Keine einfache Frage und mit Logik ist diese Verhaltensweise tatsächlich schwer zu verstehen. Ich versuche mal zu erklären, wie es bei mir ist und warum ich mich verletze. Vielleicht wird es dadurch etwas verständlicher.damit hast du selbstverständlich recht. svv muss nicht unbedingt was mit borderline zu tun haben, ich hatte aber keine lust jedes symptom zu erörtern. daher habe ich mir das bekannteste heraus gegriffen. ich habe trotzdem kein verständnis dafür. mir entzieht sich die logik, ich habe probleme, also tue ich mir selbst was an. erkläre mir was das bringen soll?
Für mich hat SVV verschiedenste Wirkungen, es wirkt je nach Situation angstlösend, holt mich zurück in die Realität, läßt mich wieder klar denken, beruhigt mich, tröstet mich... Wenn ich in einer Situation bin, die mich emotional total überfordert, passiert es einfach. Ich stehe dann psychisch und körperlich unter einer extremen Anspannung (die sich auch anhand Blutdruck, Zittern usw. messen läßt) und habe keine adäquaten Handlungsmöglichkeiten, mich aus diesem Gefühlszustand zu befreien. Das Schneiden in die eigenen Haut bringt mir dann Erleichertung, die gefühlte Anspannung läßt nach, ich entspanne, fange wieder an halbwegs klar zu denken... Ich bin mir bewußt, dass es nur eine kurzfristige Hilfe ist und an dem Problem oder der Situation rein gar nichts ändern, ja sogar nur zusätzliche Probleme schafft. Und trotzdem passierts. Es ist etwas, was sich langsam einschleicht, wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat, dass Schmerz oder Blut einen Anspannungszustand beenden können. Aus dem Impuls heraus passiert es dsa erste Mal und man "lernt", es geht mir danach besser. Das nächste, übernächste usw. Mal "hilft" es wieder in der Form und irgendwann steckt man in dem Kreislauf drin, dass viele, eigentlich auch banale Situationen gleich mit Selbstverletzung beantwortet werden. Zudem entsteht eine gewisse Sehnsucht anch dem ruhigen, entspannten Gefühl nach SVV. Bei mir war es so, dass ich irgendwann regelmäßig abends zur Entspannung geschnitten habe. Ziemlich bescheuert, von außen gesehen, für mich inzwischen nachvollziehbar, da ich keienrlei andere Möglichkeiten hatte, mit all der Anspannung, die sich aufstaute, umzugehen. Wie ein Ballon, der irgendwann einfach platzt. Andere Menschen nutzen Alkohol, Drogen, Esstörungen, Sex und ähnliches, um ähnliche Wirkungen hervorzurufen.
Wenn ich zum Beispiel wieder mal stark dissoziiere, gibt es für mich oft kein andere Mittel als Schmerz und/oder Blut, um mich da wieder rauszuholen und die die Realität zurückzukommen. Genauso wenn ich Flashbacks habe (habe eine PTBS), dann beendet SVV diese Zustände. Es ist eine dysfunktionale Verhaltensweise, ohne Frage, aber für den Moment entlastet es.
Bei mir ging es so weit, dass mein SVV irgendwann teilweise lebensbedrohliche Ausmaße annahm und ich auch heute noch jedes Mal in der Chirurgie bin, wenn es mal wieder dazu kam. Nicht schön. Aber ich arbeite hart daran, nicht mehr darauf zurückgreifen zu müssen.
Heute, wo meine extremen Zeiten schon etwas zurückliegen, finde ich es auch oft paradox, wie sehr sich dieses Verhalten verselbstständigt hat. In vielen Situationen denke ich heute noch nicht mal mehr an SVV und früher hätte ich mich sofort aufgeschlitzt... Aber ich musste erst lernen, mir in anderer Form zu helfen, anders mit den Situationen und Gefühlszuständen umzugehen oder erst gar nciht so tief da reinzurutschen, dass sich so viel aufstaut.
Wenn man drinsteckt, hat man leider oft nicht mehr wirklich eine Wahl, wie man reagiert, man will sich nicht verletzen und es passiert immer und immer wieder. Heute habe ich vielmals endlich die Entscheidungsfreiheit, ob ich diesen Weg gehen will oder einen anderen. Nicht immer, aber da komm ich hoffentlich noch hin. Früher hatte ich diese Wahl nicht, ich konnte sie weder sehen noch hätte ich die Fähigkeiten gehabt, mir anders zu helfen.
Ich hoffe ich konnte ein wenig erklären...
Viele Grüße
Sadness