Thanatos hat geschrieben:glycerine hat geschrieben:...
Man kann doch nicht alles rationalisieren, es muss doch mehr geben, mehr als man denkt?
Versuchen kann man das durchaus – und es wurde und wird immer wieder versucht. Es gelingt aber nicht vollständig, weil der Mensch nun mal größtenteils triebgesteuert, also irrational handelt. Selbst der noch so rational denkenden Wissenschaftler entscheidet oftmals intuitiv, also irrational.
Was hat die Tatsache, dass jede Handlung irrational motiviert ist mit der Frage zu tun? (`Rationalisieren` bezieht sich hier doch nicht auf nachträgliches Erfinden rationaler Gründe für irrational motiviertes Handeln, sondern auf Erkenntnismittel jenseits des diskursiv-argumentiven Denkens...und du nennst ja selber die Intuition als Beispiel!).
Der Punkt ist, dass man rational durchaus für Gott oder was auch immer argumentieren kann (der Wissenschaftler ist, wie auch immer er zu seinen Theorien gelangt, an empirische Evidenz und andere Verpflichtungen zur Konsistenz gebunden). Gott ist nicht jenseits einer rationalen Argumentation und ein materialistischer Naturalismus hat es nicht viel einfacher (wenn auch aus meiner Sicht einfacher) seine Position plausibel zu machen als irgendeine theistische Annahme.
Dann gibt es noch mehr oder minder irrationale Zugänge (kaum aber gänzlich irrationale. Die Intuition, gerade in der Wissenschaft, zählt wohl nicht dazu...es ist hier vermutlich umgekehrt: dass die Intuition auf einem breiten Fundament empirisch-rationalen Wissens ruht bzw. daraus erwächst).
Mit Sicherheit gibt es mehr, viel mehr.Wir können allerdings außerhalb unserer Wahrnehmung nichts wirklich wissen (im Grunde nicht mal innerhalb unserer Wahrnehmung, weil diese täuschen kann) – oder durch technische Hilfsmittel „wahrnehmen“-, also nicht wissen, was es da noch gibt.
Hierzu nur eine Frage: wie weisst du mit Sicherheit, dass es viel mehr gibt, wenn wir konkret nichts darüber wissen könnten (d.h. keine konkret-empirische Hinweise haben, dass es mehr geben muss...und solche gibt es durchaus in den Wissenschaften, z.B. die `dunkle Materie` von deren Existenz man ausgehen muss, ohne aber zu wissen woraus sie besteht)?
Deshalb bleibt alles „Jenseitige“ reine Spekulation. Da kann es meinetwegen Götter, Dämonen, böse Geister oder Papa Schlumpf als real existierende Person geben; es bleibt dennoch Spekulation.
Es sei jedem zugestanden, so viel zu spekulieren, wie er oder sie möchte.....
Auch das völlig verkürzt (mal abgesehen davon, dass reine Spekulation nicht vereinbar ist damit, dass du oben schreibst, zu wissen, dass es mit Sicherheit viel mehr gibt). Jeder der irgendwie sinnvoll, d.h. rational spekuliert, wird die entsprechenden spekulativen Thesen auf das was uns an Wissen und Erfahrung zugänglich ist beziehen und ihren diesbezügliche Erklärungswert prüfen (so ist durchaus nicht ausgemacht, dass der materialistische Naturalismus überzeugender ist als ein Dualismus oder ein monistischer Idealismus). Auch wird er eingestehen oder erkennen (so er rational prüft) wo die jeweiligen Schwachstellen unterschiedlicher Hypothesen sind etc. Das ist sogar recht nahe bei der wissenschaftstheoretischen Position des kritischen Rationalismus (wobei Weltanschauungen sich eben meist irrational gegen Widerlegung immunisieren). Insofern wäre völlig irrationale Spekulation etwas was potentiell Richtung Wahn tendiert, wenn es jede Bodenhaftung vermissen lässt (aber selbst dann, wäre es wohl bemüht `intern` widerspruchsfrei zu sein).