Therapieerfahrung

Praktische Erlebnisberichte und Hilfestellungen aus der Foren-Community; erfolgreiche und gescheiterte Therapien; Erfahrungen mit Psychotherapien und Therapeuten

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Agnetha
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Therapieerfahrung

Beitrag von Agnetha »

Was habt ihr für Erfahrungen mit Therapeuten und Psychotherapie in bezug auf eure Suizidgedanken gemacht? Ich war in einigen psychosomatischen Kliniken und habe keine guten Erfahrungen gemacht. Außer Absicherung der Therapeuten durch ständige Kontrollen gab es nicht viel. Ich war jetzt noch fur kurze Zeit in ambulanter Therapie, habe aber da eher die Erfahrung gemacht, dass mein Therapeut meine Verzweiflung nicht sehen konnte oder wollte und mir beispielsweise eine dvd mit einer komödie über Suizidwillige mitgab.

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?
chris84

Re: Therapieerfahrung

Beitrag von chris84 »

Ich hatte mal eine Verhaltenstherapeutin aufgesucht, da ja meine Suizidgedanken durch private Probleme entstanden sind. Von Psychopharmaka halte ich nicht viel. Ist aber schon ein paar Jahre her. Allerdings waren meine Suizidgedanken damals schon stark ausgeprägt.
Ich hatte zunächst diese sechs Vor-Sitzungen bei ihr. Lief auch alles ganz gut. Sie war sehr nett und die Chemie/Sympathie zwischen uns hat gestimmt. Sie hat die Weiterbehandlung aber an eine Bedingung geknüpft. Ich hätte ihr das Versprechen geben müssen, mich nicht (während der ca. einjährigen Therapie) umzubringen. Und dieses Versprechen konnte ich ihr nicht geben. Natürlich hätte ich auch gemein sein können und ihr ein falsches Versprechen hätte geben können, aber da hätte ich Gewissensbisse gehabt.
Sie hat mir auch gesagt, dass ihre Tür trotzdem für mich offen steht. Ich könnte also jederzeit zu ihr zurück, aber eben zu dieser einen Bedingung.
Als mal meine Pläne für einen geplanten Suizid aufgeflogen sind, haben damals zwei Schergen vom Sozialpsychiatrischen Dienst bei ihr rumgeschnüffelt und sie gefragt, ob sie was von meinen Suizidplänen weiß. Sie hat aber dicht gehalten und denen nichts verraten (obwohl sie wusste was ich vorhatte). Das rechne ich ihr immer noch hoch an. Da bin ich ihr heute noch dankbar dafür.
Ob sie was an meiner Arbeitsallergie hätte ändern können, glaube ich zwar nicht. Aber ich hätte zumindest gerne meine Quarterlife-Crisis mit ihr aufgearbeitet, in die ich am Ende meiner Studienzeit gefallen bin. Aber wie gesagt, ich kann ihr kein genanntes Versprechen geben.
Abendstern
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Abendstern »

chris84 hat geschrieben:Sie war sehr nett und die Chemie/Sympathie zwischen uns hat gestimmt. Sie hat die Weiterbehandlung aber an eine Bedingung geknüpft. Ich hätte ihr das Versprechen geben müssen, mich nicht (während der ca. einjährigen Therapie) umzubringen. Und dieses Versprechen konnte ich ihr nicht geben. Natürlich hätte ich auch gemein sein können und ihr ein falsches Versprechen hätte geben können, aber da hätte ich Gewissensbisse gehabt.
Sie hat mir auch gesagt, dass ihre Tür trotzdem für mich offen steht. Ich könnte also jederzeit zu ihr zurück, aber eben zu dieser einen Bedingung.
Als mal meine Pläne für einen geplanten Suizid aufgeflogen sind, haben damals zwei Schergen vom Sozialpsychiatrischen Dienst bei ihr rumgeschnüffelt und sie gefragt, ob sie was von meinen Suizidplänen weiß. Sie hat aber dicht gehalten und denen nichts verraten (obwohl sie wusste was ich vorhatte). Das rechne ich ihr immer noch hoch an. Da bin ich ihr heute noch dankbar dafür.
Das ist eigentlich das Schlimmste: Seine suizidalen Tendenzen nicht frei äußern zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, weitere Gründe für einen Suizid per Einweisung in eine Klinik auf dem Silbertablett serviert zu bekommen. Dabei half es mir in der akuten Phase am meisten, offen darüber sprechen zu können, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Gerade da meine Gründe das Resultat eines fatalen (Macht-) Mißbrauchs waren. Wie soll einem da bitte eine weitere Entmündigung helfen? Vor dem Ereignis stand ich mit beiden Beinen erfolgreich im Leben und habe auch schon andere Dinge überlebt, an denen manch andere zerbrochen wären. Was wollen einem da junge lebensunerfahrene Klinik-Psychiater/innen erzählen, wie das Leben funktioniert? Diese Arroganz, so behandelt zu werden, als hätte man in seinem Leben noch nichts auf den Weg gebracht, nur weil man an einem unvorstellbar schlimmen Ereignis zerbrochen ist, ist das wohl Kontraproduktivste, das es in einer solchen Situation nur geben kann. Vor dem Hintergrund meines Lebenslaufs kamen mir die vorgestellten Therapiepunkte jedenfalls vor wie im absoluten Kindergarten. Von dem medikamentösen Unsinn einmal ganz zu schweigen. Hätte ich all das gebraucht, dann wäre ich vor dem Dilemma in meinem Leben erst gar nie so weit gekommen. Da muß man sich schon sehr fragen, was an dem System in der heutigen Form nicht stimmt. Was mir vielmehr geholfen hätte, wäre gewesen, wenn wenigstens meine Versicherungen ohne Tamtam eingesprungen wären, damit ich in der dramatischen Situation nicht auch noch Gefahr laufe, die Wohnung unter dem Hintern weggekündigt zu bekommen. So sieht es doch aus. Da hilft auch keine Therapie, wenn man erst seine Unversehrtheit verliert und in Folge dessen auch noch seine Existenz (-berechtigung)?! Und da wundert sich die Welt, weshalb manch einer nicht mehr leben möchte.
chris84

Re: Therapieerfahrung

Beitrag von chris84 »

Ich habe es der Psychologin auch überhaupt nicht übel genommen, dass sie mir diese Bedingung gestellt hat. Im Gegenteil, ich habe es sogar verstanden und akzeptiert. Ich werde sie auf jeden Fall in guter Erinnerung behalten. Sollte ich mich entschließen doch weiter leben zu wollen (was aber unwahrscheinlich ist) dann wäre sie auch wieder meine erste Adresse.

Hier noch eine kleine Geschichte zu den beiden SpD-Typen (auch wenn es etwas off topic ist). Es war ein Psychiater und der andere war ein Psychologe/Sozialarbeiter. Über den zweiten Mann habe ich nichts raus gefunden aber über den Psychiater. Er war so verrückt und hat mir seine Visitenkarte da gelassen. Da konnte ich natürlich etwas über ihn rum recherchieren und hab einige erschreckende Entdeckungen gemacht. Ich kann es nicht genau beweisen aber vieles deutete darauf hin, dass der Mann ein ehemaliger linientreuer SED-Mann war evtl. sogar mit Stasi-Vergangenheit. Also ein Mensch der in der DDR gelernt hat wie man andere Leute analysiert, manipuliert, verhört, einschüchtert und wegsperrt.
Und ausgerechnet so einer leitet heute den SpD in einer größeren Region :shock: . So einer entscheidet heute darüber wer weggesperrt wird und wer frei rumlaufen darf. Ich glaube er hätte mich zu gerne in die Psychiatrie gesperrt. Der Typ war aber auch ein Unikat gewesen. Über den hätte man einen eigenen Psychothriller drehen können.
Lustig ist aber auch, dass ich seine Adresse und Telefonnummer finden konnte. Vielleicht hätte ich ihn mal um Mitternacht auf einen kleinen Plausch anrufen sollen. Seinen Gedichtsausdruck hätte ich dann zu gerne gesehen :twisted: .
Abendstern
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Abendstern »

chris84 hat geschrieben:Über den hätte man einen eigenen Psychothriller drehen können.
Mir kommt es aufgrund meiner Lebenserfahrung bald auch so vor, als würde man die Opfer von Psychopathen in die Psychiatrie sperren wollen, während selbige da draußen unbehelligt herumlaufen und ihren sadistischen Wesenszügen in hohen Ämtern freien Lauf lassen. Stoff für Psychothriller hätte ich in dieser Beziehung jedenfalls mehr als genug. Und nein, ich bin kein Verschwörungstheoretiker, sondern habe leider alles live und selbst erlebt.
Agnetha
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Agnetha »

Das habe ich auch immer vermisst: das darüber reden können ohne angst haben zu müssen, in die psychiatrie eingewiesen zu werden. In der letzten klinik musste ich immer beantworten auf welcher scala von eins bis zehn meine suizidgedanken sind. Ich habe immer nur gefragt, ab welcher zahl sie mich denn wegfahren würden .... :(

In seinem freundeskreis kann man über das thema ja nicht reden, denn man möchte niemanden belasten. Mit therapeuten geht das aber auch nicht gut: entweder fangen sie an zu propellern oder sie versuchen, es in die spaßige ecke zu ziehen.

WARUM ich an diesem punkt bin, hat mich bisher noch keiner gefragt .... als ich in einem ersten vorgespräch bei der psychologin hemmungslos angefangen bin zu weinen, sollte ich die station wechseln .... weil ich "emotional instabil" sei und deshalb auf die station für persönlichkeitsstörungen sollte. Wenn man aber bestimmte dinge erlebt hat und darüber redet, sollte es normal sein, wenn man dann weint. Dass das ganze dann gleich pathologisch wird und ein weiteres stigma (persönlichkeitsstörung) draufgepackt wird, finde ich für mich unerträglich.

Manche therapeuten haben für mich durch ihre ausbildung die "licence to kill" ... von hilfe keine spur.
chris84

Re: Therapieerfahrung

Beitrag von chris84 »

In einer Psychiatrie war ich noch nie (muss ich auch nicht). Ich hab aber genug Berichte, Dokumentationen usw. gesehen um zu wissen, was in manchen Psychiatrien so abgeht. Speziell auch das Thema Zwangsbehandlungen beschäftigt mich seit einiger Zeit. Jetzt stellt euch mal folgendes Szenario vor: Man landet in der Psychiatrie (egal warum) mit richterlichem Beschluss und man soll mit Medikamenten usw. gegen seinen Willen zwangsbehandelt werden. Wer übernimmt die Kosten für Behandlung und Unterbringung? In den meisten Fällen wohl die Krankenkasse der betroffenen Person, oder? Was wäre wenn man dann seine Krankenversicherung einfach kündigen würde? Dann kann ja keiner mehr die Behandlungskosten übernehmen. Also wäre es möglich, als Psychiatrieinsasse einfach seiner Krankenkasse zu kündigen (per Telefonat oder Post) um damit einen Rausschmiss aus der Psychiatrie zu erwirken?
Gibt es noch andere Möglichkeiten einer drohenden Zwangsbehandlung zu entgehen? Ich weiß, dass es zahlreiche Beschwerdestellen, Anwälte usw. gibt an die man sich wenden kann. Nur wenn man schon in der Klapse ist und grade mit Drogen voll gepumpt wird, weiß ich nicht ob die einen da noch helfen können.
Agnetha
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Agnetha »

Gestern habe ich das erste mal was über beziehungstraumen gelesen und einiges über mich verstanden. Ich kannte nicht einmal den Begriff
Thorsten3210
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Thorsten3210 »

Agnetha hat geschrieben:...und einiges über mich verstanden.
Vermutest Du denn, dass Du in der Vergangenheit bzw. Kindheit ein traumatisches Erlebnis hattest ? Es ist ja auch so, dass sich vor allem frühkindliche Traumatas auf das ganze spätere Leben auswirken können. Heutztage gibt es aber Traumatherapien, die helfen könnten. Stichwort "EMDR" (Eye Movement Desenzitation and Reprocessing) und "NLITT" (Neurolaterale Imaginative Traumatherapie).
Agnetha
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Agnetha »

Hallo Thorsten,
Es geht bei beziehungstraumen nicht um ein einziges traumatisches erlebnis sondern um eine chronisch traumatische Kindheit. Bei mir waren es keine misshandlungen, aber das fehlen von sicheren Bezugspersonen.
Thorsten3210
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Thorsten3210 »

Sorry, Du hast natürlich recht, ich hatte Deinen Beitrag nicht richtig gelesen, ich hatte es irrtümlich so verstanden, dass Du ein schocktraumatisches Erlebnis meintest.
Thanatos
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Thanatos »

Gibt es eigentlich auch Leute, die „als geheilt entlassen“ wurden und sich auch tatsächlich geheilt fühlen? ...„und auch tatsächlich geheilt sind“ muss hinzugefügt werden, denn ich lernte einige Leute mit Therapieerfahrung kennen, die eindeutig was an der Waffel haben, obwohl sie selbst das keineswegs so sehen.
Es grüßt,
Thanatos
Lichtglanzable
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Lichtglanzable »

Thanatos hat geschrieben:Gibt es eigentlich auch Leute, die „als geheilt entlassen“ wurden und sich auch tatsächlich geheilt fühlen? ...„und auch tatsächlich geheilt sind“ muss hinzugefügt werden, denn ich lernte einige Leute mit Therapieerfahrung kennen, die eindeutig was an der Waffel haben, obwohl sie selbst das keineswegs so sehen.
Es grüßt,
Thanatos
Hmm, "als geheilt entlassen" trifft so auf mich nicht zu, aber ich nehme "erfolgreich" seit 5 Jahren keinerlei Psychopharmaka mehr und "mein" Psychiater vermisst mich ganz bestimmt...
Thorsten3210
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Thorsten3210 »

Thanatos hat geschrieben:Gibt es eigentlich auch Leute, die „als geheilt entlassen“ wurden und sich auch tatsächlich geheilt fühlen? ...„und auch tatsächlich geheilt sind“ muss hinzugefügt werden
Ja, die gibt es auch, z.B. ein Bekannter von mir war in der Psychiatrie wegen schwerer Depressionen, er kam nach einigen Wochen ganz ohne Depression raus aus der Klinik. Er fühlte sich gesund und gut. Die Frage ist natürlich, ob die Depression jetzt dauerhaft weg bleibt, oder sich irgendwann doch wieder eine depressive Episode einstellt. 100% geheilt, und das dauerhaft, kommt glaube ich bei psychischen Krankheiten eher selten vor
Lichtglanzable
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Re: Therapieerfahrung

Beitrag von Lichtglanzable »

Agnetha hat geschrieben: Ich war jetzt noch fur kurze Zeit in ambulanter Therapie, habe aber da eher die Erfahrung gemacht, dass mein Therapeut meine Verzweiflung nicht sehen konnte oder wollte und mir beispielsweise eine dvd mit einer komödie über Suizidwillige mitgab.

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?
Die ambulante Therapie folgte bei mir nach dem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie. Viel mehr oder großartig andere Therapien wurden dort nicht gemacht. Es hat mir aber bei der Wiedereingliederung in den Alltag geholfen.

Eine Komödie über Suizidwillige, echt jetzt. Das ist echt zynisch und menschenverachtend. War das als Aufmunterung gedacht? Sorry, als professionellerTherapeut hätte er für mich klassisch versagt. Wenn das ein Behandlungsansatz gewesen sein sollte, ist der völlig daneben gegangen. Wenn ich da einen echt miesen Tag gehabt hätte, hätte ich seinen Vorgesetzten oder den Berufsverband für Psychotherapeuten angehaucht...
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