. Gerade dieser Kontrast zu den Menschen, die das Leben in vollen Zügen geniessen, ist das Wesentliche. Ist dann wie in der Rudi Carell-Show: Das wäre ihr Preis gewesen. Die Betroffenen dann mit Psychopharmaka gehirnzuwaschen, damit sie sich nichts antun, kann auch nicht die Lösung sein. Manche verabschieden sich aus dem Leben trotz jahrzehntelanger Psychotherapie, weil sie das ursprüngliche Problem nicht zu 100% lösen kann oder an ihre Grenzen stösst.Orgeluse hat geschrieben:Aber warum ist das in diesem, unserem, speziellen Falle auch so? - Ich begreife das den Menschen-ihr-Leben-vorschreiben-Wollen ja noch, wenn es um jene die Welt bis heute bestimmenden Faktoren wie Markt, Produktion und Kapital geht, aber wenn es darum geht, Menschen, die sich diesen 'Regelkreisen' ohnehin weitgehend entzogen haben oder ihnen entzogen worden sind, dann weiß ich nicht, warum diese Lebens-Vorschreib-Mentalität da auch noch greifen soll. - Aber sie greift, das ist zweifelsohne ein Faktum.
EIne sehr persönliche Frage, aber ja, es gab mal eine sehr gute, wennauch viel zu kurze Zeit. Je höher man war, desto tiefer kann man fallen.Orgeluse hat geschrieben:Leben als "Bacardi-Feeling". Räusper. Ähm. Sorry. Aber: War das jemals so bei Dir?!
Evangelische Volkspartei. Eine religiöse, politische Partei.Orgeluse hat geschrieben:Und zum Schluss noch eine Frage: Was heißt "EVP"?
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
@MS40
Danke für die ausführlichen (und ehrlichen) Antworten! Ich kann Deiner Argumentation zum Thema "überflüssiger, ja schädlicher (und letztlich wohl einfach nur verlogener!) Helferkomplex" nur zustimmen.
Einen lieben Gruß
Orgeluse
Danke für die ausführlichen (und ehrlichen) Antworten! Ich kann Deiner Argumentation zum Thema "überflüssiger, ja schädlicher (und letztlich wohl einfach nur verlogener!) Helferkomplex" nur zustimmen.
Einen lieben Gruß
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Das ist mir auch schon aufgefallenOrgeluse hat geschrieben:Deine erste Aussage (Wunsch, dass die aktive Sterbehilfe legalisiert werde, im Falle von chronischer, lebensverdunkelnder Krankheit - egal ob physisch oder psychisch) knirscht doch extrem beim Aufprall auf die zweite Deiner Aussagen ('wie soll eine solche aktive Sterbehilfe durch wen aussehen?').
Denke ich mir auch oft. Aber dann denke ich wieder an die unter Experten unbestrittene hohe Dunkelziffer bei Tötungsdelikten in D, v.a. im Bereich der häuslichen Pflege durch Angehörige... und dann wird mir ganz anders, wenn ich mir vorstelle, dass man Pentobarbital einfach auf Rezept beziehen könnte.Ich würde mir erwarten, dass die Beschaffung der nötigen Mittel (um den hier vielzitierten Lok-Führer nicht zu traumatisieren) leichter fiele.
Klar, ich kann die lästige Oma auch die Treppe runter stoßen oder ihr das Kissen auf's Gesicht drücken, wenn ich sie als Angehöriger töten will. Oder ihr einfach nichts mehr zu trinken geben, dann ist sie dehydriert auch in ein paar Tagen tot. Aber ich fürchte, dass die Hemmschwelle bei Verfügbarkeit eines "nötigen Mittels" da eher sinken könnte. Mag gut sein, dass das ein Vorurteil ist (der Pentobarbital-Bezug wäre ja dokumentiert)... ich kann es nicht erklären, aber: je leichter die Mittel zu beschaffen sind, desto mehr Angst hätte ich als Pflegefall vor meinen Angehörigen. (Vor Ärzten und Pflegeheimpersonal weniger, die verdienen ja zu gut an mir, um mich zu töten, weil ich ihnen lästig bin.)
Das Pentobarbital dürfte also die Hände des Arztes nicht verlassen. Und da frage ich mich wieder, ob es "vom Staat" / von Medizinern verlangt werden kann, dass sie mich töten, obwohl ich körperlich so gesund bin, dass ich das selbst tun könnte. Das kommt für mich dann auch eine ähnliche Schiene wie ganz früher bei der Abtreibungsdiskussion. Ja, der Patient darf. Aber der Arzt muss nicht. Also die "Tourismus"-Lösung, wenn vor Ort kein Arzt dazu bereit ist? Ich weiss es auch nicht.
Viele Grüße,
Stefan
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Wie richtig das ist, zeigt sich m.E. am ökonomischen Interesse eines anderen Wirtschaftszweiges: dem der privaten Rentenversicherungen. Da gibt es nämlich endlich auch in D die private Rentenzusatzversicherung, bei der der Versicherte satte Rabatte bekommt, wenn er raucht - und möglichst noch viel Übergewicht hat. Da müssen die nämlich statistisch berechnet x Jahre weniger lang zahlen als beim gesund lebenden Versicherten. Und diesen Preisvorteil geben sie an die fetten Raucher z.T. weiter (wenn ich dann noch einen Golf GTI fahre, wieviel Rabatt gibt das zusätzlich?)ms40 hat geschrieben:sind wir doch ehrlich: Die Sozialversicherungen werden bei jedem, der sich umbringt, die Champagnerkorken knallen lassen, endlich einer weniger, für den wir zahlen müssen.
(...)
Die einzigen Gründe, dies nicht so zu tun, liegen im Fundamentalismus (Kirche) und den ökonomischen Interessen (Ärzte) mancher Berufsgattungen.
Insofern: doch, frühes Ableben wird schon belohnt. Und der Trend ist ausbaubar, finde ich. Die Amis sind da schon viel weiter. Da kann ich meine Risiko-Lebensversicherung verkaufen. Und wenn ich das z.B. mit der ärztlich abgestempelten Diagnose Lungenkrebs tue, kriege ich dafür einen super Preis, weil der Käufer in 90% der Fälle in < 12 Monaten an sein Geld kommt, in 98% der Fälle innerhalb von 5 Jahren. Da haben doch beide was davon
Viele Grüße,
Stefan
Zuletzt geändert von Stefan am Sonntag 23. Januar 2011, 13:41, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Gräm Dich nicht, solche Inkonsistenzen unterlaufen mir seit geraumer Zeit permanent ... (nervig, ich weiß).Stefan hat geschrieben:Das ist mir auch schon aufgefallen
Ja, das ist ein ganz, ganz heikler Aspekt in dieser Diskussion: Die "Euthanasie"-Problematik (im Sinne der unseligen Tradition des Gedankens vom 'unwerten Leben', das immer durch Dritte zu solchem erklärt worden ist und wird - manchmal so lange, bis die Betroffenen selbst glauben, 'unwert' zu sein) ... Da sollten allerdings alle Missbrauchsmöglichkeiten, so gut es geht (ganz geht das ja nie), ausgeschlossen werden. - Fragt sich nur, wie?Stefan hat geschrieben:Denke ich mir auch oft. Aber dann denke ich wieder an die unter Experten unbestrittene hohe Dunkelziffer bei Tötungsdelikten in D, v.a. im Bereich der häuslichen Pflege durch Angehörige... und dann wird mir ganz anders, wenn ich mir vorstelle, dass man Pentobarbital einfach auf Rezept beziehen könnte.
Kompliziert!
Einen lieben Gruß
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Achtung: jegliche Lebensverkürzung gegen den Willen des Betroffenen ist juristisch klar als Mord geregelt und wird strafrechtlich verfolgt. Küchenmesser sind ohne Rezept und frei erhältlich. Wenn jemand abgestochen wird, gegen seinen Wilen natürlich , dann kann das Küchenmesser nichts dafür, sondern derjenige, der es als Mordwaffe einsetzte. Menschen, die mit einem Küchenmesser im Sinne seines 'normalen' Einsatzgebietes nicht umgehen können, werden als unzurechnungsfähig erklärt. Dumm ist nur, dass jeweils zuvor ein Mord passieren muss, aber das gehört zu den allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Risiken, so schlimm sie auch sein mögen. Sonst müsste vieles andere auch verboten/kontrolliert werden, was man stillschweigend oder unbewusst in Kauf nimmt. Es entspringt einer sehr naiven Geisteshaltung (heile Welt), nicht wahrnehmen zu wollen, dass täglich Sachen geschehen, die man gefliessentlich verdrängt ode nicht am eigenen Leib erfährt. Ist man plötzlich davon betroffen, fällt es ihnen dann wie Schuppen von den Augen.Stefan hat geschrieben:Klar, ich kann die lästige Oma auch die Treppe runter stoßen oder ihr das Kissen auf's Gesicht drücken, wenn ich sie als Angehöriger töten will. Oder ihr einfach nichts mehr zu trinken geben, dann ist sie dehydriert auch in ein paar Tagen tot. Aber ich fürchte, dass die Hemmschwelle bei Verfügbarkeit eines "nötigen Mittels" da eher sinken könnte. Mag gut sein, dass das ein Vorurteil ist (der Pentobarbital-Bezug wäre ja dokumentiert)... ich kann es nicht erklären, aber: je leichter die Mittel zu beschaffen sind, desto mehr Angst hätte ich als Pflegefall vor meinen Angehörigen. (Vor Ärzten und Pflegeheimpersonal weniger, die verdienen ja zu gut an mir, um mich zu töten, weil ich ihnen lästig bin.)
Das Pentobarbital dürfte also die Hände des Arztes nicht verlassen. Und da frage ich mich wieder, ob es "vom Staat" / von Medizinern verlangt werden kann, dass sie mich töten, obwohl ich körperlich so gesund bin, dass ich das selbst tun könnte. Das kommt für mich dann auch eine ähnliche Schiene wie ganz früher bei der Abtreibungsdiskussion. Ja, der Patient darf. Aber der Arzt muss nicht. Also die "Tourismus"-Lösung, wenn vor Ort kein Arzt dazu bereit ist? Ich weiss es auch nicht.
Das Problem bei der Abgabe von NaP auf Rezept sehe ich insofern als kein Problem an, als das Rezept nicht verweigert werden kann, und zwar weder durch einen eingeschüchterten Kantonsapotheker noch durch streikende Psychiater (Urteilsfähigkeit). Dort liegt aber im Fall der Psychischkranken aber das Problem. Die Grenze zwischen psychisch krank und unteilsfähig wird offenbar als fliessend erachtet.
Vom Staat eine Sterbehilfebegleitung zu verlangen kann man nicht, der Sterbewillige hat ein Recht, über sein Leben und seinen Tod selbst zu entscheiden. Man kann vom Staat höchstens verlangen, dass er das dazu notwendige Mittel, um eine Sterbegeleitung durchführen zu können, nicht einschränkt. Der Sterbewillige weiss selbst, aus welchen Gründen er sterben möchte und will sich da nicht dreinreden lassen von Leuten, die es besser wissen oder von aussen gesehen den Leidensdruck nicht im Geringsten erahnen können. Jemand mit MS muss nicht im Rollstuhl sitzen, um des Lebens müde zu werden, das Leben kann schon viel vorher zur Hölle werden. Die Psychischkranken haben da ein noch grösseres Rechtfertigungsproblem. Fazit: der Betroffene selbst entscheidet, wann er genug hat, weil nur er damit klarkommen muss.
Ich verstehe das Theater, das die Psychiater bei den Depressiven veranstalten, nicht. Sie schubladisieren den Betroffenen mit seinem Sterbewunsch als Kranken und weigern sich, die Zurechnungsfähigkeit zu attestieren. Der Wille zu leben ist gleichwertig mit dem Willen zu sterben (in meinen Augen). Interessant ist das Strassburger Urteil gerade aus dieser Perspektive. Die Richter stossen sich daran, dass der Kläger nur NaP als Suizidmittel in Betracht zieht. Das steht zwar nicht so direkt Schwarz auf Weiss, de facto bedeutet es aber, dass man sich gefälligst eine andere Methode suchen solle, die Auswahl sei ja gross genug.
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Nunja, das ließe sich doch auch in den etwas banalen (heißt ja nicht, dass er nicht wahr ist) Satz packen, demzufolge das Leben gefährlich (inklusive des Umgangs mit Küchenmessern) und letztlich tödlich ist. - Zwischen dem Küchenmesser und dem NaP besteht doch aber wohl ein entscheidender Unterschied: Der der Funktion. Während ich ein Küchenmesser aufgrund seiner kontextuellen Multifunktionalität zu allem möglichen nutzen kann, nutze ich NaP nur zu einem Zweck, dazu, meinen (oder den eines andern) Tod herbeizuführen. Insofern sollten die jeweiligen Zugangsmöglichkeiten zu Küchenmessern und zu NaP doch unterschiedliche sein.ms40 hat geschrieben:Küchenmesser sind ohne Rezept und frei erhältlich. Wenn jemand abgestochen wird, gegen seinen Wilen natürlich , dann kann das Küchenmesser nichts dafür, sondern derjenige, der es als Mordwaffe einsetzte. [...]
Dumm ist nur, dass jeweils zuvor ein Mord passieren muss, aber das gehört zu den allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Risiken, so schlimm sie auch sein mögen. Sonst müsste vieles andere auch verboten/kontrolliert werden, was man stillschweigend oder unbewusst in Kauf nimmt. Es entspringt einer sehr naiven Geisteshaltung (heile Welt), nicht wahrnehmen zu wollen, dass täglich Sachen geschehen, die man gefliessentlich verdrängt ode nicht am eigenen Leib erfährt. Ist man plötzlich davon betroffen, fällt es ihnen dann wie Schuppen von den Augen.
Ja: Die Anmaßung der Position, dass psychisch krank in jedem Fall auch urteilsunfähig bedeuten soll, die wurmt mich auch.ms40 hat geschrieben: Die Grenze zwischen psychisch krank und unteilsfähig wird offenbar als fliessend erachtet.
[...] Fazit: der Betroffene selbst entscheidet, wann er genug hat, weil nur er damit klarkommen muss.
Ich verstehe das Theater, das die Psychiater bei den Depressiven veranstalten, nicht. Sie schubladisieren den Betroffenen mit seinem Sterbewunsch als Kranken und weigern sich, die Zurechnungsfähigkeit zu attestieren. Der Wille zu leben ist gleichwertig mit dem Willen zu sterben (in meinen Augen).
Und nochmal: Ja: Lebenswille und Todeswille, oder - mit den alten Griechen: Eros und Thanatos müssen m.E. als gleichwertig akzeptiert werden.
Liebe Grüße
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Das sieht der Messerstecher anders. Für ihn ist das Küchenmesser und NaP in etwa gleichwertig. Aus der Sicht aller anderen hat das Küchenmesser aber einen deutlich erweiterten Einsatzradius. Sie setzen es in der Küche ein und denken nicht daran, dass man es zweckentfremden könnte, bis der Messerstecher vor ihnen steht.Orgeluse hat geschrieben:Zwischen dem Küchenmesser und dem NaP besteht doch aber wohl ein entscheidender Unterschied: Der der Funktion. Während ich ein Küchenmesser aufgrund seiner kontextuellen Multifunktionalität zu allem möglichen nutzen kann, nutze ich NaP nur zu einem Zweck, dazu, meinen (oder den eines andern) Tod herbeizuführen. Insofern sollten die jeweiligen Zugangsmöglichkeiten zu Küchenmessern und zu NaP doch unterschiedliche sein.
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Apropos: Kann's sein, dass Du einen solchen Messerstecher persönlich kennst (Dein posting klingt so, als wäre Dir da jemand vertraut) - via PN könnt ich vielleicht dessen Adresse ---, nee, nee, nee, blöde Idee: Das muss ich schon allein schaffen.
(So, nun mag ich aber hier nicht auch noch anfangen, schlechte Scherze zu machen.)
Gruß
Orgeluse
(So, nun mag ich aber hier nicht auch noch anfangen, schlechte Scherze zu machen.)
Gruß
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Wäre auch kein angenehmer Tod, wobei das Überraschungsmoment schon willkommen wäre.Orgeluse hat geschrieben:Apropos: Kann's sein, dass Du einen solchen Messerstecher persönlich kennst (Dein posting klingt so, als wäre Dir da jemand vertraut) - via PN könnt ich vielleicht dessen Adresse ---, nee, nee, nee, blöde Idee: Das muss ich schon allein schaffen.
(So, nun mag ich aber hier nicht auch noch anfangen, schlechte Scherze zu machen.)
Gruß
Orgeluse
Re: Europ. Gerichtshof für Menschenrechte - Klage abgewiesen
Ein Psychiater ist nicht der Staat.david hat geschrieben:wie man daraus ganz klar lesen kann, haben die menschen kein recht darauf, das der staat sie beim suizid unterstützt.
solange musst du halt von psychater zu psychater laufen um so ein gutachten zu bekommen. wie in diesem fall kannst du wohl solange laufen bis du schwarz wirst.
solange sich nichts ändert von den gesetzen her, darf es niemanden wundern das unschuldige mit in den suizid gerissen werden. (zugführer) es rechtfertigt dies zwar nicht aber wird meiner meinung nach auch billigend in kauf genommen.
Der Staat ist nicht verpflichtet dir den Weg zu ebnen, aber das begründet noch lange keine Verbote.
Rezeptpflicht hin oder her, Rezepte stellen Ärzte aus und keine Behörden.
Man kann aus dem Urteil lesen das es keine Rechtfertigung gibt psychisch Kranken den Freitod zu verweigern, sofern sie wissen was sie tun.