Suizid als Thema in Therapie?

Praktische Erlebnisberichte und Hilfestellungen aus der Foren-Community; erfolgreiche und gescheiterte Therapien; Erfahrungen mit Psychotherapien und Therapeuten

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

edrd
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Registriert: Donnerstag 16. September 2010, 00:54

Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von edrd »

Hallo,

folgende situation: ich war schon öfters im krankenhaus, medikamentenseitig habe ich alle wirkstoffgruppen mit entsprechender indikation durch (~20 medikamente getestet über jahre hinweg), diagnose habe ich keine richtige: depression aus dem neurotischen bereich, kombinierte persönlichkeitsstörung, schlafstörung.
da sich das ganze nicht in den griff bekommen lässt und seit ein paar jahren doppelgleisig einiges versucht (anm: medikamentös + therapeutisch) wird, ist für mich eigentlich klar, dass sich an dem quälenden ausmaß nichts ändern wird. nichtsdestotrotz habe ich eine liste von dingen zusammengestellt, die ich nicht unversucht lassen möchte bevor ich denn abtrete (als anmerkung hier: keine frauengeschichten oder anderwertig "unplanbares"). bis oktober wäre alles abgearbeitet und bis dahin soll auch die suizidplanung vollständig stehen. drei mögliche ausgänge gibt es:
- ich scheitere bei der durchführung meiner "to-do"s, womit ich zumindest von meiner seite sagen könnte alles versucht zu haben.
- ich bringe die "to-do"s durch und sie geben mir - zur abwechslung - die notwendige kraft mich aus der schlinge zu ziehen.
und nun der wichtigste fall:
- ich bringe die aufgaben zu ende und es stellt sich erneut kein positiver effekt ein - was wie im fall zu scheitern suizid bedeuten würde.

nun ist es natürlich so, dass ich meine pläne in den therapiesitzungen so nicht offen lege und in gesprächen damit einen völlig falschen eindruck vermittle. mein therapeut meint, dass ein weiterer psychiatrieaufenthalt nichts bringen würde, genausowenig würde er mich für einen im affekt handelnden menschen halten. deshalb bin ich am überlegen, das offen anzusprechen um einmal wirklich an der kernproblematik zu arbeiten (sollte es da denn ansatzpunkte geben) - was dann eventuell auch off-label medikation (und anderen spielerein mit ins spiel bringen könnte). da der etwaige zeitpunkt relativ klar wäre, habe ich nur angst spätestens dann präventiv eingeliefert zu werden. andererseits vergebe ich mir durch dümmliche laberei während den stunden eine weitere "chance" auf etwaige verbesserung.

was würdet ihr tun? und ich bitte um antworten von personen, die nicht sofort in den ersten 2 oder 3 sitzungen damit rausgerückt sind, sondern von leuten, die ein längeres patient-therapeuten-verhältnis haben. klar landet man auf der psychiatrie wenn man sofort hinausposaunt, dass man sich umbringt.

danke
Neverendingwar

Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Neverendingwar »

Ich hatte eine Thearpeutin gehabt, bei der ich ganz offen über das Suizidthema reden konnte. Einmal war es sogar so, dass ich ihr einen Suizid angekündigt habe und weil sie die Einstellung hat, dass es jedem seine freie Entscheidung ist für das Leben oder dagegen, hat sie mich gehen lassen. Aber solche Therapeuten gibt es glaube ich nur sehr selten leider.

Gruß,

Neverendingwar
Seelenschmerz
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Seelenschmerz »

Hallo!
Ich hab übrigens auch eine Persönlichkeitsstörung als Diagnose.

Also, wenn Suizidgedanken nicht in die Therapie gehören, was denn dann?
Oder wohin sollen sie denn sonst gehören?
Wenn ich die wichtigsten und existenziellsten Dinge verschweigen muss, wird die ganze Therapie nichts bringen...
Das ist noch keine Garantie, dass es dir helfen wird oder dass du den richtigen Therapeuten hast, aber wenn du Therapie machst, dann mach sie doch richtig...
Touhy
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Touhy »

Hallo,
also ich hab in meiner aktuellen Therapie, generell im therapeutischen Umfeld (Thera, Bewo, Ärzte) auch eher schlechte Erfahrungen damit gemacht, offen über meine Gedanken zu reden. Ich versuche immer meine Gedanken allgemein zu formulieren. Letztlich habe ich mich sehr weit vor gewagt und eine entsprechende Frage damit beantwortet, "dass ich meine Methode gefunden habe". Aber das war schon high risk, weil ich bei noch konkreteren Aussagen mit einem Bein in der Psychiatrie stehe und das würde eher das Gegenteil bewirken als im Alltag mit den Problemen umzugehen und eben auch daran zu wachsen (oder halt zu verrecken, wenns denn sein muss).
Meine Ärztin hat mich mal "überredet" in die Klinik zu gehen, weil ich am Handgelenk rumgeritzt habe und sie das bei der Laborkontrolle gesehen hat. Hallo? Ich habe selbst eine medizinische Ausbildung, ich kann das schon ganz gut einschätzen, wann es gefährlich wird :evil: Letztlich war ich dann zwei Wochen stationär, es fielen durch die Weihnachtsfeiertage und Krankhjeit fast alle Therapien aus und ich hatte dort nicht mal einen PC zum Ablenken. Neee danke, so was brauch ich echt nicht. Deswegen: Der Ehrliche ist der Dumme :roll:
And
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von And »

man sollte seeehr genau herausspüren, wem ggü. & in welcher situation man über freitodgedanken reden kann. es gibt ärzte, die wollen dich sofort einweisen, andere therapeuten sagten mir, das gehört nicht in hiesiges setting (gruppe). mein jetztiger arzt unterstützt mich nicht aktiv, doch ich kann mit ihm ehrlich darüber reden.
And
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von And »

für viele (mir nicht) kann ein einfühlsamer arzt vielleicht mit dem patienten eine alternative zum suizid finden. & für widerum andere ist es gut,es überhaupt mal jemandem offenlegen zu können. wer kann schon am arbeitsplatz, in der familie etc. über diesbezüliche gedanken reden - & vielleicht sogar akzeptanz statt ablehnung oder zwang"hilfe" erfahren...
Seelenschmerz
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Seelenschmerz »

Also widersinnig finde ich das nicht. Wenn ich zur Schuldnerberatung gehe, rede ich ja auch über Schulden, bei der Eheberatung über die Beziehung. Also warum das belastendste und gefährlichste Problem in der Therapie verschweigen.
Wer weiß, was dabei alles rauskommt und geklärt wird. Umbringen kann man sich dann immer noch.
blanc (aka rosé)
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von blanc (aka rosé) »

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Zuletzt geändert von blanc (aka rosé) am Donnerstag 14. April 2011, 18:24, insgesamt 1-mal geändert.
Seelenschmerz
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Seelenschmerz »

Touched hat geschrieben:Wie ich oben schon schrieb, die Suizidgedanken sind nicht das eigentliche Problem, sondern das Resultat anderer Mißstände.

Mir kommt das irgendwie so halbherzig vor, ne Therapie zu machen, aber gleichzeitig den Selbsttötung vorzubereiten. Das ist, um bei deinen Beispielen zu bleiben, wie ne Schuldnerberatung aufzusuchen und gleichzeitig Spielschulden zu machen bzw. ne Eheberatung aufzusuchen und gleichzeitig die Scheidung einzureichen.
Ja genau, weil die Suizidgedanken ja oft das Resultat anderer Mißstände sind, halte ich es für hilfreich und sinnvoll, darüber zu sprechen.

Halbherzig wäre es ja nur, wenn ich meinen Suizid ernsthaft plane (das geschieht ja nämlich wegen Leidensdruck und nur teilweise freiwillig), es aber verschweige in der Therapie. Suizidgedanken sind ja oft ein Symptom, und zwar ein wichtiges, schwerwiegendes! Man macht doch keine Therapie, um über's Wetter zu reden.

Voraussetzung für die Eheberatung ist ja auch nicht, dass man bereits keine Beziehungsprobleme mehr hat oder das diese lieber verheimlicht werden in der Beratung. Klingt für mich abwegig.
edrd
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von edrd »

ich habe den thread durchaus verfolgt. wusste nur teilweise nicht was antworten, weil ich quasi zwischen den fronten liege.
zum einen wurde ich vielleicht in mancherlei hinsicht falsch verstanden: um das hier aufzuklären: es geht mir nicht hin zu gehen und zu sagen am tag x bringe ich mich um, sondern es geht darum vor ort die thematik in den raum zu werfen, die mich eigentlich wirklich beschäftigt. natürlich steht weiterhin die frage: ist suizidalität ein symptom oder eine konsequenz? ich würde mich nicht als affektgesteuerten menschen sehen, mein unzulässiges Wort würde wohl in die kategorie "bilanz-suizid" fallen, weshalb natürlich die symptomerklärung schwerer rechtzufertigen ist. einigen wir uns im weiteren auf die bezeichnung eigenschaft und als "eigenschaft" ist suizidalität die belastenste.
weil das ganze hier schon so vollgepackt mit gleichnissen ist, warum eine schürfwunde behandeln, wenn auf dem patienten gleichzeitig ein ganzer arm fehlt. klar, hier handelt es sich um eine kausalitätskette, dennoch bewegt sich der wahrheitsgehalt vermutlich irgendwo im graubereich, in welchem auch die anderen bisher gebrachten vergleiche liegen.

die ultimative frage, die ich auch immer wieder an mich selbst richte, ist, was ich mir eigentlich davon erwarte. um mich selbst zu zitieren
...was dann eventuell auch off-label medikation (und anderen spielerein mit ins spiel bringen könnte)...
wenn ich in der regeltherapiestunde über nichtigkeiten rede die quasi unbelastend sind, wird der therapeut keinen dringlichen handlungsbedarf sehen (anmerkung: ist übrigens der fünfte bei dem ich mittlerweile bin - und eigentlich zufrieden). mein psychiater wäre auch zu EKT bereit, lauter dinge, die grundsätzlich in frage kommen würden, aber eben durch keine im raum stehende immanente selbstgefährdung gar nicht erst in betracht gezogen werden. wie gesagt, ich habe unzählige medikamente mitsamt jeweiliger nebenwirkungen durch (teils auch über den einnahmezeitraum hinaus persistent), bin aber wohl bereit neues zu probieren.
und wie "And" bereits schrieb: ich kann mich anstrengen so viel ich will. für mich selbst finde ich keine perspektiven außer jenen, die mir meine "to-do" list liefern kann oder eben nicht kann. auch wenn ich nicht weiß wie das gehen soll, aber in der therapie sollte es eigentlich dann um perspektivenfindung gehen und nicht ums (metaphorisch gesprochen) "wetter".

danke soweit für eure beiträge.
edrd
Beiträge: 10
Registriert: Donnerstag 16. September 2010, 00:54

Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von edrd »

doch, ich traue mich über meine probleme zu sprechen, andererseits sind viele nicht wirklich kommunizierbar. dissoziation, schlafstörung und co. sind sehr belastend, aber mit diesen themen verbringt man keine ewigkeiten im gespräch. man kann sie anschneiden, man kann irgendwie schildern, wie sich genau die probleme äußern, aber letztendlich war es das dann. ich bin kein traumapatient, ich habe nichts aufzuarbeiten oder dergleichen und damit läuft die therapie eben in der regel so ab, dass ich über "mich im alltäglichen leben" rede. die hauptgesprächsgegenstände sind damit meistens nonsens, die mich leider kein stück weiterbringen.
Seelenschmerz
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Seelenschmerz »

Es gibt nichts aufzuarbeiten, sagst du... Echt, Persönlichkeitsstörung, Dissoziation, neurotische Depression, das bekommt man einfach so ohne Grund? Also, das erstaunt mich etwas...
Und Suizidgedanken sehe ich in dem Fall eher in Verbindung mit diesen "Störungen".
Aber das ist immer nur meine persönliche Meinung.
blanc (aka rosé)
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von blanc (aka rosé) »

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Zuletzt geändert von blanc (aka rosé) am Donnerstag 14. April 2011, 18:24, insgesamt 1-mal geändert.
edrd
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von edrd »

Seelenschmerz hat geschrieben:Es gibt nichts aufzuarbeiten, sagst du... Echt, Persönlichkeitsstörung, Dissoziation, neurotische Depression, das bekommt man einfach so ohne Grund? Also, das erstaunt mich etwas...
Und Suizidgedanken sehe ich in dem Fall eher in Verbindung mit diesen "Störungen".
Aber das ist immer nur meine persönliche Meinung.
ich kann sagen, dass ich nie der superglückliche typ war, aber vieles davon kam wirklich auf einen schlag und hat sein eigenleben entwickelt. die einzigen vordergründig aufarbeitbar scheinenden dinge sind aufgearbeitet und mit denen kann ich eigentlich gut leben. mit diesen problemen bin ich anfänglich natürlich in die therapien gestartet, nun weiß ich nicht mehr was ansprechen oder wo ansetzen. das ganze krankheitsbild ist zu diffus. schräge, offenbar nirgends genau hineinpassende schwankungen im blutbild, gelegentlich positivsymptomatik und so weiter und so fort (war auch bei mehreren ärzten und kliniken). vielleicht stimmen die zugrundeliegenden diagnosen auch nicht, aber wenn man es nicht genau sagen kann, dann folgt die einordnung nach einem gewissen (wissensstandsbedingt auch nachvollziehbaren) schema: keine "phasen", keine offensichtlichen körperlichen hintergründe: neurotischer bereich. rest: kombinierte persönlichkeitsstörung.
wäre ich selbst nicht ratlos, wäre ich nicht hier - hätte ich auch nicht gefragt wie Ihr das handhabt, konkret, wie und ob Ihr die suizidproblematik ansprecht.
...wenn mich andere ansehen, besonders in die augen, dann hab ich immer das gefühl ich verliere mich und schlimmer noch oft scheint es mir das der gegenüber plötzlich nur noch aus einer hülle besteht (so gefühlsmäßig), als würde ich in ein schwarzes loch gucken. ich verliere dann völlig den boden unter den füßen. ich glaube das ist die leere in mir die sich dann nach außen kehrt und ich möchte zum einen nicht das es andere merken (weil es sicher erschreckt), zum anderen will ich nicht die kontrolle verlieren (wahrscheinlich ne art dissoziation)...
kenne ich genauso, so als würde ich nicht mehr eine person ansehen sondern einfach ein "leeres bild". selbst dann ein gefühl wie bei rasch abfallendem blutdruck und gleichzeitig druck im kopf. wie und ob das 'rüber kommt weiß ich nicht, psychotisch ist das aber wiederum bestimmt nicht (da man ja selbst noch weiß, das man und das gegenüber real ist, auch wenn es sich verschroben anfühlt).
meine psychotischen erlebnisse waren anders (beschränken sich aber auf zwei sehr harmlose situationen). optische halluzinationen (leute gesehen, konnte mein zimmer nicht verlassen weil der boden "abschüssig" aussah - so kann ich mich in etwa daran erinnern).
Seelenschmerz
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Re: Suizid als Thema in Therapie?

Beitrag von Seelenschmerz »

@auch an blanc
Ja, zugegeben, man muss auch ein bisschen Glück haben, einen RICHTIG guten, mitfühlenden Therapeuten/Therapeutin zu finden, sonst passiert nicht viel oder man wird man bloß erneut traumatisiert. Und einmal die Woche 40 Minuten Kassentherapie, das reicht mitunter leider nicht aus, um Vertrauen zu gewinnen und dass alle Dämme wirklich brechen. Aber wenn die Dämme brechen ist es ein Segen, das habe ich selbst erlebt.
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