Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Praktische Erlebnisberichte und Hilfestellungen aus der Foren-Community; erfolgreiche und gescheiterte Therapien; Erfahrungen mit Psychotherapien und Therapeuten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Erloesung
Beiträge: 281
Registriert: Montag 26. Januar 2009, 00:00

Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Erloesung »

Ich war ja wie schon gesagt, ziemlich oft früher in Psychiatrien und auch öfters in der Geschlossenen.

Natürlich könnte ich hier einen Roman über die ganzen Schicksale schreiben, die man dort erlebt. Aber ich möchte hier mal über eine Szene schreiben, die ich erlebt habe.

Es war immer so, dass wenn jemand der Patienten Ärger machte (bzw. eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorlag), dass dieser dann von den Pflegern am Bett fixiert wurde. Bei Frauen haben dann meistens 4 Pfleger/innen ausgereicht, bei Männern kamen dann von der Nachbarstation immer weitere 3 Pfleger, also, wenn ein männlicher Patient fixiert wurde, waren meistens 8 Pfleger um ihn "herum", während er fixiert wurde.

Ich bin oft auf dem Flur herumgelaufen damals, deshalb kann ich das so genauso sagen.

Jedenfalls, hat mich eine Situation mal irritiert. Es war ein neuer Patient, der wegen Eigengefährdung da war. Er war in einem "normalen" Zimmer untergebracht. Ich weiss nicht, was dazu geführt hat: Jedenfalls hat dann das Personal entschieden, er müsse in das "Isolierungs"-Zimmer.

Ich hab das Szenario vom Flur aus beobachtet und er hat sich geweigert, in den Iso-Raum zu gehen. Normalerweise hätten die Pfleger nun "Verstärkung" von der Nachbarstation angefordert, um ihn zu fixieren und dann das Bett in den Iso-Raum zu schieben.
ABER:

Es war so. Es passierte nichts. Dann nach 10 Minuten kamen 4 (!) Polizeibeamte, die das Personal angefordert hatte. Diese haben dann mit den Pflegern das Zimmer betreten, und dann haben die Polizisten dem Mann klargemacht, dass "unmittelbarer Zwang" angewendet werden würde, falls er nun nicht mitkommt.
Naja, dann ist er mehr oder minder freiwillig in das Iso-Zimmer mitgegangen.

Aber mich interessiert bis heute: Warum haben die Pfleger die Polizei zur Verstärkung gerufen?
Ich hab bestimmt 10 Fixierungen mitbekommen und niemals waren da Polizisten mit dabei. Es wurde immer Verstärkung von den Nachbarstationen angefordert, aber nie die Polizei.

Hat da jemand vielleicht eine Erklärung dazu?
Hurlinger
Beiträge: 412
Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 19:41

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Hurlinger »

Ich kann mir nur vorstellen, dass der eine sich freiwillig in die "Geschützte" (Geschlossene heißt das wohl heute nicht mehr) begeben hat und man erst
auf Grund von Verschlechterung des Zustandes Polizeilich/Richterlich tätig werden musste um ihn gegen seinen Willen einzuschließen.
Andere werden ja schon oft Ärztlich oder Richterlich eingewiesen, und dann hat man seine Grund- bzw Bürgerrechte ja schon am Eingang abgegeben.
Nur so als Vermutung.
Erloesung
Beiträge: 281
Registriert: Montag 26. Januar 2009, 00:00

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Erloesung »

Hurlinger hat geschrieben:Ich kann mir nur vorstellen, dass der eine sich freiwillig in die "Geschützte" (Geschlossene heißt das wohl heute nicht mehr) begeben hat und man erst
auf Grund von Verschlechterung des Zustandes Polizeilich/Richterlich tätig werden musste um ihn gegen seinen Willen einzuschließen.
Andere werden ja schon oft Ärztlich oder Richterlich eingewiesen, und dann hat man seine Grund- bzw Bürgerrechte ja schon am Eingang abgegeben.
Nur so als Vermutung.
Hm ja, wahrscheinlich.
Wobei es mir auch nicht so wichtig ist, warum das jetzt so war damals. Mir ist das nur heute mal wieder eingefallen.

Aber ich habe letztens ein Buch über die Kinder/Jugend-Psychiatrie gelesen, wo ein Mädchen mit 13 Jahren da erstmals reinkommt, noch in halbwegs "normalen" Zustand, und sie dann mit 16 Jahren Suizid begeht. In ihren letzten Text-Aufzeichnungen meinte sie, dass die Psychiatrie sie "gebrochen" hätte.

Wobei ich nicht 100% weiss, ob die Geschichte wirklich passiert ist, aber wenn man das Buch liest, dann sind da soviele "Insider-Sachen" drin, die nur jemand wissen kann, der wirklich in der Psychiatrie war.
Falls es jemand interessiert: Buch heißt "Wie ein Mädchen in der Psychiatrie zerbricht"
Sadness
Beiträge: 209
Registriert: Donnerstag 29. April 2010, 10:26

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Sadness »

Also wir waren auch schon das eine oder andere Mal in der Psych,, in der letzten Zeit zum Glück nicht.
War der Patient in der Psych dort schon bekannt? Ggf. war eine gewisse Gewaltbereitschaft vorhanden, der das Personal nicht gewachsen war oder es hatte schon eine Vorgeschichte mit Angriffen, Körperverletzungen oder so. Oder der Typ hatte wer weiß was eingeworfen, also jetzt nicht gesteuert vom Personal sondern eingeschleust und stand unter Drogen oder so. Man weiß nie, einmal, als ich in der Psych war, hat auf der Nachbarstation ein Patient eine Ärztin mit einem Messer schwer am Hals verletzt. Nur als ein Beispiel von vielen, es gab immer wieder auch krasse Übergriffe aufs Personal. Und ich hab nie so viel konsumiert wie in der Psych, legal und eben mindest eben so viel anders dort hineingekommenes. Krass fand ich eien Patientin, die sich mit Überdosen von Insulin immer wieder "verletzt" hat ... Besucher hatten es ihr gebracht und in den Blumentöpfen im Essraum versteckt. Immer wieder. Zuletzt fiel sie mal ins Koma, wie es dann ausging, weiß ich nicht. :(
Ich fand die Aufenthalte immer sehr schlimm in den geschützen oder teiloffenen (bei Bedarf zu schließenden) Stationen. Mich hat das total getriggert und es ging mir immer schlechter. Letztendlich hat es auch meinen Substanzkonsum massiv gesteigert bzw. mich auf manche Substanzen erst richtig angefixt. Es sind viele traurige Fälle, die man da trifft. Menschen, die wieder und wieder und wieder kommen. Wo man sich fragt, ist dere zuhause eigentlich die Psych oder woanders. Ich selbst war leider bei einem Aufenthalt der "Stationsschreck", ganz viele hatten Angst vor mir, ich habe mich zu der Zeit sehr schwer und häufig selbst verletzt und sowohl Personal als auch Mitpatienten waren damit überfordert. Allein in der Chirurgie im gleichen Haus, da hab ich mich verstanden gefühlt, die waren menschlich, die haben mich behandelt wie einen normalen Menschen, nicht wie eine Irre, die man am besten beständig mit Medis abschießt. Und auch wenn ich zweimal am Tag kam oder öfter, endlich war ich Mensch, nicht "Monster". Was mein SVV leider nicht unbedingt gebessert hat, war es doch mit der Zeit auch eine Möglichkeit, mal von Station zu entkommen und in einer weitgehen triggerfreien Umgebung zu sein.
Uns hat diese Erfahrung geschadet. Wir waren in vielen guten Kliniken, aber diese reine Verwahrung da, die war krass und für uns als Traumapatient einfach nur schlimm. Hat dann sogar irgendwann der Chefarzt da geblickt, dass das nicht geht, wir durften dann gehen, trotz äußerst desolatem Zustand, nachdem wir einen Platz in eienr Traumaklinik hatte, wo wir nur wenige Wochen dazwischen überbrücken musste.
Miu
Beiträge: 383
Registriert: Montag 4. Mai 2020, 02:50

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Miu »

Ich war schon sehr oft in der Psychiatrie, einmal nur auf der geschlossenen.
Ich hatte und habe so einen Horror vor der geschlossenen, dass ich die Dinge so lange unterdrücke... bis es auch ganz und gar nicht mehr gut ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auf der geschlossenen damals war es der Horror. Alleine schon eingesperrt zu sein, nicht einfach spazieren gehen zu können... Schlimm.

Eines Abends wurde ein Mann eingeliefert, der mit 4 Polizisten kam. Sie stellten ihn vor die Wahl, entweder er beruhige sich jetzt oder werde ruhig gespritzt und fixiert.
An einem gewissen Punkt schickten uns die Pfleger weg, schlossen alle Türen, wollten das Ganze "geheim" vonstatten gehen lassen. Daran störte ich mich extrem. Was gibt es da zu verheimlichen?

Die Situation fuhr mir extrem ein, zeigte mir deutlich, wie schlimm es sein kann, die Kontrolle so zu verlieren und komplett fremdbestimmt zu werden.

Zu deiner Frage: ja, ich kenne es auch so, dass Verstärkung von anderen Stationen angefordert wird. Warum die die Polizei riefen... gute Frage.
Vielleicht waren die anderen Stationen nicht abrufbar?
Angel
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Registriert: Freitag 1. Januar 2021, 20:15
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Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Angel »

Das hört sich für mich sehr schlimm an.
Ich war nie in so einer Einrichtung.
Aber ich frage mich ob die Ärzte das Recht haben eine Person zwangszuernähren wenn man das nicht möchte und ebenfalls ob die Patienten zwingen können Tabletten einzunehmen, wenn die das nicht wollen.

Das ist schlimmer als Gefängnis wahrscheinlich.
Im Gefängnis hast du ja keine Menschen, die dich mit Meds vollstopfen wollen.

Ich bin gegen diese Drogen. Wenn es hilft okay.
Aber meiner Ansicht nach, können diese Medikamente den Körper zerstören.
Dann wird man ja noch depressiver wenn man eine kaputte Leber bekommt.
Delfino
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Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Delfino »

Ich war in meinem Leben bestimmt über zwanzig mal in der Klappse. Gebracht hat es nichts, weil das Problem nicht in meinem Kopf zu verorten ist, sondern im aussen. Seit Jahren werde ich verfolgt, schickaniert, verleumdet, bedroht, observiert, angefeindet etc.etc.
Und am schlimmsten ist, dass meine Gegner die Gaslighting-Methode anweden, damit ich an meinem Verstand verzweifle.. Irgendeinmal ist genug.. Dann haben meine Feinde ihre Rache.. Aber diese Rache wird sie nicht glücklich machen und einiges an Karma einbringen. Aber das ist mir dann Schei**-Egal..
Maja
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Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Maja »

Warum wirst du verfolgt?

Kannst du nicht einfach wegziehen?
Zuletzt geändert von Maja am Freitag 28. April 2023, 03:46, insgesamt 1-mal geändert.
Delfino
Beiträge: 314
Registriert: Sonntag 6. Februar 2011, 20:20
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Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Delfino »

Wegziehen geht nicht, weil ich es mit einem omnipräsenten Feind zu tun habe... Rein kommt man immer, raus nur tot.
Astrilian
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Registriert: Montag 11. September 2023, 20:53

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Astrilian »

omnipräsenten Feind? Was ist das denn genau?
Emely
Beiträge: 185
Registriert: Mittwoch 17. November 2021, 14:03

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Emely »

Ich war schon 2x auf der Geschlossenen.

Einmal 2016 oder so. 5 Tage waren es glaub. Als Traumatisierte ging es mir da nicht so gut. Allerdings durfte ich alles mitentscheiden - nichtmal Medikamente hatte ich.

Das zweite Mal war letztes Jahr um diese Zeit für 1 Nacht. Es war total in Ordnung.

Bin beide Male freiwillig und auf eigenen Wunsch wegen Suizidgedanken hingegangen und kann echt nichts Schlimmes sagen.

Das Einzige, was für mich sehr schwierig war, war dass man für mich keine Zeit hatte. Die Psychotiker und die aggressiven Patienten haben so viel Raum benötigt, dass jemand wie ich da unterging. Da hätte ich mehr Gespräche und Kontakt benötigt.
Stummfilm
Beiträge: 159
Registriert: Freitag 16. August 2013, 13:38

Re: Geschlossene Psychiatrie-Erfahrungen

Beitrag von Stummfilm »

Ich war 1x unfreiwillig auf der Geschlossenen und habe sicher die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Ich konnte echt nicht sagen, wer dort Patient / Mitarbeiter war.
Medikamentenzwang bin ich auf unterschiedlichste Art entgangen. Am effektivsten war, selbst nach Benzos zu betteln, weil man das dumme Gebrabbel des Anderen nicht aushalte und die Zeit verschlafen wolle. Das schmeckt einem Loser, der in der Klapse arbeitet, nicht, und er rächt sich bei mir dadurch, dass er mir den vermeintlichen Gefallen nicht tut.
Das Ganze kann man aber auch abkürzen und darauf bestehen, seinen Anwalt sprechen zu wollen. Hilft auch, wenn man objektiv im Unrecht ist. Meistens genügt nur der Wunsch. Spätestens jedoch kurz vor dem Gespräch gehts ganz schnell, dass sich der Patient in einem entlassungsfähigen Zustand befindet.

Ich war 2 Nächte dort. Hilfreich war es insofern, dass ich meine aggressive Seite ohne Gewissensbisse ausleben konnte. Das eigentliche Programm ist Bullshit, darauf lässt man sich am besten gar nicht erst ein.
Ich glaube, dass auch Andere ihren Spaß hatten. Sowas kommt ja auch nicht alle Tage vor.
Patienten verbal angehen macht den Aufenthalt aufregender. Ging leider auf der Geschlossenen nicht gut, weil viele die ganze Zeit mit Medikamenten voll waren bis Oberlippe Unterkante, wenn sie nicht schon vorher dumm wie Knäckebrot waren.
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