Das suizidale Selbst integrieren

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Fin
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Registriert: Dienstag 31. Mai 2011, 22:36

Das suizidale Selbst integrieren

Beitrag von Fin »

Hallo,

ich habe phasisch und episodisch verlaufende Depressionen. Das heißt, es kann heute alles verdammt schei*e sein, und morgen schon wieder viel besser, innerhalb depressiver Episoden. Die Stimmungslagen sind extrem und können schnell ineinander umschlagen. Manisch bin ich jedoch nicht.

Ich habe gerade wohl eines der schlimmsten Jahre mal wieder hinter mir (oder stecke noch drin, ich weiß es nicht), das durchzogen war von einem Studienabbruch wegen Depressionen, familiären massiven Konflikten und einer konfliktreichen, schließlich geendeten Beziehung die mir eigentlich viel Halt gegeben hatte und jetzt nur Liebesschmerz bereitet. Ich stand daher in den letzten zwei Monaten fast permanent davor, mich umzubringen. Selbst in zwei Wochen Urlaub und Ablenkung ging es mir fast nur schlecht, und als die Ablenkung wegfiel, verging kein Tag, an dem ich nicht die meiste Zeit geweint habe. Ich habe jeden Tag aufs Neue gehofft, mich selbst darum gebeten, mich endlich umzubringen. Habe alles vorbereitet und war bis vor einer Woche jeden Tag drauf und dran, loszugehen. Habe mir alles dafür besorgt und alle Abschiedsbriefe geschrieben, was ich so noch nie getan hatte. Ich hatte wegen geplantem Umzug alles in Kartons geworfen, bin aber nicht umgezogen, sondern habe verharrt und für meine "Hinterbliebenen" alles vorbereitet, damit sie so wenig wie möglich Umstände mit mir oder der Wohnung haben sollten. Ich saß auf einem vollkommen zusammengepackten Leben, in der Erwartung, es endlich zu beenden. Eine Woche lang. Habe sämtliche Kontakte verweigert und auf ein Wunder gehofft oder auf den Mut, es zu schaffen, auf einen Impuls.

Es ist jetzt das erste mal das ich das erzähle. Seit dem ist viel passiert. Ich bin schließlich doch umgezogen, in eine neue WG, habe mir viel Zeit dabei gelassen. Mein Zimmer gestrichen und an manchen Tagen oder Nächten derartige Schmerzen vor Trauer und Verlust um die Beziehung, meinen Freund, gehabt, Schmerzen vor Hoffnungslosigkeit und erlebter Sinnlosigkeit, dass ich dachte, sie hält kein Mensch aus. Jetzt habe ich hier aber einfach tolle Menschen in der WG, die ihr Leben toll auf die Reihe bekommen und mich mitreißen, die sehr lieb und sozial sind und mich geistig serh anregen. Es geht mir von Tag zu Tag besser und an unzulässiges Wort habe ich seit einigen Tagen nicht mehr gedacht. Jetzt geht es erstmal weiter, ob es gelingt werde ich ja sehen. Gerade geht es mir unglaublich gut wieder. Ich bin voller Zuversicht und freue mich, diese weitere Chance nochmal wahrzunehmen.

Für mich ist es gerade total unglaubwürdig, dass ich noch vor 1, 2 Wochen jeden Tag aufs Neue gehoffte habe, mich endlich umzubringen und alles dafür bereit lag. In meiner neuen WG bin ich wie ausgewechselt und keiner würde so etwas bei mir vermuten. Mein Leben ist ein Kippbild, und jetzt sehe ich wieder nur den Kampf um ein gutes Leben und die Aussicht darauf.

Wie macht ihr das? Diejenigen unter euch, die auch solche kippenden Stimmungen haben - wie könnt ihr das in euer Selbstbild integrieren? Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Meine beiden Ichs passen nicht zusammen. Das eine kämpft, das andere will sich um jeden Preis erhängen. Wer bin ich denn nun? Was soll ich mit der Erinnerung an das tagelange Weinen und mein Flehen es zu beenden anfangen? Wie kann ich denn jetzt wieder so motiviert und redefreudig sein, wenn ich vor einer Woche noch fast durch meine eigene Hand gestorben wäre?

Viele Grüße,
Fin
Dissolved_Alice
Beiträge: 274
Registriert: Donnerstag 16. Juli 2015, 05:50
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Re: Das suizidale Selbst integrieren

Beitrag von Dissolved_Alice »

Hallo Fin!

Ich schreib jetzt mal hier in deinem Thread weiter, da ja noch niemand geantwortet hat.
Sehr schade.
Denn das ist eines meiner absoluten Hauptthemen/Problematiken.

Ich hab ein sehr chaotisches Leben. Da geht’s wirklich hoch und runter und von links nach rechts usw..sehr anstrengend. Dann seit meiner Kindheit immer wieder depressive Phasen. Diagnostiziert hab ich eine BorderlinePS.
Ich glaub aber, ich hab noch ganz viele andere Störungen xD

Am meisten zu schaffen machen mir eben auch meine Stimmungsschwankungen (ich find das Wort eigntl schon zu harmlos für diese extremen Wechsel).
Unberechenbar. Ich weiß auch nie so ganz genau, was die Auslöser sind. Oft hab ich das Gefühl, es gibt gar keine wirklichen Auslöser. Es ist echt ganz kurios.
Da geht’s von oben nach unten oder ganz unten. Manchmal alle paar Tage. Nichts ist beständig. Ich fühl mich total ausgeliefert und weiß auch echt gar nicht wirklich, wie ich das in den Griff bekommen soll.
Ich hab mir angewöhnt, wenn es nach oben geht nicht ZU euphorisch zu werden. Und wenn es nach unten geht nicht ZU depressiv (was mir gar nicht gut gelingt)

Es ist einfach nur anstrengend und zermürbend.

Ich hatte ja erwähnt, dass ich auch gerade eine gescheiterte Beziehung hinter mir habe, die mir sehr viel (Pseudo)halt gegeben hat. Ich war zwar nie froh, weil alles immer nur anstrengend war(mal ganz allgemein gesagt). Aber als wir uns im Juli getrennt haben ging es mir plötzlich noch schlechter als in der Beziehung(und ich konnte absolut nicht begreifen WIESO)! Das hab ich kaum ausgehalten...viele Wochen am Stück drehte sich in meinem Kopf ALLES nur noch um Suizid. Ununterbrochen. Mein Leben war auch quasi wie auf Pause.
In mir herrschte entweder die pure Verzweiflung (mit stundenlangen Heulkrämpfen) oder eine absolut kalte Leere.
Ausserdem war ich so lethargisch, dass ich kaum noch einen logischen klaren Gedanken fassen konnte...

Dann...von einem Tag auf den anderen...hat das plötzlich aufgehört.
Und in meinem Inneren läuft ein ganz anderes Programm. Hoffnung. Sogar so etwas ähnliches wie Lust-aufs-Leben. Normalität. Ein ganz anderes Denken über alles. Aber immer überschattet von meiner Suizidalität (die ich zwar dann überhaupt nicht spüren kann, aber die schlummert ja doch irgendwo noch in mir rum).

Ich weiß aber auch, dass dies ebenso schnell wieder vorbei sein wird. Irgendwann.

Weil das bei mir immer so wechselt.

Deshalb will ich ja auch nicht mehr. Ich hab einfach keinen Nerv mehr darauf. Wenns mir so ganz schlecht geht weiß ich halt auch, dass das nicht ewig anhält und es mir auch garantiert irgendwann wieder gut geht. Aber das ist ein ewiges Hin-und Her.

Diese Wechsel werden auch nicht mehr aufhören, ich weiss nicht wie ich damit umgehen soll.
Deswegen berührt mich das Thema momentan extrem. Ich bin nämlich auch ratlos, wie ich diese beiden extemen Seiten in mir vereinen kann. Leider bis jetzt noch keine Ahnung.

Wenns mir schlecht geht, hoffe ich halt, dass ich es endlich mal schaffe, es zu Ende zu bringen!
Wenns mir gut geht, versuche ich so gut es geht Vergangenheit/Zukunft/alles unnötige an Gedanken auszublenden und im Hier und Jetzt zu bleiben. Sonst zieht s mich wieder nur runter.

Die Mitte finden und auch behalten (egal bei was) ...eine große Schwierigkeit für mich und mein absolutes Ziel solange ich noch am Leben bin.

:|

PS: Der letzte Abschnitt deines Eingangsposts hätte echt Wort für Wort von mir sein können :?
Viola5
Beiträge: 32
Registriert: Freitag 7. August 2015, 23:48

Re: Das suizidale Selbst integrieren

Beitrag von Viola5 »

Hey.

Ich habe immer mal Phasen,wo ich nur sterben will und dann gibt es Phasen,wo das Leben erträglich ist.
Ich empfinde das als extrem anstrengend.Momentan ist wieder so eine miese Phase,wo ich am liebsten alles hinschmeißen will...
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