Juhu, endlich wieder Depressionen!

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Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Seit Jahren
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Juhu, endlich wieder Depressionen!

Beitrag von Seit Jahren »

PS: Wer sich bereits von meinem "Ich bin arm und hösslich und traumatisiert" genervt fühlt, sollte von da an vielleicht nicht weiterlesen.

Keine Sorge, momentan geht es mir einigermassen gut. Hab meine Selbstmedikation vorher wieder aufgenommen. Mit vorher meine ich vor etwa fünfzehn Minuten.

Also, fangen wir an. Ich wollte eine Weile nichts mehr nehmen um meine Toleranz ein wenig abzubauen. Leider erlaubt es mir meine finanzielle Situation (Situation klingt so als würde es sich irgendwann ändern, grmpf) nicht mal mit der normalen Dosierung durchgehend medikamentiert zu sein. Hab daher gestern und heute bis vor kurzem nichts genommen. Es ging mir, wie erwartet, ziemlich mies. Ehrlichgesagt hatte ich aber mit Schlimmerem gerechnet, da es mir seit Wochen auf eine extreme weise schlecht geht. Damit, dass ich akut suizidal werde zum Beispiel. Dem war nicht so. Gestern habe ich mich überwunden im Bikini eine Weile draussen zu sein. Vitamin D und so. Das hatte ich schon lange vor.

Früher waren das wirklich gute Zeiten, da bin ich in ein Freibad gegangen und habe das Licht auf meinem Körper und das Wasser sehr genossen. Dieses einzigartige Freibad kostete keinen Eintritt und die Reise dahin mit den öV konnte ich mir damals leisten. Gestern war es nicht ganz dasselbe. Der Platz, den ich für dieses Vorhaben aufsuchte war... sagen wir suboptimal. Aber besser als gar nicht. Jedenfalls habe ich mich dann zuhause schön abgeduscht, mit einer Körperbürste und Schaum nass abgebürstet und noch ein wenig in einer lauwarmen Badewanne entspannt. Später bin ich nochmal ca. eine Stunde an die Sonne. Es war ziemlich heiss und mein Kreislauf spielte nicht gut mit, aber wir haben es hinter uns gebracht.

Hach... ich fühle mich jetzt gar nicht mehr so schlecht. Selbst die Scham- und Schuldgefühle sind nur mehr wie eine weit entfernte Melodie.

Jedenfalls war ja heute irgendwie der zweite Tag, oder. Also heute morgen wollte ich fasten und habe ein Glas mit drei Teelöffeln Kaliumsulfat zu mir genommen. Es war unglaublich ekelhaft, aber ich bin geübt in sowas. Trotzdem war es krass eklig, ich habe nachher sofort mit Wasser nachgespühlt, aber der bittere Geschmack wollte einfach nicht weggehen. Gut, vielleicht ist es ja ein Hirnschaden oder ein Nervenschaden und es wird nur zu lange so weitergeleitet, als wäre noch was Bitteres auf der Zunge, obwohl es schon längst weg ist. Hm egal.

Ich kam nicht wirklich in die Gänge. Nach draussen traute ich mich nicht, da zu heiss. Mir war immer schwindelig beim Aufstehen. Ja, ich weiss, dass kann gut auch davon kommen, dass ich seit mehreren Wochen keinen Sport mehr mache und vor allem faul herum liege. Ich weiss. Aber wenn mir schon so schwindelig war, wie sollte es an dieser erdrückenden Hitze sein? Gestern beim Einschlafen hatte ich einen heftigen Schwächeanfall. Klingt jetzt vielleicht dumm. Beim Einschlafen. Wenn man sowieso nur herumzuliegen und auf den Schlaf zu warten braucht. Jedenfalls hatte ich dann auch auf einmal kalt und habe mir eine zweite Decke geholt. Mit zwei Decken konnte ich mich dann allmählich aufwärmen und irgendwann einschlafen. Übrigens erwachte ich heute morgen aus einem Traum, indem mich ein kopfloser Ritter verfolgte, in einem zugeschneiten Berggebiet.

Irgendwie kann einem ja schon die Idee kommen, dass irgendetwas kaputt ist bei mir. Zum Beispiel das Herz. Von mehreren vorsätzlich herbeigeführten Digitalisvergiftungen zum Beispiel. Manchmal denke ich aber auch, dass ich Diabetes habe, oder Nebennierenschwäche. Ich kleiner Hypochonder. Zum Thema wie ich darauf komme, dass ich Diabetes haben könnte: es ist der Durst. Das war gestern beim Einschlafszenario nicht anders als wie so oft. Ich hatte einen unstillbaren Durst und bin ständig in die Küche gegangen um ein Glas Zitronenwasser zu trinken. Und dann auf die Toilette Wasser lassen. Mit jedem neuen Durstanfall war auch schon eine neue Portion Urin parat, da es mit diesem exzessivem Trinken schon eine weile vorher angefangen hatte. Ich rätsle auch immer wieder darüber ob ich zuviel oder zuwenig Cortisol habe. Der Bauch ist bei mir eine echte Problemzone, allerdings werde ich niemals körperlich krank. Schon gar nicht mit Entzündung. Und ich bin recht gelenkig, egal ob in Sport- oder Gammelphasen.

Ich kam also gestern nicht wirklich in die Gänge und das Nichtessen war dabei nicht gerade eine echte Hilfe. Also habe ich initial zwei Brotscheiben mit Butter und Käse gegessen. Nicht zu vergessen mein nächtlicher Fressanfall am frühen Morgen, der aber nicht wirklich etwas damit zu tun hat, denn das war bevor ich beschlossen hatte zu fasten und vor dem Kaliumsulfat. Naja, ich habe einen kleinen Kuchen verspeist. Wie in Trance. Als es hell wurde konnte man die Krümel auf dem Boden sehen.

Es war dann nach dem Essen nicht nennenswert anders als vor dem Essen. Oh, falls sich jemand mit Krankheiten und sowas auskennt: Also meistens bin ich nach dem Essen akut depressiv, teilweise ist es einfach ein körperliches völlig-kaputt-Sein. Als wäre mein Stoffwechsel oder was auch immer richtig zerstört. Zum Beispiel wenn ich einen Schokoladenmuffin esse. Ich geniesse ihn und fühle mich, sagen wir, auch nicht schuldig. Doch dann bin ich erstmal eine Runde völlig fertig.

Keine Ahnung wie es Jetzt geworden ist. Ich habe mich halt irgendwann hingelegt. Hab mit meinem Handy "Depression Symptome" gegoogelt und bin auf eine Seite gestossen, wo erklärt war, ab wann man leichte, mittlere oder schwere Depressionen hat. Ich bin die Symptome durchgegangen und zum Schluss gekommen, dass ich Schwere habe. Dieses typische innerlich tot sein überkam mich in einer Intensität, in der ich es Monate- oder gar Jahrelang versucht habe zu verdrängen. Auch wenn es mir schlecht gehen würde, so wie damals sollte es nie wieder werden. Ja, ich kenne dieses Gefühl. Oder auch Nicht-Gefühl. Also ich finde, einfach nichts fühlen passt nicht so richtig dazu. Das wäre ja dann mehr wie eine Dissoziation oder eine Änästhesie. Vielleicht kommt es mir ja nur so vor, weil es in diesem Falle mit einer brutalen Antriebslosigkeit gepaart war. Oder besser: Antriebshemmung. Es ist von mir aus gesehen eine Hemmung. So wie die Depression ein zu Boden gedrückt werden ist. Da sind grosse Kräfte am Werk, die die Seele auseinander und zu Boden drücken und zerren. Ich fühlte einen aggressiven Impuls. Eine grosse Aggression. Das Bedürfnis allen Schmerz aus mir herauszubrüllen. Doch ich entschied mich dagegen, weil es die Nachbarn hören würden und ich das vermeiden wollte.

Ich schäme mich auch so schon genug für mein letztes Mal brüllen. Mein befreiendes, befriedigendes, ja lebensrettendes Gebrülle. Du verstehst gar nichts. Das waren die Worte. Zu meinem Freund. Nachdem er mich aus dem Schlafzimmer geworfen hatte und ich mich zutiefst abgelehnt und verletzt fühlte. Ich finde Brüllen ist etwas durchaus natürliches. Etwas Gesundes. Etwas, dass ich vor einigen Monaten bewusst versuchte zu kultivieren. Als Gegenmassnahme für das nur allzu gut Bekannte in-sich-hinein-fressen. Schlucken. Implodieren. Ich habe immer dann, wenn ich grossen Zorn verspürte einfach geschrien. Und schwupps war ich gelassener.

Doch jetzt ist es anders. Tiefe Scham, die mich ständig begleitet hat komplett die Kontrolle über mich gewonnen. Ich schäme mich für mein Aussehen, für meine Gedanken, für meine Vergangenheit und für das Hier und Jetzt. Für die Metakognition der Metakognition. Ich erinnere mich daran wie vernachlässigend ich meinen Hasen gehalten habe damals. Es war alleine und in einem kleinen Stall eingesperrt, der in der brütenden Hitze stand und viel zu selten gemistet werden. Ich kann nicht mal sagen, dass es mir wirklich leid tut. Ich möchte nicht der Mensch sein, der das getan hat. Auf der anderen Seite habe ich gute Entschuldigungen parat: ich hatte damals einfach keine Kraft um es besser zu machen. Nach der Schule war ich völlig ausgelaugt. Seelisch schon längst ausgebrannt. Ich hatte keine echte Unterstützung dabei. Doch hat Cyanide, so hatte ich die Hasendame genannt, dadurch weniger gelitten? Alleine, in diesem entwürdigenden zugekoteten Stall in der Hitze. Tag aus, Tag ein.

Ich finde nicht, dass ich mich zu unrecht schäme oder schuldig fühle. Nur ist es auf eine ähnliche Weise ungesund, wie es ungesund ist, wenn man die Realität so sieht wie sie ist. Oder jedenfalls der echten Realität ähnlicher als andere Menschen. Als die meisten Menschen. Vielleicht das Leitsymptom allen psychischen Leidens? Ich meine mit echte Realität nicht die absolut Echteste, aber die, die, wie man sie wahrnehmen würde ohne "Abwehrmechanismen". Einen Trost habe ich für mich trotzdem: ich bereue meine Taten. Das ist immerhin etwas. Ändern kann ich es ja sowieso nicht mehr. Wenn meine Täter ihre Taten bereuen würden wäre es für mich wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Naja, wie das komplette Gegenteil von Geburtstag und Weihnachten, diese Tage sind für mich meist absolut unerträglich. Einfach toll eben. So schlecht ist es also gar nicht, das ich es bereue. Und irgendwann kann man ja damit aufhören oder?
Ich erinnere mich leider an weitere unverzeihliche Dinge. Bei manchen kann man sagen, dass ich jünger als sieben Jahre alt war und daher wirklich noch ein unschuldiges Kind? Was ist mit der Libelle, der ich Menthol in die Augen geträufelt habe? Da war ich auf jeden Fall über zehn. Es hat mich erregt. Ich weiss nicht, wie es ausgegangen ist, ich denke ich habe sie nachher getötet. Also bin ich nicht mal besser als der Grossteil der Menschen die ich verachte, ich bin nur ein Opfer. Ärmer, hässlicher, machtloser. Deswegen meine Empörung und meine moralischen Anwandlungen. Nur weil ich mich ungerecht behandelt fühle, und nicht weil ich anders handeln würde, wenn ich in der Position des jeweils anderen wäre. Ja, ich wünsche mir, dass jemand sowas schreibt wie: "Da warst Du noch ein Kind, jeder quält Tiere in dem Alter, das ist total normal, du kannst nichts dafür". Wieso sollte ich es mir nicht wünschen?

Zurück zu den Symptomen meiner Depression: ich würde sagen, ich habe eine schwere Depression. Überall in meinen Patientenakten steht höchstens "mittlere" oder "rezidivierende". Warum ist das so? Mittelschwer ist sie dann, wenn ich eine "gute Phase" habe! Dann sehe ich die Realität ja immer noch viel zu realistisch um gesund zu sein. Ich weiss dann, dass es mir höchstwahrscheinlich wieder mal sehr schlecht gehen wird. Dass mir irgendwann der Antrieb ausgeht. Dass alles was ich aufgebaut habe zusammenbricht, wenn ich für einen Augenblick mal wegsehe. Weil das so ist wenn man während der gesamten Kindheit und Jugend durch andere Menschen schwer traumatisiert worden ist. Wenn keiner mit einem unmittelbar nach dem Trauma darüber gesprochen hat. Wenn man hässlich und arm ist. Sozial isoliert und ohne Lebensinhalt. Ohne Familie, dafür mit Intelligenz die man dazu nutzt um sich auf eine intelligente Art selber fertig zu machen. Wenn man keine Aussicht darauf hat, dass es irgendwann aufhört oder sich irgendetwas in seinem Leben ändert.

Klar, ich konnte mich aufraffen um mein "Medikament" zu nehmen und jetzt ist es besser. Das hätte jemand mit einer schwereren Depression möglicherweise nicht geschafft. Und ich denke, auch ich hätte mich früher hilfloser verhalten und gar keine Drogen auf Lager gehabt. Es ausgehalten. Genau das, was ich mir abgewöhnen möchte. Ich möchte lieber herumschreien, mich selbst verletzten, Drogen nehmen, Sachen beschädigen. Nur nicht einfach ertragen wie früher. Völlig passiv. Einfach nur leiden. Ich will gegen diese innere Programmierung angehen, und mal lieber einmal zu viel eine Tür zuknallen als einmal zu wenig. In einer Therapie landete ich, obwohl ich gesagt hatte, dass ich das nicht brauche/will in einer Gruppe, in der es darum ging, seine Emotionen regulieren zu lernen. Ich habe gesagt, dass ich meine Emotionen eher überdurchschnittlich gut regulieren kann und lieber lernen möchte es weniger gut zu können. Nach dem gefühlt hundertsten Mal durfte ich noch zwei mal in eine andere Therapiegruppe, da mein Bedürfnis erhört wurde. Vielleicht auch ein bisschen, weil ich ruhig und sachlich erläuterte, weshalb ich es gut finde, dass eine Patientin heulend rausgerannt ist, während der Leiter sichtlich überfordert dasass und mich wie ein Bildschirmschoner anschaute.

Das ist doch einfach grauenhaft, wie alle immer denken: "Jemand ist schwerst traumatisiert und kommt nicht klar? Oh, der/die hat sicher eine gestörte Emotionsregulation und kann seine Impulse nicht kontrollieren. Dem muss dringend jemand beibringen wie er sich so verhalten kann, als wäre nie etwas geschehen und als wäre sein Hippocampus normalgross und seine Amygdala durchschnittlich reagdibel. Optimalerweise fällt die Person nachher nicht mehr auf und geht, wenn er kurz davor ist vor inneren Schmerzen auszurasten ruhig in ein Nebenzimmer ein Sudoku lösen. Wenn das nicht hilft, kann er ja in Siebenerschritten von tausend abwärts zählen oder mit einem Igelball herumspielen "

Ganz ehrlich, es grenzt für mich an ein eigenes Trauma wie ich teilweise von "Fachleuten" und Co behandelt worden bin. Zum Beispiel durfte ich in einem Zustand grosser innerer Anspannung nicht spazieren gehen sondern wurde angewiesen "Verantwortung für mich zu übernehmen und selbstständig zu skillen" mit Sudoku und dem Zeug, was zur Auswahl stand. Das Schönste: mein (reaktives) müdes Lächeln wird in einem Bericht als "herausfordernd-grenzen testend" dargestellt usw. Lustig, dass die Leute, die mich am grundlosesten am miesesten behandelt haben, das Schlimmste über mich schreiben.

Bevor ichs vergesse: eigentlich möchte ich vor allem eine Sache loswerden. Nämlich:

Ich habe gewusst, dass es so "endet". Dass ich nur schwer depressiv werden kann. Okay, hab vorher irgendwo gelesen, dass es ein Symptom der Depression sein soll, wenn man denkt, man wäre aus diesem oder jenen Grund depressiv. Haha. Es gibt schliesslich keinen Grund depressiv zu sein, und jegliches psychisches Leid entsteht nur dadurch wie man über etwas denkt. Also es ist jetzt eben nicht so, dass ich eine grosse Selbsterkenntnisreise vor mir habe wo am Ende klar wird, warum ich depressiv geworden bin. Es gibt X Gründe, gefühlt sind es vor allem die extrem quälenden Zustände wegen meinem Aussehen und die nicht minder quälenden im Zusammenhang mit meiner Vergangenheit. Dinge, für die es quasi keine Lösung gibt. Die Vergangenheit ist schliesslich vorbei und mein Aussehen bleibt erst mal. Wenn es nur etwas wäre, vor dem ich flüchten könnte... wenn es an meinem Job läge oder an meinen hohen Anforderungen an mich selbst. Ich habe sehr stark gelitten in letzter Zeit. Irgendwo wusste ich, dass es in eine Depression führen wird. Da ich hilflos meinem extremen Leiden ausgeliefert war und obendrein eben noch sozial isoliert und arm bin. Wenn ich Geld hätte wäre ich jetzt vielleicht in meinem Lieblingsfreibad oder zumindest mit einem Coffee To Go am Zugfahren und Musikhören. Oder ich müsste nicht den Tag fürchten, an dem das Geld für mich entscheidet, dass ich jetzt mal eine zeit lang nüchtern bin und meine Toleranz abbaue.

Meine traurige Vergangenheit ist leider nicht nur ein "man made trauma" sondern das Werk des ganzen Systems: ich wurde von meinen Eltern polizeilich weggenommen und durfte keinen Kontakt mehr haben. Ich wurde von verschiedenen Pflegeeltern emotional misshandelt, und sie haben Geld dafür bezahlt bekommen, dass ich dort bin. Meine Vormündin, die mich seitdem ich ein Kind war kannte, hat sich dermassen no-go verhalten (auch oder gerade als ich von den Pflegefamilien erzählt habe vor einem Jahr), dass ich keinen Kontakt mit ihr mehr haben möchte. Also statt einmal im Jahr keinmal. Ich habe mit niemanden mehr Konakt. Weiss auch nicht wirklich wie ich mir ein soziales Netz aufbauen soll, wenn ich 99% meines Lebens mit Leiden verbringe und die übrigen 1% damit mich zu verstellen wenn ich Konakt mit fremden Leuten habe. Nicht falsch verstehen, ich verhalte mich sehr natürlich, nur dass ich eben nichts von meiner Krankheit erzähle und so. Weiter "system made trauma": duzende Erfahrungen mit Psychotherapeuten, Pflegern und so Gesindel. Teilweise wirklich schwerwiegend. Lügen über mich in meinen Akten gelesen. Teilweise klingt es dort richtig so als fänden es die Menschen irgendwie geil mich so darzustellen und evt. einen schlechten Einfluss auf mein Leben zu nehmen damit.

Tja. C'est la vie. Danke fürs Lesen, ich muss jetzt nachdosieren.
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Juhu, endlich wieder Depressionen!

Beitrag von Abendstern »

Liebe SeitJahren,

ich habe einige Gedanken zu Deinen Zeilen. Leider werde ich sie nicht alle in diesem Post unterbringen können, da ich eigentlich gerade - leider vergeblich - auf Schlaf hoffe...

In Kurzform aber dies:

Herumbrüllen: Nichts ist besser, als seinen Frust und seine Verzweiflung einmal kräftig herauszubrüllen. In der Akutphase meines Dilemmas habe ich sehr viel geschrieen, geflucht und geweint. Seit einiger Zeit nun höre ich öfter den halbstarken Sohn meiner alleinerziehenden Nachbarin herumbrüllen. Ich fühle mich dabei an meine eigene Jugend erinnert, in der ich mich oft der übermächtigen Dominanz meiner überforderten Mutter hilflos ausgeliefert fühlte. Und an den Grenzen meiner psychischen Leidensfähigkeit kam es schließlich auch zu lautstarker Entladung meines unterdrückten Mißmuts. Im Nachgang habe mich dann ebenfalls wegen der Nachbarn geschämt. Aber ganz ehrlich, ich denke mir gerade bei meinen eigenen Nachbarn eben exakt dies: Nämlich, daß es nicht leicht ist, eine alleinerziehende Mutter zu sein und ebensowenig das Kind einer überforderten alleinerziehenden Mutter. Kein Grund zur Scham also. Niemand weiß, was die Nachbarn wirklich denken. Vielleicht verstehen sie einen manchmal besser als man denkt.

Tierquälerei: Ich denke oft über den Umgang mit der Schuld nach, den unsere Gesellschaft pflegt. Ich glaube, wir sollten Schuld und Schuldgefühle akzeptieren und zulassen. Gerade vor uns selbst. Nichts ist schlimmer, als Schuld unter den Teppich zu kehren. Selbst wenn jemand versuchen würde, Dir die Schuld zu nehmen, indem er Dir darlegt, daß es normal ist, als Kind Tiere zu quälen, so würde es Dich selbst nicht von Deinen Schuldgefühlen befreien. Warum sie dann nicht einfach annehmen. Ich denke, Schuld anzunehmen, zeugt von Reife und Verantwortung. Schuld wegzudrücken, führt dagegen vor allem gerade auch im zwischenmenschlichen Bereich zu Ignoranz den Opfern gegenüber. Das ist schlimm. Das ist schlimmer, als zu sagen: "Ja, verdammt noch mal, ich habe Schuld. Das ist so unfaßbar schrecklich. Wie konnte ich nur!" Aber eben diese Erkenntnis führt ja auch dazu, die Schuld wieder gutmachen zu wollen und sie nicht zu wiederholen. Genau dafür sind Schuldgefühle rein sozialbiologisch vermutlich auch da. In meinem Leben sind jedenfalls Menschen, denen es so geht wie Dir, daß sie die eigene Schuld erkennen und anerkennen, genau diejenigen mit dem liebenswürdigsten und empathischsten Charakter. Und ich kenne in der Tat einige, denen als Kind Malheure mit Tieren passiert sind, die sie heute schrecklich bereuen. Man lernt sich und die Welt nun einmal durch Ausprobieren und Experimentieren kennen. Da kann leider schon mal etwas schief gehen. Auch die eigene Neugier aus Mitgefühl zu zügeln, gehört wohl leider zum Lernprozeß...

Trauma durch Therapie: Schrecklich, was ich da wieder lese. Kein Wunder, daß derlei "Therapien" den wenigsten Menschen wieder auf die Beine helfen. Ich glaube eher, daß dieser ganze Psychoverein ein sich selbst erhaltendes System ohne großen Nutzen ist. Wenn Dir in Erregung nach Spazierengehen ist, dann sagt Dir Dein Körper, daß genau DAS gut für Dich ist. Wie kann man bitte nur so hirnrverbrannt sein und hier gegen die Natur arbeiten wollen. Tausend Lehrbücher haben niemals mehr Recht als die Signale des eigenen Körpers. Unsere Gesellschaft ist so unfaßbar gehirngewaschen und strunzdumm, daß es wirklich beängstigend ist. Wie soll man da nicht allein schon davon Depressionen bekommen. Haha. Ich stelle jedenfalls immer wieder fest, daß mein einziges Glück in meinem ganzen unfaßbaren Dilemma war, daß ich mir in der Akutphase des Dramas meine finanzielle Unabhängigkeit bewahren konnte, so daß es mir möglich war, schnell Abstand von derlei psychisch übergriffigen Therapiemaßnahmen zu nehmen. Ich glaube, sonst hätte ich mich am Ende erst recht umgebracht. Wer in seinem Leben trotz aller Schicksalsschläge stets selbstbestimmt erfolgreich seinen Weg gegangen ist, der muß sich wahrhaft nicht von einem Therapiedödel die Welt erklären lassen. Und so habe ich zu Hause geheult und geschrieen, bin ausgeflippt oder tagelang im Bett geblieben - und ja, genau das hat mir geholfen. Aber vor allem die wenigen Menschen, die mir geblieben sind und mir gezeigt haben, daß sie mich selbst in meinen schwersten Stunden noch als vollen Menschen sehen. Keine "Therapie" hätte das besser hinbekommen. Hätte ich mich darauf eingelassen, wäre ich heute vermutlich ein durch Psychopharmaka zerstörtes Wrack, anstatt wenigstens den jetzigen Grad der Genesung erreicht zu haben.

Jetzt aber erst einmal ein weiterer Schlafensversuch... So kurz ist es ja dann doch nicht geworden... ;-) Gute Nacht!
Zuletzt geändert von Abendstern am Samstag 25. Juni 2016, 20:13, insgesamt 2-mal geändert.
Seit Jahren
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Registriert: Montag 6. Juni 2016, 15:31

Re: Juhu, endlich wieder Depressionen!

Beitrag von Seit Jahren »

Hallo lieber Abendstern

Danke für Deine Gedanken dazu. Ich glaube ich muss gar nicht viel dazu schreiben gerade, wir verstehen uns gut und haben einen gewissen "Gleichklang" wenn ich das mal so schreiben darf. :wink:
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Juhu, endlich wieder Depressionen!

Beitrag von Abendstern »

Seit Jahren hat geschrieben:Hallo lieber Abendstern

Danke für Deine Gedanken dazu. Ich glaube ich muss gar nicht viel dazu schreiben gerade, wir verstehen uns gut und haben einen gewissen "Gleichklang" wenn ich das mal so schreiben darf. :wink:
Du darfst! :wink:
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