Umgang mit suizidalen Patienten
https://www.thieme.de/viamedici/arzt-im ... n-4454.htm
Suizidgefährdung ist keine Krankheit. Die Selbsttötung ist eine Möglichkeit des Menschen - und als Möglichkeit ist sie niemandem ganz fremd. Suizidgefährdung kann aber auch Symptom psychischer Krankheit sein. Prof. Dr. Asmus Finzen und Dr. Ulrike Hoffmann-Richter erläutern, wie man mit Suizidgefährdeten umgeht und welche Fehler man dabei vermeiden sollte.
Es gibt nur wenige psychisch Kranke, deren Leiden nicht irgendwann zu der Frage führt: Kann ich, will ich so weiterleben?
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Recht auf Suizid?
Suizid ist ein menschenmöglicher Akt. Keiner von uns ist vor Suizidgedanken sicher. Ob daraus ein Suizidversuch wird, liegt meist an der Häufung komplizierter Umstände. Ob daraus ein vollendeter Suizid wird, mag sogar eine Frage von Glück oder Unglück sein, rechtzeitig gefunden zu werden oder eine gerade nicht tödliche Dosis an Medikamenten geschluckt zu haben. Manche Autoren fordern ein Recht auf Suizid ein, auf die Freiheit, Hand an sich zu legen, wenn die persönliche Bilanz ergeben hat, daß sich Weiterleben nicht lohnt. Der Psychologe Walter A. Scobel formuliert: "Jeder suizidale Mensch, ob er nun krank ist oder gesund, verdient Achtung statt Ächtung, Anteilnahme statt Ablehnung, Verständnis statt intoleranter Verurteilung, Mitgefühl statt Bestrafung und Entmündigung, Hilfe statt Gleichgültigkeit. Tot sein und nicht mehr weiterleben wollen sollte als möglicher und einsehbarer Impuls der menschlichen Psyche akzeptiert und nicht länger tabuisiert und diskriminiert werden."
Dieser Forderung gegenüber steht die Frage, ob es nicht eher Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung sind, die an Suizid denken lassen, die Frage, ob Suizid Freitod oder Krankheit ist.
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Suizid und Suizidalität kommen also nicht nur bei psychisch Erkrankten vor. Die Perspektive ist sogar umgekehrt: Die meisten Faktoren, die bei psychisch schwer erkrankten Menschen zum Suizid führen, entsprechen den Problemen gesunder.
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Heilung zum Suizid
Was bedeutet es aber, wenn wir den Patienten durch unsere Behandlung zwar aus einer Wahnwelt herausbringen, ihn aber nicht heilen können und auch nicht in den Zustand versetzen, sein Leben wie ein Gesunder zu bewältigen? Im Zweifelsfall machen wir solche Patienten durch unsere Behandlung stark genug, um Bilanz zu ziehen und zu folgern, daß sie in Wirklichkeit keine Chance haben, daß sie so nicht leben wollen: Nicht wenige Patienten führen ihren Suizid gerade dann aus, wenn von ärztlicher Seite eine längerfristige Besserung absehbar scheint. Bedeutet dies für uns Behandelnde, zu erkennen, daß wir nicht alles können und daß nicht alles machbar ist?
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Eine zweite Falle besteht darin, möglichst schnell nach einem Ausweg und einer möglichen Zukunftsperspektive zu suchen. Solch eine herbeigezwungene Normalisierung mag im Moment wie eine Lösung aussehen. Wichtig ist vielmehr, die ausweglos scheinende Situation zu verändern, aus der heraus die Patientin den Suizidversuch unternommen hatte.
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Ärzte und Suizidgefährdete
Suizidale Patienten verunsichern die Behandelnden in besonderer Weise. Pflegepersonal und Ärzte scheinen Suizidpatienten weniger einfühlsam und wohlwollend, ja geradezu feindlich oder ablehnendzu behandeln. Der Psychiater Christian Reimer begründet diese Beobachtung damit, daß medizinisches Personal seinen Beruf nicht zuletzt aus Angst vor dem Tod und dem Wunsch, den Tod zu beherrschen, ergreift. Aggressive, auch autoaggressive Tendenzen, Resignation oder Depressivität, die im eigenen Seelenleben unterdrückt werden, sind deshalb beim Patienten nur schwer erträglich. Diese sogenannte negative Gegenübertragung führt dazu, daß sich der Behandelnde mit den Patienten "verheddert".
So auch bei unserer Suizidpatientin: Um sich von ihren Suizidgedanken zu verabschieden, hätte die Patientin einer warmen, annehmenden, freundlich-verständnisvollen Haltung auf seiten der Ärzte bedurft. Wenn die Patientin durch Suizidimpulse sowohl den Wert, Leben zu wollen, in Frage stellt als auch die Fähigkeit der Ärzte, ihr zu helfen, werden diese mit Abwehr und Distanz oder sogar mit Spannung und Aggression reagieren. Gerade dadurch muß sich die Patientin enttäuscht, abgewiesen und womöglich in ihren Suizidimpulsen bestätigt gefühlt haben.
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Besonders schwierig scheint der Umgang mit solchen Situationen zu sein, wenn der Patient oder die Patientin in einem ähnlichen Alter ist wie der Arzt oder die Sozialarbeiterin, wenn er/sie derselben sozialen Schicht angehört, einen ähnlichen Ausbildungsstand hat oder gar noch im selben Berufsfeld tätig ist. Dann nämlich ist die Grenze zwischen Behandelnden und Behandelten durchlässig und für die Therapeuten die Konfrontation mit den eigenen Fragen an das Leben unvermeidlich!
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Psychisch kranke als Opfer: Übergriffe, Gewalt und Hass-Verbrechen
http://www.finzen.de/pdf-dateien/gewalt%20opfer.pdf
Psychisch Kranke werden dreimal häufiger Opfer von Straftaten als andere Menschen. Dieses Ergebnis einer aktuellen Studie der University of London ist dem Lancet, einer der angesehensten medizinischen Zeitschriften der Welt, einen namentlich nicht gezeichneten Leitartikel wert. Die Herausgeber schreiben von „schockierenden Zahlen“ Lancet 2013, S. 1.309). Sie betonen die Notwendigkeit eines Perspektivenwechsels, wenn es um psychisch Kranke und Gewalt geht. Die Medien und die Öffentlichkeit sähen die Kranken immer noch nur als Täter nie als Opfer.
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Psychisch Kranke sind viermal so oft wie andere Menschen Opfer von Gewalttaten aller Art, psychisch kranke Frauen sogar zehnmal (!) so häufig. Im Jahr der Untersuchung wurden sie siebenmal so oft wie andere Menschen Opfer von mehr als drei Straftaten. Ebenso oft wurden sie Opfer von Hass-Verbrechen – also von Verbrechen, die die Täter gezielt gegen sie richteten, weil sie sie als psychisch Kranke erkannten. Allgemein gilt, dass Kranke bei schlechter Gesundheit oder erkennbaren psychischen Verhaltensauffälligkeiten häufiger Opfer von Straftaten wurden als Kranke, denen es relativ gut ging, insbesondere solchen, die gut behandelt und betreut wurden.
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Öhm, nun ja:
Gegen Psychiater (Autor oben) wird ermittelt
https://www.beobachter.ch/staat/ruckble ... zu-drangen
Der Beobachter hat vor neun Monaten über die Sexaffäre an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel berichtet ... : Der ehemalige ärztliche Vizedirektor der Klinik, Professor Asmus Finzen, hatte im Kreuzgang des Basler Münsters Sex mit einer Patientin. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ermittelt in dem Fall, denn Finzen steht im Verdacht, das Abhängigkeitsverhältnis und die Notlage der Frau ausgenutzt zu haben.
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Umgang mit suizidalen Patienten & Psychisch Kranke als Opfer
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