Genervt in der Klinik

Praktische Erlebnisberichte und Hilfestellungen aus der Foren-Community; erfolgreiche und gescheiterte Therapien; Erfahrungen mit Psychotherapien und Therapeuten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Stummfilm
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Genervt in der Klinik

Beitrag von Stummfilm »

Ich hocke seit einer Woche in dieser Therapieklinik und werde nächste Woche gehen. Auf den Rat meines Therapeuten hätte ich einfach dünnpfeifen sollen. Ich könne hier Konflikte intensiver bearbeiten, meinte er. Spinner. Man wird hier abgeschasst, nicht nur als Patient, sondern auch der Kostenträger.
Erst wird dem Pat. nur ein Bisschen Blut abgenommen zum Stillen des gröbsten Hungers. Ganz aussaugen geht vorerst nicht ohne Gegenwehr.

Da wären die Morgenrunden mit dem immergleichen, dämlichen Gedöhns. "Wie war deine Woche?" Diese Psychosprache hängt mir schon zum hals heraus und wenn ich nochmal was im Format "war (anstrengend, schlimm), aber auch (lehrreich, lustig...) höre, krieg ich ne spontane Hirnblutung vor so viel *piep*.
Dann gibt es dieses Krebsgeschwür Namens Achtsamkeit. Ich hör den Übungsleiter sich ins Fäustchen lachen, während die von Medikamenten zersetzten Hirne, unfähig zu denken, den Topfen aufnehmen.

3x/Tag wird uns Hundekotze vorgesetzt. Mahlzeit.

1x/Woche habe ich Einzeltherapie. Da versucht mir die Therapeutin irgendeinen hahnebüchenen Unfug schmackhaft zu machen. Damit sollen meine Depressionen verschwinden. "Sie denken vermutlich, dass das Blödsinn ist.". Das denke ich ganz sicher. Wie konnte ich bisher leben, ohne auf meine Atmung zu Achten! Ein Glück, dass ich nur einen Dachschaden davongetragen habe und nicht gleich draufgegangen bin! Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ich nie wieder das Atmen vergesse.

Aber natürlich soll ich durch meine Kindheit und bisherige Lebenserfahrung zu skeptisch geworden sein. Auf gut Deutsch, ich soll mein Hirn ausschalten und zum Schaf mutieren, um hier möglichst billig gehalten, geschlachtet und ausgenommen werden zu können.
Ausreichend vorverblödet folgt dann die sog. ergotherapie. Zum Abschluss bereitet einen die Arbeitstherapie auf ein Leben in der Werkstätte vor mit einem Taschengeld als Entlohnung, damit sich das Schaf die Hundekotze ja auch selbst erarbeitet.

So. Ich habe mich bemüht, möglichst sachlich und differenziert meinen Klinikaufenthalt zu schildern und hoffe, dass dies dem einen oder anderen als Entscheidungshilfe dienen kann.
glycerine

Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von glycerine »

LOL
oktober2012
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von oktober2012 »

Wenn ich an meine Zeit in der Klapse zurückdenke, war es ähnlich wie du es beschreibst - Fliesbandbehandlung nach Schema 0815. Das Einzige was gut war, war dass ich unter den Mitpatienten Freunde gefunden habe. Aber unterm Strich bin ich schlimmer dran als zuvor.
Stummfilm
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Stummfilm »

Naja es gibt hier auch gute und nette PflegerInnen, TherapeutInnen und PatientInnen. Aber wenn sie in ihrem Beruf/ihrenTherapien sind, können sie mich echt mal kreizweis.

Ich würde ihnen allen gern 1 oder 2 mitgeben. Puh.
Abendstern
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Abendstern »

Haaaaaahahaaaaaa!! :lol: Ich schmeiß mich wech. Da kann ich ergänzend zu Glycerine nur ROFL prusten.

Du solltest Dich nicht auf ein Leben in der Werkstatt vorbereiten, sondern ein schwarzhumoristisches Buch über Deinen Klinik-Aufenthalt verfassen. Das würde bestimmt ein Bestseller werden!! Und ich wäre die erste, die es kauft! :D
Stummfilm
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Stummfilm »

Lieber Abendstern!

Danke für die Blumen. Sowas freut mich natürlich.
Ich meine das Geschriebene völlig ernst, aber das wusstest du natürlich schon. In Wirklichkeit ist es noch viel Ärger, mir fehlen nur die Worte.
Aber ich kann zB mal Fakten nennen. In der Einzeltherapie wird neben Blabla auch Meditation angeboten. Was haben die alle bloß mit ihrem Atem!!!
Aber nicht, dass die Therapeutin das selbst macht. Nein. Ich habe die Ehre, eine App kennenzulernen und muss mich von ihren billigen, knarzenden Handyboxen beschallen lassen. Meine Güte. In diesem augenblick verspürte ich das starke Verlangen, ihr ein paar günstige Stereo Bluetoothboxen von Amazon zu spendieren. Die sind nicht teuer, verbessern den Klang aber erheblich. Natürlich ist auch hier keine Top-Qualität zu realisieren und aus dem Blickwinkel von Profis Substandard, aber das wäre wirklich das mindeste, wenn man sowas regelmäßig in seinem Beruf anbietet. Eigentlich sollte auch das verpönnt sein. Guter Klang muss gewährleistet sein, wenn man damit arbeitet.
Sie stellte fest, dass ich mich nicht entspannen könne. Meine Körperhaltung zeige dies sehr deutlich. Ja kein Wunder, wenn meine Ohren den Hergott dafür anklagen, nicht wie die Augen mit verschließbaren Liedern gesegnet zu sein.
Agnetha
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Agnetha »

Ich bin auch wieder stationär, leider aus zeitlichen gründen nicht in meiner Lieblingsklinik in Bad Hersfeld .

Das bereue ich jeden Tag mehr
Erloesung
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Erloesung »

Ich war dieses Jahr auch nochmal in der Klinik.
Da meinte die Oberärztin, dass ich eine "Aufgabe" bräuchte und hat vorgeschlagen, ich könnte doch auch in so einer Behinderten-Werkstatt arbeiten.

Da hab ich sie gefragt, dass ich das nicht möchte und ich habe sie gefragt, wer denn das überhaupt definiert, dass man eine "Aufgabe" bräuchte?
Daraufhin hat sie dann keine Antwort gehabt und meinte, sie hätte keine Lust mit mir jetzt zu philosopieren.
Naja, ich bin dann freiwillig wieder aus der Klinik raus.

Die Klinik hat, wie einige schon hier schrieben, ein 0815-Schema, wie der Mensch "zu funktionieren" hat bzw. zu leben hat und wenn jemand individuell leben will bzw. individuell lebt, dann wird er als "verhaltensgestört" von den Ärzten bezeichnet..
Wobei es auch gute Psychiater gibt, aber dieses Klinik-Ding ist überhaupt nicht mehr meine Sache.
Katzenfan
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Katzenfan »

Das ist genau mit ein Grund, wieso das bedingungslose Grundeinkommen kommen muss, Erlösung.

Das jetzige System wird der Vielfältigkeit des Lebens einfach nicht gerecht. Ärzte können einen zu sinnlosen Therapien oder in deinem Fall "Arbeits-Therapie" zwingen. Weigert man sich, fliegt man aus der Versicherung -oder: man bekommt keine Krankmeldung und wird durch das System Hartz IV ´"bearbeitet". Dieses derzeitige System ist gerade für Menschen mit psychischen Problemen viel zu unflexibel, übt noch mehr Druck auf sie aus, als sie ohnehin schon spüren. Mal abgesehen davon, dass es mit Freiheit auch nicht viel zu tun hat.
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Abendstern »

Stummfilm hat geschrieben:Lieber Abendstern!

Danke für die Blumen. Sowas freut mich natürlich.
Immer gerne doch! :)
Ich meine das Geschriebene völlig ernst, aber das wusstest du natürlich schon. In Wirklichkeit ist es noch viel Ärger, mir fehlen nur die Worte.
I know ... :|
Sie stellte fest, dass ich mich nicht entspannen könne. Meine Körperhaltung zeige dies sehr deutlich. Ja kein Wunder, wenn meine Ohren den Hergott dafür anklagen, nicht wie die Augen mit verschließbaren Liedern gesegnet zu sein.
Hach, herrlich!! :D
Nein. Ich habe die Ehre, eine App kennenzulernen und muss mich von ihren billigen, knarzenden Handyboxen beschallen lassen. Meine Güte. In diesem augenblick verspürte ich das starke Verlangen, ihr ein paar günstige Stereo Bluetoothboxen von Amazon zu spendieren. Die sind nicht teuer, verbessern den Klang aber erheblich. Natürlich ist auch hier keine Top-Qualität zu realisieren und aus dem Blickwinkel von Profis Substandard, aber das wäre wirklich das mindeste, wenn man sowas regelmäßig in seinem Beruf anbietet.
Heidernei, hab ich doch soeben einen Artikel über Intelligenz & Depression gepostet. Mir kommt es ja fast so vor, als würden hier die Dummen den Intelligenten therapieren wollen. :lol: Boah, bin ich gemein. Aber das ist ja so absurd, da fällt einem ja gar nichts mehr ein. In keiner normalen Firma würde jemand mit einer solchen Darbietung bzw. mit solch einem Kunden-Service lange seinen Job behalten. :?

Das Qualitätsmanagement der Klinik wäre da jedenfalls auch noch eine adäquate Alternative zur Werkstatt. :D

Aber jetzt mal im Ernst: Willst Du nicht wirklich ein Buch über Deine Erlebnisse schreiben? Dein Humor und Deine Beschreibungen sind genial. Ich bin mir sicher, daß das viele ansprechen würde. Bist ja nicht der einzige mit derlei absurden Erfahrungen. Und bekanntermaßen transportiert Humor eine bittere Wahrheit über verbesserungswürdige Zustände besser als die reine Anklage. Genau das macht ja auch Comedians so überaus erfolgreich.

Haaahahaaaa, ich stell mir Dich gerade mit einer Psychiatrie-Comedy-Show auf einer hell erleuchteten Show-Bühne vor - das wäre bestimmt auch der Knaller! :lol:

Und von dem vielen Geld kannst Du Dir dann ein schönes Leben machen. :) Da brauchst Du dann bestimmt keine Psychiatrie mehr. ;-) Und wenn, dann leistet Du Dir Deinen Privat-Therapeuten in Deiner Privat-Klinik mit dem besten Sound-System der Welt. :D
Peterchen
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Peterchen »

@Stummfilm: Sehr unterhaltsam :lol:

und es bestätigt meine Vorurteile gegen Psychotherapie. Pseudowissenschaftlicher Unsinn, der nur über die Hilflosigkeit im Umgang mit psychischen Problemen hinwegtäuschen soll.

So wie Tuberkulosekranke in der Prä-Antibiotika-Ära wirkungslose Kuren gemacht haben, weil eine echte Behandlung nicht möglich war, machen psychisch Kranke heute "Redekuren" in "Kliniken", die an ihrem Zustand vermutlich nichts ändern und nur das Gefühl vermitteln, irgendetwas gemacht zu haben.

Vielleicht wäre es besser, wenn Depressive gemeinsam auf Kosten der Krankenkasse einen ausgedehnten Urlaub machen würden. In einem südlichen Land die Sonne genießen, abends bei Bier und Wein über Probleme quatschen - würde vielen mehr bringen als ein Aufenthalt in einer trostlosen deutschen Klinik. Und wäre vermutlich nicht mal teurer.
Abendstern
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Abendstern »

Peterchen hat geschrieben:Vielleicht wäre es besser, wenn Depressive gemeinsam auf Kosten der Krankenkasse einen ausgedehnten Urlaub machen würden. In einem südlichen Land die Sonne genießen, abends bei Bier und Wein über Probleme quatschen - würde vielen mehr bringen als ein Aufenthalt in einer trostlosen deutschen Klinik. Und wäre vermutlich nicht mal teurer.
Hach ja... mein Reden... Ab ins Luxushotel mit komplettem Wellness-Paket - und selbst das wäre vermutlich noch nicht einmal teurer... Weiterhin bin ich der Meinung, daß vielen allein schon eine Barauszahlung der Therapiekosten wesentlich besser aus ihren Depressionen heraushelfen würde...
Peterchen
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Peterchen »

Abendstern hat geschrieben:Weiterhin bin ich der Meinung, daß vielen allein schon eine Barauszahlung der Therapiekosten wesentlich besser aus ihren Depressionen heraushelfen würde...
Das kann sein. Wäre aber sehr anfällig für Missbrauch. Ein Aufenthalt in einer Psycho-Klinik ist so abschreckend, dass kein gesunder Mensch sich das antun würde. Und wie wir sehen, haben auch Depressive nach der ersten Erfahrung oft keine Lust, das Erlebnis zu wiederholen :lol: - Ein Geldgeschenk von der Krankenkasse in Höhe von einigen tausend Euro würden aber auch viele Gesunde mitnehmen.

Und man sollte nicht glauben, dass Psychologen in der Lage wären, Simulanten von psychisch Kranken zu unterscheiden.
Erloesung
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Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von Erloesung »

Stummfilm hat geschrieben: 3x/Tag wird uns ***** vorgesetzt. Mahlzeit.
Ich war in einigen verschiedenen Kliniken in meinem Leben, und sowohl in "normalen" Krankenhäusern, als auch in psychiatrischen Krankenhäusern war das Essen immer gut.
Natürlich gab es fast immer auch Leute dort, die das Essen bemängelt haben. Vielleicht ist meine Einstellung etwas vom "alten Eisen", aber wer einmal im Leben gehungert hat, dem ist der Geschmack vom Essen nicht so wichtig.
glycerine

Re: Genervt in der Klinik

Beitrag von glycerine »

Essen war bei mir in jeder Klinik gut,
weiß nicht was manche erwarten, aber schlechtes Essen bekommt man dort wirklich nicht.
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