Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

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Thorsten3210
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Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Thorsten3210 »

Hallo zusammen,

ich brauche dringend einen Ratschlag.

Ein naher Angehöriger ist in der geschlossenen Psychiatrie gelandet, weil er bei einer Schmerzattacke (er hat seit Wochen Schmerzen unklarer Ursache) einem Arzt gegenüber gesagt hat, er halte die Schmerzen nicht mehr aus, und wenn jetzt nix passiert, tut er sich was an. Jetzt sitzt er verzweifelt in der geschlossenen Psychiatrie, komischerweise mit dem Stempel "Angstpatient". Steht so in der Akte drin, wie er erfahren hat. Sein Eindruck ist, dass die schlimmen Schmerzattacken und alles, was er dort sagt, dort nicht richtig ernst genommen wird. Medizinische Untersuchungen zur Klärung der Schmerzursache finden natürlich dort auch nicht mehr statt. Er möchte unbedingt schnell raus da, und dann zu einem Schmerztherapeuten (Das war mein Rat an ihn), aber das ist jetzt gar nicht so einfach, wie er erfahren musste !!

Habt jemand vielleicht einen Tip, wie man aus der geschlossenen Psychiatrie schneller rauskommt ? Ich betone, er ist ausdrücklich nicht mit Polizei /Richter eingeliefert worden, sondern direkt im Anschluss an seine Suizidäusserung von einem Angestellten der Arztpraxis dorthin begleitet worden. Bin über jeden Ratschlag dankbar !!
Zuletzt geändert von Thorsten3210 am Donnerstag 28. August 2014, 20:48, insgesamt 1-mal geändert.
Deadly Snowflake

Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Deadly Snowflake »

Dann ist er freiwillig eingetreten?
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
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Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Thorsten3210 »

Ja, er ist im Grunde freiwillig in die geschlossene Psychiatrie gegangen, also ohne Polizei oder richterlichen Beschluss, aber eben unter "sanften Druck" in Begleitung eines Mitarbeiters der Arztpraxis. Die Arzt-Praxis ist nicht weit entfernt von der Psychiatrie, man kann rüberlaufen.
Kai-Dennis
Beiträge: 97
Registriert: Mittwoch 5. März 2014, 04:57

Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Kai-Dennis »

Wenn er sich freiwillig hat einliefern lassen, darf er nicht gegen seinen Willen festgehalten werden.
Das ist wie in anderen Kliniken auch.
Wenn du die Klinik verlassen willst, kannst du das als mündiger Bürger auch gegen die ärztliche Empfehlung tun, sozusagen auf eigenes Risiko. Um sich abzusichern, fordert die Klinik ggfs., dass du eine entsprechende Erklärung unterschreiben musst.

Das einzige, was dein Verwandter tun müsste, wäre also, den behandelnden Stationsarzt anzusprechen und mitzuteilen, dass er die Behandlung abbrechen möchte. Der Arzt wird daraufhin versuchen abzuklopfen, ob der Patient wirklich stabil ist (sprich: nicht mehr suizidgefährdet). Dazu ist er verpflichtet. Wenn dein Verwandter sich nicht beirren lässt und bei seiner Willenserklärung bleibt, sollte einer Entlassung normalerweise nichts mehr entgegen stehen. Dann wäre er sofort draußen. Vielleicht könntest du bei dem Gespräch sogar anwesend sein, falls dein Angehöriger dies wünscht.

Sollte der (eher unwahrscheinliche) Fall eintreten, dass der Arzt dennoch auf einem Verbleib deines Verwandten in der Klinik besteht, so braucht er dafür zeitnah einen richterlichen Beschluss (ich glaube sogar, innerhalb von 24 Stunden). Dazu ist die Klinik in jedem Fall verpflichtet, sogar bei Patienten, die als hochgradig psychotisch eingestuft sind. In diesem Fall sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden, der möglichst auch mit dabei ist, wenn der Richter zur Begutachtung in die Klinik kommt. Aber so wie du die Vorgeschichte schilderst, gehe ich, wie gesagt, eher vom ersten Szenario aus. Die meisten Kliniken sind ja personell so hoffnungslos unterbesetzt, die sind froh um jedes Bett, das frei wird.

Was diesen anderen Herrn Doktor betrifft, der die Einweisung vorgenommen hat, so behalte ich besser für mich, was ich von dem halte. Der ist entweder noch sehr unerfahren und/oder er wollte sich in erster Line selbst absichern. Auf jeden Fall hat er die Beschwerden seines Patienten nicht ernst genommen und von Schmerzsymptomen scheint der auch keine Ahnung zu haben. Ich würde den anstelle deines Verwandten nicht nochmal aufsuchen, sondern mich - wie du schon schreibst - an einen erfahrenen Schmerztherapeuten wenden. Da kann man auch mal "düstere Gedanken" äußern, ohne gleich Gefahr zu laufen, seiner Freiheit beraubt zu werden.

Viel Glück!
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
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Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Thorsten3210 »

Hallo Kai-Dennis,

vielen Dank für Deinen Rat, hast mir echt geholfen. Ich werde ihn gleich ausdrucken und heute mit in die Psychiatrie nehmen.
Deadly Snowflake, Dank auch an Dich.

Viele Grüße
Thorsten

Update: ich kann einen Erfolg vermelden !! Ich hatte meinen Verwandten eben gerade aus der geschlossenen Psychiatrie abgeholt. Er hat es dort heute bei der Arzt-Visite genau so gesagt: also dass er den Behandlungsvertrag jetzt sofort abbrechen möchte. Sie wollten ihn nämlich noch dabehalten. Kai- Dennis, nochmals danke für Deinen schnellen und klugen Rat !! Ich habe übrigens direkt mit dem Arzt geprochen und ihm versprochen, dass ich mich nach der Entlassung um ihn kümmere. Das hat vielleicht auch geholfen.
MelperRitus
Beiträge: 177
Registriert: Samstag 1. März 2014, 18:03

Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von MelperRitus »

Hmmhhhmmm,

erstklassig erledigt der Fall. Man könnte auch sagen, das solch ein Arzt nur den Richter holt, wenn der sich seiner Sache sicher ist. Solange man dem Behandelnden sagt: "Passen Sie direkt genau auf, Schmerzen am Start...ich muss weg von diesen Schmerzen, verstehen sie das - Tramal bis Fentanyl, so in der Richtung hatte ich mir das vorgestellt Hr. Arzt ? Der Richter hat doch keine Schmerzmedikamente wie Sufentanyl oder das etwas wirksamere Ibuprofen zweitausendvierhundert aboard."

Ich bin auch schon aus Geschlossenen so gegangen, ohne Richter.
Kai-Dennis
Beiträge: 97
Registriert: Mittwoch 5. März 2014, 04:57

Re: Schmerzpatient - geschlossene Psychiatrie

Beitrag von Kai-Dennis »

Danke für die freundliche Rückmelung, Thorsten3210.
Es freut mich, dass dein Verwandter noch vor dem Wochenende wieder in Freiheit war und dass ich mit meinem Rat dazu einen kleinen Beitrag leisten konnte. So war meine eigene kurzfristige Psychiatrie-Erfahrung wenigstens noch zu irgendwas gut.

Ich wünsche euch, dass ihr gemeinsam einen fähigen Therapeuten für die Schmerzproblematik findet und dass es deinem Angehörigen bald wieder gut geht.

Alles Gute!
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