Schnell oder langsam?

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Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Schnell oder langsam?

Beitrag von Orgeluse »

Ja, lieber mortal,

Améry - ich lese ihn gerade mit außerordentlichem Gewinn (und viel lieber als Sartres Lebens-Philosophie! Aber damit bin ich noch nicht weit), bringt er doch in ganz unnachahmlicher Weise all mein Zittern und Zagen einerseits und all mein Wollen und (Hin-)Neigen andererseits zur Sprache, indem er deren Grenzen, die Grenzen des Sagbaren, immer weiter nach hinten verschiebt. Das ist schon ein tolles Gedanken- und Sprachspiralenbuch, das sein unsagbares Thema immer enger umkreist und dabei noch voranschreitet!
Allerdings wüßte ich nicht, warum es heute weniger skandalös sein sollte - die Lebensenthusiasten geben doch immer noch den Ton an. (Was Améry z.B. zur absolut verletztenden Erfahrung der ungewollten "Rettung" des Suizidalen bemerkt, erinnerte mich an Selbsterlebtes - vor nur ein paar Monaten.)

Einen lieben Gruß
Orgeluse
mortal

Re: Schnell oder langsam?

Beitrag von mortal »

Orgeluse hat geschrieben:Ja, lieber mortal,

Améry - ich lese ihn gerade mit außerordentlichem Gewinn (und viel lieber als Sartres Lebens-Philosophie! Aber damit bin ich noch nicht weit), bringt er doch in ganz unnachahmlicher Weise all mein Zittern und Zagen einerseits und all mein Wollen und (Hin-)Neigen andererseits zur Sprache, indem er deren Grenzen, die Grenzen des Sagbaren, immer weiter nach hinten verschiebt. Das ist schon ein tolles Gedanken- und Sprachspiralenbuch, das sein unsagbares Thema immer enger umkreist und dabei noch voranschreitet!
Allerdings wüßte ich nicht, warum es heute weniger skandalös sein sollte - die Lebensenthusiasten geben doch immer noch den Ton an. (Was Améry z.B. zur absolut verletztenden Erfahrung der ungewollten "Rettung" des Suizidalen bemerkt, erinnerte mich an Selbsterlebtes - vor nur ein paar Monaten.)

Einen lieben Gruß
Orgeluse

Orgeluse schreibt:
"Allerdings wüßte ich nicht, warum es heute weniger skandalös sein sollte..."

Oh, ich dachte in D sei man bereits weiter mit der Ansicht über die Freiheit des Menschen.
Schon mal gelesen (bestimmt!) Albert Camus, "Der Mythos des Sisyphos"?
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Schnell oder langsam?

Beitrag von Orgeluse »

@ mortal

Danke für den Tip: Der Camus liegt seit einigen Tagen auf meinem Stapel (ja: peinlich, aber wahr, habe ich noch nicht gelesen; und: ja: es gibt noch einen Bücherstapel).
Ich habe nicht den Eindruck, dass Améry mittlerweile "anerkannter" sei als vor 30 Jahren. Suizid ist immer noch tabuisiert bzw. wird pathologisiert - wir alle hier gelten im herrschenden Diskurs doch als "Kranke".

Einen lieben Gruß in den Abend
Orgeluse
mortal

Re: Schnell oder langsam?

Beitrag von mortal »

Orgeluse hat geschrieben:@ mortal

Danke für den Tip: Der Camus liegt seit einigen Tagen auf meinem Stapel (ja: peinlich, aber wahr, habe ich noch nicht gelesen; und: ja: es gibt noch einen Bücherstapel).
Ich habe nicht den Eindruck, dass Améry mittlerweile "anerkannter" sei als vor 30 Jahren. Suizid ist immer noch tabuisiert bzw. wird pathologisiert - wir alle hier gelten im herrschenden Diskurs doch als "Kranke".

Einen lieben Gruß in den Abend
Orgeluse

Ach! Ich habe mich nie als Krank gefühlt.
Das, was man mir angetan hat, war krank. Das, was der Mensch dem Menschen antut, ist krank.
Der Wunsch dem Wahnsinn zu entgehen kann nicht krank sein. Ich fühle mich so nicht. Du auch nicht. Und viele andere sicher ebenso nicht.
Also setzt man sich damit gar nicht auseinander. Ich tu was ich glaube tun zu müssen. Das ist (meine) Freiheit.
Orgeluse
Beiträge: 864
Registriert: Dienstag 23. November 2010, 00:04

Re: Schnell oder langsam?

Beitrag von Orgeluse »

Ja!
Es war mir ja auch nicht um unsere Perspektive hier zu tun, sondern darum, dass wir dem mainstream (oder eben dem herrschenden Diskurs) als pathologische "Fälle" gelten - immer noch. Und jemand wie Améry, der nicht nur ganz "offen" drüber geschrieben hat, sondern "es" dann auch tat - den Tod von eigener Hand nämlich an sich herangerissen hat (wie das bei ihm so schön heißt), nicht auf sein Skandalon gewartet, sondern es gerufen und dem verfluchten mainstreamigen Lebenswillen eine Absage erteilt, - jemand wie Améry also müsste hierzulande immer noch damit rechnen weggesperrt zu werden.

Einen nächtlichen Gruß
Orgeluse
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