Leben in Heimen .....und Loslassen

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Doors
Beiträge: 51
Registriert: Montag 18. Januar 2010, 17:16

Leben in Heimen .....und Loslassen

Beitrag von Doors »

Hallo zusammen,

meine Oma, die unwahrscheinlich viel für mich und meine Geschwister
getan hat, lebt seit einem halben jahr in einem Pflegeheim. Sie ist mit
ihren 93 Jahren noch super geistig fit, aber körperlich auf ihren Roll-
stuhl angewiesen. Sie hat immer in ihrer Wohnung vorher gelebt,
war aktiv und an vielerlei interessiert.

Am Anfang ging es ihr im Heim noch einigermassen gut. Sie klagte
aber ständig übers "eingesperrtsein". Wir haben darauf versucht, ihre
Wohnung etwas "rollstuhlgerechter" einzurichten. Oma kam ne Woche
dann heim, aber nach 3 Tagen musste sie wieder in das Heim zurück.

Seitdem will sie sterben ! Sie verliert an ihren Hobbies wie Rätsel,
Lesen rapid das Interesse, schläft den ganzen Tag fast. Natürlich hat
sie das "Recht" zu sterben. Wo ich mich halt schwertue, ist - wenn ich
sie besuche, es nur noch ums "Sterben " geht. Klar - mh wißt ihr, ich
"red mich schon leicht daher" wenn ich sage, freu dich auf den Frühling,
und es ist toll, dass sie keine Schmerzen hat ! Wenn ich sie nach dem
Besuch verlasse, bleibt mir ihr unendlicher trauriger Blick im Kopf.

Wir haben ihr ne Fernseher gekauft, er ist bisher unbenutzt. Wenn
ich ins Heim gehe, mh dann ist das für mich wie eine eigene - abge-
schirmte Welt, versteht ihr, da prallen 2 Welten aufeinander.....

Ich kann und werde ihr den Sterbewunsch nicht verübeln, tue mich aber
innerlich schwer damit........

Die Heimschwestern sind wirkich nett - aber auch sie haben nur wenig
Zeit für die Insassen.......

doors
mrsmidi
Beiträge: 59
Registriert: Samstag 12. Dezember 2009, 17:44

Beitrag von mrsmidi »

das klingt aber so als ob es ihr nur daher rührt, weil sie im Heim ist.
Vielleicht ein anderes Heim eine Lösung, wo die Leute mehr untereinander beschäftigt sind?
Oder wenn es finanziell möglich ist, eine kleine rollstuhlgerechte Wohnung...?
Trauereule
Beiträge: 120
Registriert: Sonntag 26. April 2009, 06:09

Beitrag von Trauereule »

Ich fühle mit dir mit. Für Betroffene ist es nicht leicht, mit der Depression geliebter Menschen umzugehen. So, wie du es beschreibst, hat deine Oma eine Depression.
Hat sie schon einmal mit einem Psychologen gesprochen?

LG Trauereule, die heute wahnsinnige Kopfschmerzen hat
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Beitrag von Thorsten3210 »

Was wäre mit einer völlig rollstuhlgerechten, eigenen kleinen Wohnung für sie und dazu einen ambulanten Pflege-Dienst? Oder eine Wohnung in einem Seniorenwohnheim? Oder kann jemand von euch Enkeln oder Kindern sie zu sich nehmen, wiederum in Verbindung mit einem Pflegedienst? Ich kann mir das schon vorstellen, ein Heim kann schlimm sein, auch wenn es dort äusserlich nicht so aussieht, sauber ist usw. Man ist nun mal fremden Menschen ausgeliefert und verliert viele Freiheiten (deshalb auch ihr Gedanke ans Eingesperrtsein).
pikkemaat
Beiträge: 265
Registriert: Freitag 31. Juli 2009, 15:18

Beitrag von pikkemaat »

Wenn man immer selbstständig war und geistig noch voll am Start ist, hat man natürlich keine Lust auf die Truppe im Heim. Wenn es irgendwie die Möglichkeit zur Pflege durch einen Pflegedienst gibt, sollte man das versuchen, da gebe ich Thorsten recht.

Für mich ist die Vorstellung dass ich mal irgendwann in so einem Heim sitzen muss absolut fürchterlich. Vermutlch wird es ja nicht dazu kommen, weil ich schon eher den letzten Bus nehme, aber schlimmer kann ich mir meinen Lebensabend nicht vorstellen. Hoffen, dass irgendwann mal die Verwandten kommen, die sich dann in Wahrheit auch nur langweilen. Alle Freunde tot und alleingelassen mit RTL und dem weichgekochtesten Gemüse der Welt als salzarme Kost.

Ich kann sehr gut verstehen, dass diese Frau sterben möchte.

pikkemaat
alptraum
Beiträge: 46
Registriert: Mittwoch 16. Dezember 2009, 19:05
Wohnort: Deutschland

Beitrag von alptraum »

@ Doors

Das, was Du da schilderst, ist genau das, was ich wirklich niemandem wünsche, am wenigsten mir selbst.
Das Bild von dem alten Baum, der nicht mehr umgesetzt werden sollte, weil er dann eingeht.

Thorsten und pikkemaat haben es erwähnt, eine häusliche Pflege in "nicht eingesperrter" Umgebung würde Deiner geliebten Oma sicherlich besser tun.

Alles Gute
sabbersack
Beiträge: 184
Registriert: Dienstag 30. September 2008, 14:54

Beitrag von sabbersack »

Da sieht man es mal wieder. Wenn man den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, an dem man noch selbstbestimmt sterben konnte, dann sieht die Zukunft ganz düster aus. Mitunter zieht sich das körperliche Sterben nun viele Jahre hin, während der Geist schon erloschen ist...

Man redet von Lokführern, Rettungsanitätern und Polizeibeamten - wer redet von Altenpflegern? Ich kenne mehrere, die durch diesen Beruf Alkoholiker oder auf sonstige Weise Wracks geworden sind. Und das nicht einfach "nur" stressbedingt, sondern nach deren eigenen Aussagen genau deswegen! Gut, manch einer (der Alten) leidet gar nicht. Schön, dass das so ist! Pervers ist aber, wenn Leute anderen Leuten vorschreiben, dass sie nicht Sterbenwollen zu haben! Darunter leiden -außer Sterbewilligen- schließlich auch Nicht-sterbewillige, die für Toleranz [...des Selbstverständlichen] und gegen die Toleranz von Intoleranz (Tyrannei) eintreten.

Was soll man tun? - dieses qualvolle Leben seiner Lieben "kurz und schmerzlos" beenden? Wenn sie endlich so schwach und von Schmerzen gepeinigt sind, dass sie nicht mal mehr um Erlösung flehen können; nachdem sie schon lange vorher wiederholt und vergebens um den Tod gebettelt haben - und sich anschließend widerstandslos vom Pöbel festnehmen zu lassen!? Ich habe meine Großmutter beobachtet, wie sie praktisch über mehrere Tage hinweg erstickt ist. Und die Ärztin, die alles menschenmögliche tat, um diesen natürlichen Prozess zu verlängern. So überwog meine Abscheu und Verachtung für diese verantwortungslose, feige Praxismoral, die sich hinter ihren Kruzifixen versteckt, bei weitem meine empfundene Trauer. Ein Menschenleben zählt dort gar nichts! Das Einzige was zählt, ist religiöser Wahn - und der wird da verordnet...
PanikPaul
Beiträge: 166
Registriert: Freitag 8. Januar 2010, 17:04

Beitrag von PanikPaul »

@ sabbersack, es tut mir Leid was deiner Oma widerfahren ist..
Ich hab auch nen Beispiel meiner eignen Mutter, die mit jungen Jahren schwer an Krebs erkrankt war..
Als sie noch klar denken konnte hat sie sich ans Leben geklammert, oder zumindestens mir das Gefühl vermittelt(in unserer Familie wurden Suizide tabuisiert)
Die Letzten Tage war ich ununterbrochen bei ihr..
An einem Morgen holte mich der Chefarzt aus dem Zimmer und sagte mir das jetzt Langsam Bauchwasser in die Lunge läuft..
Mann könnte sie auch wieder frei machen, aber das würde das sterben nur verlängern..Aber fragte mich was zu tun ist, weil sie schon so ne hohe Dosis Morphin bekam, das sie nicht mehr ansprechbar war. Ich rief meine Schwester an und sie meinte, noch bevor sie sich auf den Weg machte das nix getan wird um es zu verlängern.. Dann kam noch der Pastor(sie war Protestantin) Und in der Nacht darauf starb sie ganz ruhig in meinen Armen..Woran am Bauchwasser oder dem Morphin war mir egal..Und der Arzt versicherte mir das ihr Krankheitsverlauf wohl schlimmer war als der Sterbeprozess..
Das war ganz klar passive Sterbehilfe, oder ich sag lieber"nat. sterben lassen"
Was in dem Krankenhaus deiner Oma ablief, würde ich nicht auf ein krankes Systhem zurück führen, sondern eher auf falsche Ethik-u. Moralvorstellung einzelner Ärzte..
Träumerin
Beiträge: 300
Registriert: Sonntag 18. Januar 2009, 19:06
Wohnort: Schleswig-Holstein

Beitrag von Träumerin »

moin Doors,

es gibt betreute wohneinheiten die an altenheimen angeschlossen sind.
deine oma hätte dort ein relativ selbstständiges leben.
könnte sich ihr frühsstück und abendbrot selber machen und das mittagessen kommen lassen wenn sie es dann möchte.
ebenso könnte sie hilfe anfordern wenn sie sie benötigt.
sie könnte ihren lebensabend so einrichten wie sie es möchte, aber hilfe ist jederzeit greifbar.

erkundige dich doch einmal danach

liebe grüsse
Träumerin
Doors
Beiträge: 51
Registriert: Montag 18. Januar 2010, 17:16

Beitrag von Doors »

Hallo und vielen Dank für die netten Zuschriften..

das mag jetzt "hart" klingen, aber weder ich noch Bekannten könnten
meine Oma aufnehmen, da halt fast ständig jemand für sie erreichbar
sein muß. Und dies können wir net gewährleisten. Ihre Beine müssen
täglich aufgrund von Entzündungen 2 mal am Tag eingesalbt, verbunden werden. Dann hat sie schon ein paar Mal "Wasser in der lunge gehabt"
und wurde in die Klinik gebracht. Vor ein paar Monaten gings noch mit
ihren Rolli, jetzt nur noch mit dem Rollstuhl. Sie braucht einfach oft
ärztliche Hilfe.

Das "Fatale" ist daran, dass sie geistig voll fit ist, aber gefangen in ihrem
Körper, versteht ihr was ich meine. Kontakt zu anderen meidet sie,
weil die meisten anderen Heimbewohner halt leider ihre geistigen
Defezite haben , und eine vernünftige Unterhaltung nicht möglich ist.
Auch die Lösung, dass wir ihr jemand vermitteln, der ständig bei ihr
wohnt, es gibt s ne Art mobile Pflegekräfte , die dann halt bei den
Leuten in der Wohnung mit dauerhaft wohnen...

Meine Oma ist unbandig sturr und starrsinnig, aber genau deswegen
ist sie auch so alt geworden :) )

Bei mir schwanken ständig zwei Gefühle : zum einen, ich möchte ihr
"lebensmut" einbleuen !!! dann aber denke ich, hoffentlich geht ihr
liebster Wunsch bald in Erfüllung.......

Was mich so erschrocken hat, ist dieses Klima in den Altenheim. Nein
keien Verurteilung der Pflegekräfte, aber es ist eine völlig andere Welt.

Bitte net böse sein, wenn ich jetzt abbreche, aber ich hab ziemlich Kopf-
schmerz und muss morgen wieder früh raus.

Warum ich in diesen Forum bin ! Meine Mutter hat unzulässiges Wort verübt,
da war ich 17 Jahre alt. mein Bruder ist 1997 an einen Unfall verstorben,
mein Vater 2 Jahre später..

Ich werd dies aber nach und nach hier mir von der Seele schreiben..
derzeit fühle ich mich irgendwie "gelebt " .....

Gruß

Doors

gute Besserung für Dich Trauereule !
Doors
Beiträge: 51
Registriert: Montag 18. Januar 2010, 17:16

Beitrag von Doors »

hi ihr

ich hab heute mit meiner oma telefoniert und war wirklich gut. Wir haben sogar gelacht und geblödet. Ich bin richtig mal auf ihren Sterbewunsch
eingegangen, und hab ihr aber auch gesagt, dass wirs alle toll finden
würden, wenn sie noch nen wenig bei uns bleiben würde...

Sogar auf die Politker haben wir geschimpft -gg- Morgen besuch ich sie
und bring ihr ihre lieblingskuchen mit !!

liebe grüße

doors
Träumerin
Beiträge: 300
Registriert: Sonntag 18. Januar 2009, 19:06
Wohnort: Schleswig-Holstein

Beitrag von Träumerin »

moi Doors,

eigentlich naheliegend...wir wollen ja auch nichts anderes als "nur" gehört werden....smile

hätte ich mir den langen text sparen können :D

typischer fall von nicht genug nachgedacht...

ich denke deine oma fühlt sich jetzt gut verstanden, zumal ihr ja auch eine enge bindung habt.

liebe grüsse
Träumerin
Gesperrt